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Oderberger Straße 56. Die Haus-im-Haus-Wohnung mit der Hängebrücke im 7. und 7.5. OG ist 120 qm groß und sehr variabel nutzbar: eine 35 qm große Einliegerwohnung ist abtrennbar. Sie kann für ein Zusatzeinkommen vermietet, als Kinderwohnung, Homeoffice oder als Wohnung für eine Pflegekraft genutzt werden.

© Doris Spiekermann-Klaas

KfW-Award 2010: Das ausgezeichnete Tetris-Haus

Ein Bauprojekt in Prenzlauer Berg erhielt den KfW-Award 2010 – damit gewann ein aus Modulen zusammengesetzter Neubau.

Die Bewohner der Oderberger Straße 56 in Prenzlauer Berg haben Mühe, ihr neues Zuhause einfach zu beschreiben. „Besser, wenn Ihr vorbeikommt“, sagen sie zu Freunden, „das müsst Ihr sehen.“ Tatsächlich ist dieser Mix aus innovativen Architekturideen und Nutzungsformen auf engem Raum schwindelerregend. Es scheint auf den ersten Blick, als seien die Bauelemente mit dem Game Boy durch ein Programm des Computer- und Steckspiel-Klassikers „Tetris“ zusammengeschreddert worden.

Entstanden ist eine bauliche Struktur, die sowohl barrierefreie Etagen als auch doppelgeschossige Wohn- und Arbeitsräume beinhaltet. Im Erd- und Untergeschoss befinden sich ein kleines Ladenrestaurant (60 qm), eine Galerie und ein Unterrichtsraum, darüber liegen Ateliers – kleine, aber feine und flexible Räumlichkeiten vor allem für junge Existenzgründer und Jungunternehmer.

Auf diesen ersten beiden Geschossen „sitzen“ in sich verschachtelte Wohneinheiten, die sich durch große Flexibilität auszeichnen. Sie können nämlich durch bereits vorgestanzte Mauerdurchbrüche in das Treppenhaus und das Einziehen von Mauern vergleichsweise einfach geteilt werden – bei wirtschaftlicher Not zum Beispiel, wenn eine Pflegekraft einziehen soll, wenn Kinder langsam flügge werden oder wenn Paare sich trennen und Partner plötzlich nur noch gute Freunde sind. Das Haus passt damit in die Zeit. Vor allem passte es aber auch in eine Baulücke und damit in den jährlich ausgelobten Wettbewerb der KfW-Bankengruppe „Europäisch Leben – Europäisch Wohnen“. Gesucht waren hier Bauvorhaben, die innerstädtische Baulücken architektonisch, energetisch und stadtplanerisch überzeugend ausfüllen. Der erste Preis ging in dieser Woche an die Baugruppe Oderberger Straße 56 GbR: „Mischen Possible“ nennen sie ihr Projekt in Anspielung auf ihr Konstruktionsprinzip und den Kinofilm „Mission Impossible“. Die Jury unter dem Vorsitz des Architekten Hans Kollhoff würdigte unter anderem die flexible Grundrissgestaltung der Wohnungen in dem gemischt genutzten Mehrfamilienhaus sowie dessen hohe energetische Qualität.

Wie ein „Zauberwürfel“. Im Sockel befindet sich ein Musikraum; darüber, im EG, ein Laden und die „Küche am Stadtbad“. Im 1. und 2. OG liegen fünf Ateliers, darüber Wohnungen und on top ein Gästeapartment und eine Dachterrasse.
Wie ein „Zauberwürfel“. Im Sockel befindet sich ein Musikraum; darüber, im EG, ein Laden und die „Küche am Stadtbad“. Im 1. und 2. OG liegen fünf Ateliers, darüber Wohnungen und on top ein Gästeapartment und eine Dachterrasse.

© Promo/BAR

Katharina von Uslar und Christine Rollar leben mit ihren Familien seit kurzem in zwei dieser großzügig gestalteten Wohnungen. Diese bestehen jeweils aus einer Grundeinheit von rund 80 Quadratmeter Wohnfläche und etwa 30 bis 40 weiteren, „angedockten“ Quadratmetern auf verschiedenen Ebenen. „Diese Haus-im- Haus-Variante erlaubt eine langzeitliche Nutzung“, sagt Christine Rollar.

Über Jahrzehnte war die durch Bombentreffer entstandene Brache als Garagengrundstück genutzt worden. Die BAR-Architekten Antje Buchholz, Jack Burnett-Stuart, Jürgen Patzak-Poor und Michael von Matuschka stöberten es in einem Auktionskatalog auf. Mit Ausnahme von ihnen wollte das Objekt 2003 niemand haben. Der Hof ist nämlich nur so groß wie die bebaute Fläche. „Die Enge des Grundstücks verlangte einiges an Vorstellungskraft“, sagt Patzak-Poor, der mit der Architektengruppe BAR hier sein Domizil hat. Aus heutiger Sicht war der Erwerb ein Schnäppchen: Der geringe Grundstückspreis trug dazu bei, die Endkosten im Rahmen zu halten. „Alles in allem 2350 Euro pro Quadratmeter“, sagt Patzak-Poor, „aber ohne die Bodenbeläge.“ Es ist dies kein Projekt der High-End-Architektur. Besonders stolz sind die Architekten auf die Leistungen ihres Poliers von der TBN TerminBau Niesky GmbH, Gesellschaft für termingerechtes Bauen. Der habe es bei diesem in sich verschachtelten Bau doch tatsächlich fertig bekommen, die einzelnen Abschnitte in den richtigen Längen mit dem Stahl zu verweben. Die Komplexität des Hauses erschließt sich erst in seinen Schnitten. Um die Idee für die Blockrandbebauung umsetzen zu können, wurde eine GbR gegründet – die „Baugruppe Oderberger Straße 56“. Es gibt keine Eigentümergemeinschaft mit jeweils zugeordneten Wohnungen, sondern einen Pool von Interessenten, die einerseits einen Teil des benötigten Baugeldes durch Einlagen aufbringen und andererseits durch Bankkredite mitfinanzieren. „Wir planten und bauten die größtmögliche Mischung auf dem Areal neben dem alten Stadtbad“, erklärt Antje Buchholz. „Architektur muss auf die unterschiedlichen Formen des Alltags eingehen“, ergänzt Patzak-Poor. „Je mehr saniert wird, desto mehr werden Arbeitsflächen gesucht, die vielleicht klein, aber auch finanzierbar sind.“ Im Erd-/Untergeschoss habe man es fast übertrieben, mit gleich drei Einheiten auf Straßenniveau.

Was den Architekten wichtig war, schätzen die neuen Eigentümer und Mieter: die Einheit von Öffentlichkeit und Privatem. Durch die Mischnutzung gibt es eine rege Kommunikation. Auf einen Kaffee und zur Besprechung trifft man sich im Erdgeschoss, die Kinder haben den Hof und können ihren Besuch im Gästezimmer mit Sanitärbereich unterbringen. „Ich liebe die 4,30 Meter hohen Räume mit den hohen Fenstern, das Licht überall und das Wohnen auf verschiedenen Ebenen“, schwärmt Christine Rollar.

Weitere Informationen über das Bauprojekt Oderberger Straße 56 werden am Montag, 7. Juni, in dem ZDF-Magazin „Wiso“ ab 19.25 Uhr verbreitet – wenn nicht wieder etwas Aktuelles dazwischenkommt.

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