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Unterm Dach? Oh je! Besonders in Dachgeschosswohnungen staut sich dieser Tage die Hitze. Ohne künstliche Kühlung ist es dann oft nur mit einem Fächer für den Kopf und kaltem Wasser für die Füße erträglich.

© Lambert

Klimawandel: Alles nur heiße Luft?

Wie Häuser Hitze außen vor lassen: Der Schutz vor hohen Temperaturen wird durch die globale Erwärmung Jahr für Jahr dringlicher.

Die Traumwohnung der Moderne ist das Penthouse, nicht das Parterre. Wenn es im aktuellen Sommer nur nicht so heiß wäre! Zwar sind Luxuswohnungen „on top“ meist – wie jede neuere Dachgeschosswohnung – auch top gedämmt. Doch zumeist gegen Wärmeverluste im Winter, nicht gegen Hitzeeinstrahlung. Wurden hier die Zeichen der globalen Erwärmung mit ihren Tropennächten von Planern nicht erkannt – oder muss sich mit dem Klimawandel einfach nur der Städtebau wandeln? Wie im Süden, wo die Gassen eng und die Schatten an den Wänden hoch sind.

Der Hauptstadt immerhin hinterließ die damalige Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) in ihrem letzten Amtsjahr den Stadtentwicklungsplan Klima (Untertitel: „Urbane Lebensqualität im Klimawandel sichern“), beschlossen vom Senat im Mai 2011. Darin wird vorgeschlagen, die klimatische Kühlwirkung von Grünflächen zu nutzen. Stichworte sind hier Dach- und Fassadenbegrünung sowie die vermehrte Anpflanzung von Schatten spendenden Gehölzen.

Besonders die Blockbebauung der Gründerzeit verstärke mit ihrer baulichen Dichte die bioklimatischen Probleme. Ein Lösungsansatz: die Entsiegelung von Flächen. Berlins heutiger Regierender Bürgermeister legte in seiner Zeit als Stadtentwicklungssenator nach: Es gehe auch um „klimaangepasste Bauweise und Gebäudeausrichtung“, heißt es in der Broschüre „Klimaanpassung für Berlin“ (2013).

Morgens und abends die Sonne sehen

Wird die Nordlage in Zukunft zur bevorzugten Lage? Dirk Wohltorf, Makler und im Landesverband Berlin-Brandenburg Vorsitzender des Immobilienverbandes IVD, verneint: „Unsere Kunden wollen eine Ausrichtung nach Südwest – man möchte morgens die Sonne sehen und abends auch.“ Ein Platz an der Sonne im Freien sei natürlich ebenso willkommen wie ein alternativer Platz im Schatten.

Auch Architektin Birgit Thielmann vom Verein „Wohnen im Eigentum“ plädiert für sonnenbeschienene Südfenster. Sie seien besonders zum Gewinn von solarer Energie geeignet. Anstelle von Häuseranstrichen, die das Sonnenlicht reflektieren, empfehle sich eine transparente Wärmedämmung auf der nach Süden weisenden, massiven Außenwand: Solarwärme werde so gewonnen und gespeichert. Das Bauteil gebe die Wärme dann zeitverzögert an die dahinter liegenden Räume ab und sorge im Innenraum für angenehme Oberflächentemperaturen.

Natürlich verzögern schwere Baumaterialien die direkte Durchleitung von Wärme. Aus diesem Grund wurden im Süden Europas – und nicht nur dort – bis zu ein Meter dicke Außenmauern gebaut. Doch auf Dächern ist das mit Blick auf die Statik keine Lösung. Und moderne Wärmedämmungen sind viel zu leicht, sie heizen sich im Sommer auf.

Kalte Luft mit Windturmarchitektur ins Gebäude führen

„Vom Süden lernen, heißt Kühlen lernen“ – so könnte auch hier die Devise lauten. „Warme Luft aus den Gebäuden heraussaugen und kalte Luft über eine ,Windturmarchitektur’ hineinlassen“, schlägt der Berliner Architekt Thomas Kaup mit Blick auf arabische Bauten vor: „Ein Spiel mit der Thermik. Denken Sie an Innenhöfe, an Patios!“

Außerdem sollten Gebäude im Sommer verschattet werden können. Durch ausstellbare Fensterläden, Veranden und Wintergärten – temperierte Pufferzonen. „Ich habe am eigenen Haus durchsichtige Balkone angebaut, durch die im Winter die Sonne hindurchkommt“, sagt Kaup. Im Sommer belege er die Balkonböden mit Holzbohlen – so spenden sie Schatten.

Von der Ausrichtung von Häusern in die Nordlage hält Kaup gar nichts. Wegen des Lichtes solle das Wohnzimmer nach Westen liegen, das Schlafzimmer dagegen nach Osten. Licht sei für den Grundriss wichtiger als Wärme – „das kann ich technisch lösen“, sagt der Architekt. Aber sind Klimaanlagen – mit Blick auf das Kühlproblem – nachhaltig?

Phasenwechsler nehmen Hitze auf und geben sie langsam wieder ab

Fluidglass im Test. Der Prototyp steht, jetzt wird die Alltagstauglichkeit des Systems untersucht.
Fluidglass im Test. Der Prototyp steht, jetzt wird die Alltagstauglichkeit des Systems untersucht.

© Sven Beham/TU München

Es gibt nachhaltige Lösungen, aber diese sind teurer. Wachsartige Baustoffe etwa, die Hitze aufnehmen können und zeitverzögert wieder abgeben. Das funktioniert in der Wüste natürlich nicht, hierzulande könnte damit im Klimawandel aber eine Strategie begründet werden.

„In der Fachsprache werden solche Materialien PCM – Phase Change Materials oder Phasenwechselmaterialien genannt“, sagt Michael Holzhauer, Berater des Bauherren-Schutzbundes BSB. Einfache Beispiele für Latentwärmespeicher sind Eisspeicher, Speicher aus Wachs oder Paraffinen oder speziellen Salzen, wie sie in regenerierbaren Handwärmern verwendet werden. Bereits heute sei es möglich, Gebäude mit einer Kombination aus Langzeitwärmespeichern und Wärmepumpen effizient zu heizen.

„Über eine entsprechend eingerichtete Geothermieanlage mit angeschlossener Bauteiltemperierung lassen sich Flächen auch kühlen“, ergänzt Architektin Sabine Djahanschah (Deutsche Bundesstiftung Umwelt). Die Wärme kann in den Boden zurückgegeben werden. Das würde auch verhindern, dass er mit der Wärmeentnahme im Winter irgendwann auskühlt.

Ende des Jahrhunderts wird der Sonnenschutz von heute nicht mehr reichen

Zwangsläufig scheint, dass das Thema Hitzeschutz mit der globalen Erwärmung stärker in den Fokus rückt. „Es kann sein, dass bei heute errichteten Gebäuden bis zur Mitte des Jahrhunderts der Kühlenergiebedarf größer ist als der Heizwärmebedarf“, sagt Marc-Steffen Fahrion, der an der TU Dresden am Institut für Baukonstruktion zur Sommerhitze forscht.

„Früher konnte man noch mit relativ einfachen Maßnahmen etwas erreichen – also mit innen liegenden Sonnenschutzsystemen wie Lamellen und Vorhängen. Ende des Jahrhunderts muss man voraussichtlich alle technisch machbaren Maßnahmen anwenden. Dazu gehören dann auch Kühl- und Kältemaschinen, die mit erneuerbaren Energien angetrieben werden, zum Beispiel durch Fotovoltaik.“

Bereits heute arbeiten Forscher weltweit an Ideen zum intelligenten Verschatten. Ein poetisches Konzept haben die Ingenieure vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik umgesetzt: Wie Blüten öffnen und schließen sich die Schirmchen eines Sonnenschutzvorhangs, an dem auch die Kunsthochschule Weißensee mitgearbeitet hat.

Hinter dem zarten Gespinst steckt eine Metalllegierung mit Gedächtnis. Bei Wärme öffnet sie die Schirme, bei Abkühlung schnurrt sie in ihre ursprüngliche Form zurück. So braucht der Vorhang keinen Strom, um zu funktionieren. Kaufen kann man ihn aber noch nicht, bei der Hannover-Messe im Frühjahr wurde erst ein Prototyp gezeigt.

Ein Glas, das keine Wärme durchlässt

Nanokristalle sind das Geheimnis eines Glases, das die Universität von Texas hergestellt hat. Delia Milliron und ihr Team entwickelten ein Material, das Licht durchlässt, aber keine Wärme, wenn es heiß ist. Und Wärme, aber kein Licht, wenn es kalt ist. Das könne im Winter Sinn machen, wenn man Räume warm haben möchte, aber die blendende, tief stehende Wintersonne aussperren will.

Die Vorteile des Materials liegen darin, dass es innerhalb von Minuten vom Kühlmodus in den Warmmodus schalten kann. Vorläufer hatten dafür Stunden gebraucht. Aber auch dieses Wunderglas ist bisher nur im Labormaßstab hergestellt worden.

Neuartige Fassadenlemente sammeln die Sonnenstrahlung ein

Schirmchen öffne dich: Dieser neuartige Vorhang nutzt die Wärmeenergie der Sonne zum Verschatten. Die Schirmchen schließen sich bei Abkühlung, weil die integrierten Drähte ein Formgedächtnis haben.
Schirmchen öffne dich: Dieser neuartige Vorhang nutzt die Wärmeenergie der Sonne zum Verschatten. Die Schirmchen schließen sich bei Abkühlung, weil die integrierten Drähte ein Formgedächtnis haben.

© Wilm Ihlenfeld/Fotolia/Fraunhofer IWU

2018 soll ein weiteres Hightechprodukt martktreif sein, das eine Gruppe von europäischen Hochschulen entwickelt. Beim sogenannten Fluidglass handelt es sich um ein Dreischeibensystem. Im Hohlraum zwischen der inneren und der mittleren Scheibe zirkuliert Wasser, das im Winter von der Heizung erwärmt wird und Wärmestrahlung breitflächig abgibt. Im Sommer zirkuliert kühlendes Wasser durch die Scheibe und sammelt die Wärmeenergie des Raums in einem Wärmetauscher. Nachts kann sie wieder abgegeben werden, was effektiver ist als eine Klimaanlage.

Die Innovation liegt zwischen der mittleren und der äußeren Schicht: Sie ist versetzt mit Metallpartikeln, die das Licht reflektieren und das Wasser gleichzeitig färben. Schiebt sich eine Wolke vor die Sonne, sammeln Magnete die Partikel wieder ein. Innerhalb von Sekunden kann das Material so auf veränderte Sonneneinstrahlung reagieren.

Wie das Fluidglass kann auch ein Produkt der Firma Eris aus Erfurt Energie sammeln. Es handelt sich um ein Fassadenelement, bei dem sich Lamellen zwischen zwei Glasscheiben befinden. Sie nehmen die Sonnenstrahlung auf und führen sie an Rohrleitungen an den Fensterseiten ab. Die Energie wird dann in den Warmwasserkreislauf geführt.

Fensterglas mit Flüssigkristallen

In nicht allzu ferner Zukunft können organische Solarzellen aus Kohlenstoff sogar gleichzeitig verschatten und Strom liefern. Noch aber sind solche biegsamen, folienartigen Solarzellen recht teuer. Noch eine Technologie steckt in der Pipeline: Die Firma Merck stellte jüngst http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/reise/afrika/namibia-ein-kopfstand-fuers-leben/11753106.html vor, die zwischen zwei Glasscheiben liegen. Wie bei einem Fernseher ordnen sich die Kristalle verschieden an, wenn Strom fließt. So fällt mehr oder weniger Licht hindurch.

Bis das Rollo 2.0 aber serienreif ist, bleibt nur das althergebrachte Verdunkeln. Am besten helfen außen angebrachte Rollläden, Jalousien oder Markisen gegen Hitze. Sie halten bis zu 90 Prozent der Sonneneinstrahlung und damit auch der Wärme ab. Darauf weist Christian Stolte, Experte für energieeffiziente Gebäude bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Berlin hin. Drei Typen von Markisen gibt es: die offene Markise, die Hülsen- oder Halbkassettenmarkise und die Vollkassettenmarkise, informiert der Großhändler Rosso. Die offene Markise ist das einfachste Modell. Sie bietet sich bei einem Balkon an, bei dem die Markise direkt unter dem Dachvorsprung angebracht wird. Bei der Hülsenmarkise können das Markisentuch und die Welle in ein halb rundes Schutzdach eingefahren werden. Bei der Vollkassettenmarkise werden sie rundherum vor Regen und Schmutz geschützt. Alle Arten können mit einer Nanobeschichtung ausgerüstet sein, die Regen abperlen lässt.

Ein Hightech-Vorhang weist die Wärme ab

Wer außen keinen Sonnenschutz anbringen kann, sollte zu schweren dunklen Vorhängen oder reflektierenden Rollos greifen, rät Christian Stolte von der dena. Sie halten immerhin noch bis zu einem Drittel der Sonnenstrahlung ab.

Besonders für Dachfenster werden Innenrollos mit Aluminiumbeschichtung für einen hohen Wärmeschutz angeboten. Aufklebbare Folien bieten ebenfalls einen sehr guten Schutz, hat die Stiftung Warentest ermittelt.

Bei Vorhängen gibt es eine Hightechvariante, die im Sommer fast kein Licht durchlässt und bis zu sieben Grad Temperaturunterschied zwischen Innen und Außen herstellt. Das verspricht zumindest der Hersteller Moondream. Dicht gewebt ist der Stoff der Vorhänge zusätzlich mit einer mikroskopisch dünnen Aluminiumschicht ausgerüstet. Sie soll Infrarotstrahlung (Wärme) zu 80 bis 90 Prozent reflektieren.

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