zum Hauptinhalt
Die EU-Gebäuderichtlinie sieht vor, dass ab dem Jahr 2021 alle Neubauten den neuen Standard des „Niedrigstenergiegebäudes“ erfüllen.

© imago

Klimaschutzplan 2050: Immobilienbetriebe geben Kontra

Schlechtes Klima: Immobilienvertreter setzen die Mitarbeit im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen wegen "Mehrbelastungen" aus.

Gerade noch rechtzeitig für die Reise der Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zur Klimakonferenz nach Marrakesch hat das Kabinett den Klimaschutzplan der Bundesregierung am Montag verabschiedet. Doch des einen Freud ist des anderen Leid. Die Immobilienwirtschaft ist so verärgert über die kurzfristig verschärften Vorgaben des Klimaschutzplans für ihren Sektor, dass sie die Mitarbeit im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen aussetzt. Das gaben die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) sowie Haus & Grund am Mittwoch bekannt. Wie bereits kurz gemeldet, sehen sie vorerst keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Bundesregierung.

Bis Ende Januar wollen sie mit den Fachministerien klären, inwieweit bei den Klimaschutzzielen noch ein gemeinsamer Weg gefunden werden kann. Der BID gehören unter anderem der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) und der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen an.

Die Einsparungsziele wurden auf Intervention von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) noch einmal neu festgelegt. Industrie- und Energiewirtschaft müssen nun weniger Kohlendioxid einsparen, der Gebäudesektor dafür mehr. „Über Nacht wurde das Ziel um zehn Prozent verschärft“, kritisiert Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW.

Dabei habe der Gebäudebereich schon sehr viel zum Klimaschutz beigetragen: „Wir waren 2014 schon besser als Verkehr und Landwirtschaft 2030 sein sollen“, schildert Gedaschko die Relationen. Jetzt noch mehr zu leisten, werde schwierig und teuer.

Gleichzeitig postuliert der Klimaschutzplan, dass die notwendigen Sanierungen im Gebäudebestand sozialverträglich sein sollen. Zu den verschärften Vorgaben sagt Gedaschko: „Ich kann mir das nicht mehr sozialverträglich vorstellen.“

Die Vertreter der Immobilienbranche kritisieren die Regelungen als nicht praktikabel

Dennoch denkt man im GdW darüber nach, wie die verschärften Ziele erreicht werden können, sagt Gedaschko. Er deutet an, dass man gemeinsam mit Partnern über geringinvestive Maßnahmen nachdenke, mit denen Mieter Energie sparen können. Außerdem werde man mehr auf die dezentrale Energieerzeugung vor Ort setzen, also Wärme und Strom im Gebäude produzieren. „Darin liegt die Chance, einen Riesenbeitrag zu leisten“, sagte Gedaschko. Denn beim Dichten und Dämmen sei ein Grenznutzen erreicht.

Erschwerend sieht Gedaschko eine Gesetzesreform aus dem Justizministerium auf die Branche zukommen. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll der maximale Anteil an den Sanierungskosten, der auf die Mieter umgelegt werden kann, von elf auf höchstens zehn Prozent gesenkt werden. Außerdem soll ein „Maßstab der Wirtschaftlichkeit aus Mietersicht eingeführt werden“, sagt der GdW-Präsident. Da aber die Sanierungskosten fast nie über die Einsparungen beim Heizen hereingeholt werden können – jedenfalls nicht bei den aktuellen Gas- und Ölpreisen – „passt das eine nicht mit dem anderen zusammen“, sagt Gedaschko. „Die aktuell geplanten Regelungen sind nicht praktikabel und werden die Energiewende im Gebäudebereich ausbremsen. Die Mietrechtsreform muss insbesondere dafür sorgen, dass Exzesse bei der Modernisierung und ein ‚Herausmodernisieren' verhindert werden. Dazu braucht es vor allem eine intelligente und klare Härtefallregelung, die Modernisierungsmaßnahmen auch weiterhin ermöglicht.“

Die Bundesarchitektenkammer äußerte sich enttäuscht über die nochmals verstärkte Belastung des Bausektors beim Klimaschutz. „Bei der hohen Bedeutung des kostengünstigen Wohnungsbaus ist diese Lastenverschiebung zu Ungunsten des Bausektors besonders schwer nachvollziehbar“, sagte Kammer–Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann.

Die ehrgeizigen Vorgaben könnten auch positive Effekte hervorbringen

Der Gesetzesentwurf läuft unter der Bezeichnung „Zweite Tranche Mietrechtsreform“. Er befindet sich schon seit geraumer Zeit in der Abstimmung zwischen den Ministerien. Zum weiteren Zeitplan könne er nichts sagen, teilte ein Sprecher des Justizministeriums auf Nachfrage mit. Es scheint also möglich, dass diese Mietrechtsreform vor der Bundestagswahl gar nicht mehr kommt.

Doch auch ohne die kritisierte Verschärfung hat die Gebäudewirtschaft mit dem Klimaschutzplan eine schwere Hausaufgabe bekommen. Sibyl Steuwer vom Berliner Büro des Buildings Performance Institut Europe (BPIE) sieht in den ehrgeizigen Vorgaben aber auch etwas Positives. „Ambitionierte Ziele treiben Innovationen voran. Das ist eine Riesenchance und in diesem Licht sollte man das sehen“, sagt sie.

Ein gutes Instrument sieht Steuwer in individuellen digitalen Sanierungsfahrplänen, wie sie derzeit in Flandern und Frankreich entwickelt werden. Darin könnten Hausbesitzer jederzeit nachlesen, auf welchem Stand ihr Gebäude ist und welche Schritte sie gehen können, ohne Lock-In-Effekte zu produzieren – also ohne in Technologien zu investieren, die nicht zukunftsfähig sind. Zurzeit etwa wirbt die Initiative Zukunft Erdgas mit einer Kampagne dafür, durch die Umstellung von Öl und Kohle auf Erdgas schnell viel Kohlendioxid einzusparen, denn bei der Verbrennung von Erdgas entsteht nur etwa halb so viel CO2. „In den ersten Jahren würde das helfen, dann aber wäre es eine Altlast. Denn um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir bis 2040 CO2-frei werden“, sagte Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme, mit Blick auf die Lebensdauer einer Heizungsanlage.

Das Ministerium verteidigt die angepeilte Senkung des CO2-Ausstoßes

Bei der Umsetzung des Klimaschutzplans wird es nun auch auf die Vorgaben aus Brüssel ankommen, sagte Sibyl Steuwer. In Arbeit ist ein sogenanntes Winterpaket, wegen der Vielzahl von Verordnungen auch Jumbo-Paket genannt, das für den 30. November angekündigt ist. Darin ist unter anderem eine Novelle der EU-Gebäuderichtlinie enthalten.

Auf nationaler Ebene werde entscheidend sein, welche Standards genau für Niedrigstenergiegebäude gelten werden und welcher Anteil erneuerbarer Energien dabei vorgeschrieben wird, sagt Steuwer. Ab 2019 müssen alle öffentlichen Gebäude diesen Standard erfüllen, ab 2021 auch die privaten. „In einer Anleitung der EU-Kommission stehen Richtwerte, die in etwa einem KfW-40-Haus entsprechen. Das liegt leicht unter dem kostenoptimalen Niveau. Also einem, bei dem die Kosten während der Lebensdauer des Gebäudes am geringsten sind“, sagt die Expertin.

Das Bundesbauministerium erklärte zum vorläufigen Rückzug der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland, der Gebäudesektor dürfe laut Klimaschutzplan im Jahr 2030 insgesamt 70 bis 72 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen. Diese Zielvorgabe sei „konsistent“ mit einer 2015 von der Regierung beschlossenen Energieeffizienzstrategie. Diese sei damals von der Gebäudewirtschaft „nicht annähernd mit vergleichbarer Kritik“ bedacht worden.

Zugleich verteidigte das Ministerium die angepeilte Senkung des Treibhausgasausstoßes, um bis 2050 einen „nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“ zu erreichen. Der Wert von 72 Millionen Tonnen CO2 könne bei vollständiger Umsetzung aller vorgesehenen Maßnahmen auch erreicht werden. Vor der Branche liege ein „anspruchsvoller Weg hin zur Treibhausgasneutralität“, erklärte das Ministerium. „Wir werden sie auf diesem Weg nicht alleine lassen.“

Auch Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) erklärte, sie wolle mit der Wohnungswirtschaft „weiter im Gespräch bleiben“. Sie hatte das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen im Sommer 2014 ins Leben gerufen, unter anderem um Maßnahmen gegen hohe Mieten zu erarbeiten. Mit dabei sind neben dem Deutschen Mieterbund, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar- Umwelt (IG BAU) und dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes beispielsweise auch der Baustoff-Verband – und bisher auch die Immobilienwirtschaft.

(mit AFP)

Zur Startseite