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Auf Thomas Funckes Haus in Hagen hat die Wärmewende schon angefangen. Neben den Photovoltaikpanelen rechts ist das Dach auch mit einem Solarthermieelement (links) bestückt.

© co2online/Alois Müller

Klimaneutrale Gebäude: Wärmewende: Warten auf den großen Wurf

Die Energieeinsparverordnung wird wieder einmal verschärft – danach steht eine Neuausrichtung an. Vorschriften zur energetischen Sanierung und zum Einsatz erneuerbare Wärme sollen zusammengelegt werden.

Trotz aller guten Absichten ist die Energieeinsparverordnung (EnEV) zum Problemfall der Energiewende geworden. Gestartet war sie als umfassendes Klimaschutzprogramm, gelandet ist sie als kostentreibender Dämmwahn. Nun soll die EnEV grundlegend reformiert werden.

Betroffen davon ist noch nicht die aktuelle Verschärfung der EnEV. Seit Jahresbeginn müssen Neubauten 25 Prozent weniger Energie verbrauchen als noch 2015. In der Diskussion um die Wohnungsnot im Land hatte ein „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ im Herbst das Aussetzen der EnEV für 2016 gefordert. So etwas war mit Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) nicht zu machen: „Das ist für mich keine Option – weder mit Blick auf die Klimakonferenz in Paris noch auf unsere Klimaschutzziele, die wir erreichen müssen. Aber ich bin offen für andere Maßnahmen“, sagte sie.

„Insgesamt ist festzustellen, dass die EnEV sich mit ihren gegenwärtigen Bilanzierungsparametern im Grenzbereich der Wirtschaftlichkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht befindet“, heißt es im kürzlich erschienenen Abschlussbericht der Baukostensenkungskommission, die Hendricks 2013 einberufen hatte. Das bedeutet: Volkswirtschaftlich im Sinne des Klimaschutzes mag die EnEV noch richtig sein, betriebswirtschaftlich für die einzelnen Eigentümer oder Mieter ist offenbar eine Grenze erreicht.

Bund und Länder wollen nun gemeinsam Modelle für eine Neukonzeption der EnEV erarbeiten und sie in einer Sonder-Bauministerkonferenz im Sommer 2016 diskutieren. Münden könnte sie dann in die nächste Fassung der Verordnung für 2017.

An der Zeit wäre es. Der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) hatte kürzlich in einem Positionspapier gemahnt, die verschiedenen regulatorischen Instrumente im Wärmemarkt zu harmonisieren und zu vereinfachen. Neben der Energieeinsparverordnung ist das vor allem das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz.

Bisher gibt es keine Pflicht für erneuerbare Wärme in Bestandsbauten

2014 hatten erneuerbare Energien in Deutschland einen Anteil von nur elf Prozent an der Wärmeversorgung im Gegensatz zu 26 Prozent an der Stromversorgung. Allerdings sei die Energiewende im Wärmesektor auch wesentlich schwieriger umzusetzen als im Stromsektor, schreiben die Forscher vom FVEE: „Denn in Bezug auf Technologien, Marktstrukturen, Akteursvielfalt und Kostenstrukturen weist der Wärmesektor eine deutlich größere Heterogenität als der Stromsektor auf, was die Umsetzung einer effizienten Politik erschwert.“

Ein großer Wurf wäre es, wenn die EnEV künftig den Einsatz von Erneuerbaren bei der Wärmeversorgung auch in Bestandsbauten zwingend vorschreiben würde. Bisher hat sich der Gesetzgeber nicht dazu durchringen können, dies zur Pflicht zu machen. Nur in Baden-Württemberg gibt es eine solche Regelung.

Die Fraktion der Grünen im Bundestag hat allerdings einen entsprechenden Gesetzesentwurf ins Parlament eingebracht. In der Debatte sprach sich Die Linke eher dafür aus, während die Große Koalition erwartungsgemäß wenig Gegenliebe für den Vorschlag der kleinsten Oppositionspartei zeigte – vor allem, weil diese einmal wieder auf der Ordnungsrecht setze.

Bisherige Linie ist, bei der Wärmewende auf Freiwilligkeit zu bauen und Investitionen über ein recht üppiges Marktanreizprogramm (MAP) zu fördern. Die Grünen wollen den Druck nun durch eine Anhörung mit Experten im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie erhöhen, sagte ein Sprecher.

Auch in Berlin ist die erneuerbare Wärme noch ein zartes Pflänzchen, das im Bestandsbau nur erste zarte Blüten treibt. So haben sich zwei Siedlervereine der Charlottenburger Siedlungen Eichkamp und Heerstraße zusammengeschlossen, um ein energieautarkes Wohnquartier zu schaffen. Seit September 2015 wird an einer Machbarkeitsstudie gearbeitet, die prüft, ob eine allein auf regenerativen Energien basierende Wärmeversorgung technisch und wirtschaftlich möglich ist. Das Forschungsministerium hat das Vorhaben zu einem von nur fünf Projekten im „Forum Zwanzig20 Wärmewende“ ausgewählt.

Solche quartiersbezogenen Ansätze sollen künftig mehr Potentiale heben. Hier hat der Gesetzgeber bereits reagiert und das KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“ erweitert. Seit Herbst können Fördermittel für energetischeSanierung mit einem altersgerechten Umbau von ganzen Quartieren kombiniert werden. Von drei auf fünf Jahre wurde der Zeitraum verlängert, in dem ein Sanierungsmanager diesen Prozess steuern kann.

"Ohne eine Wärmewende wird es keine Energiewende in Berlin geben"

Abgesehen von Leuchttürmen wie dem in Charlottenburg und einigen ambitionierten Neubauten, ist Berlin aber noch keine Hauptstadt des Klimaschutzes. Die Wärmeversorgung beruht zu fast 100 Prozent auf fossilen Brennstoffen – Gas zu 44 Prozent, Fernwärme zu 30 Prozent, Ölheizungen zu 24 Prozent.

Die Fernwärme speist sich zu 90 Prozent aus Stein- und Braunkohle und auch der kleine Anteil des Stroms für Nachtspeicherheizungen stammt aus fossilen Kraftwerken. Doch: „Ohne eine Wärmewende wird es keine Energiewende in Berlin geben.“ Das ist eines der Ergebnisse der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ des Berliner Abgeordnetenhauses.

Einen Innovationsschub dürfte es geben, wenn die EnEV künftig einen Gedanken aufnimmt, den Experten schon lange anregen. Nämlich nicht einfach Energie einzusparen, sondern CO2-Äquivalente. Dann müsste beispielsweise in eine Sanierungsbilanz mit eingerechnet werden, was die Produktion von energieaufwändigen Dämmmaterialien wie Styropor an Energie verschlingt. Die Informationen zu solchen Parametern liegen bereits seit Jahren in der einzigartigen Datenbank „Ökobaudat“ vor.

Einer der unermüdlichen Verfechter der Idee ist der Berliner Architekt Taco Holthuizen. Er plante den Wärmewende-Leuchtturm in Lichterfelde-Süd, die Sanierung einer Siedlung der Wohnungsbaugenossenschaft „Märkische Scholle“ mit Heizenergie aus der Sonne und Wärmerückgewinnung.

Statt weiterer feinziselierte Vorschriften der EnEV wünscht sich Holthuizen eine einfache Vorgabe, wie viel Primärenergie ein Bau verbrauchen darf – also wie viel Energie einschließlich der „grauen“ Energie für die Baustoffe genutzt wird: „Wie man dahin kommt, soll den Bauherren überlassen bleiben“, sagt Taco Holthuizen.

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