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Ein Berner Sennenhund passt in Bernaus Ortsteil Schönow auf das Haus seiner Herrchen auf. Da ist er oft der Einzige.

© imago

Kriminalität: Hier wache ich - und sonst leider keiner

Bernaus Ortsteil Schönow wird seit Wochen von Serieneinbrechern besucht. Die Polizei hat zu wenig Einsatzkräfte.

Sie kommen, schauen, klauen: Serieneinbrecher versetzen uns Hausbesitzer in Bernaus Ortsteil Schönow seit Wochen in Angst und Schrecken. Die Serie ist ohne Beispiel.

Allein in der Zeit vom 21. August bis zum 6. September gab es nach Polizeiangaben am nördlichen Stadtrand Berlins 34 Wohnungseinbrüche. Versuche sind in dieser Zahl nicht enthalten. Im Juli gab es bereits eine Serie mit 20 Einbrüchen. Da keine Täter ermittelt wurden, stellt die Polizei dies nicht in einen Zusammenhang. Im Frühjahr war bekannt geworden, dass die Polizei Statistiken zu Serieneinbrüchen sogar geschönt hat.

Meist sind die Abendstunden am Wochenende die beste Zeit für einen Fischzug durch Dutzende Doppelhaushälften und Einfamilienhäuser: Die dunkle Jahreszeit hat begonnen, Langfinger haben jetzt Hochsaison.

In dieser Woche nun fand eine Informationsveranstaltung der Barnimer Polizei in Schönow unter Beteiligung von Bernaus Bürgermeister André Stahl (Die Linke) statt. Fazit: Die zuständige Polizeidirektion hisst die weiße Fahne.

„Wir sind hier ja nicht im Fernsehen“, sagte Wolfgang Arlt, Leiter des Polizeiinspektion Barnim, am Dienstag in der Turnhalle des örtlichen Sportplatzes. Die Stimmung des ursprünglich als Präventionsveranstaltung der Polizei angelegten Treffens: erregt. Hunderte von Anliegern wollten wissen, was die Polizei denn nun zu tun gedenkt. Für sie hatte Arlt sich dies zurechtgelegt: „Hier im Barnim wird ermittlungstechnisch kaum noch eine Straftat aufgeklärt – es funktioniert nur auf frischer Tat.“ Auf frischer Tat ertappen?

Die Grundrisse der Häuser stehen im Netz

Sie kommen mit heißen Bohrern und brennen ein Loch durch die Plastikrahmen der Fenster. Dann ziehen sie mit einem Haken den Griff auf. Schubladen der Zimmer im Erdgeschoss werden umgestülpt, während die Eigentümer selig im ersten Stock schlafen.

Ein großer Teil der Siedlung wurde vom Hamburger Wohnungsunternehmen Semmelhaack errichtet. Die Grundrisse stehen im Netz. Zur besseren Orientierung. Nahe gelegene Waldwege und die an viele Grundstücke angrenzenden Wiesen machen die Flucht zum Spaziergang.

Bei unseren Nachbarn, ein Doppelhaus weiter, waren sie vor zwei Wochen erfolgreich, gleich gegenüber auch. Wir wurden wohl nicht wegen unserer nagelneuen Alarmanlage oder wegen der Überwachungskameras verschont, sondern weil wir zu Hause waren und Gäste hatten: Das Haus war hell erleuchtet, voller Leben.

Bei unseren direkten Nachbarn gleich nebenan wachten im Wohnzimmer die immerhin mehrere Dutzend Kilo schweren Berner Sennenhunde. Eingebrochen wurde hier nicht. Und vis-à-vis? In der einen Haushälfte wohnt ein Polizist, gleich nebenan wohnt ein Nachbar, der sein Geld in der Fremde verdient. Bei ihm wurde natürlich auch eingebrochen: Laptop weg, unter anderem.

Dass die Polizei an jenem Sonnabend nach der ersten Meldung eines Einbruchs mit einigen Polizisten vor Ort war, schreckte die Täter so wenig ab wie der Hund einer Polizeistaffel. Auch nicht der Hubschrauber, der an diesem Abend über Schönow seinen Suchscheinwerfer kreisen ließ – Beruhigungstaktik dies alles, aus Sicht von uns Anliegern.

"Wenden Sie sich an Ihre Landtagsabgeordneten."

„Es hat Täterkontakte gegeben“, sagte Arlt und entschuldigte sich gleich für die aus seiner Sicht für diesen Einsatz offenbar unzureichende Eignung der entsandten Kräfte: „Einige Kollegen wurden aus den Stabsbereichen, von den Schreibtischen rekrutiert. Das waren keine ausgebildeten Fahnder, sondern ganz normale Polizeivollzugsbeamte, die Dienst in der Fläche tun. Wenden Sie sich an Ihre Landtagsabgeordneten.“

Was will uns Herr Arlt damit sagen? „Mit 260 zu 482 Mann vor ein paar Jahren, soll ich das Gleiche leisten – ich hab’ das nicht beschlossen, was wir zu ertragen haben. Ich mache da keinen Hehl draus, dass mir das nicht gefällt.“ Wir verstehen: Personalkürzungen, aber der Leiter der Polizeiinspektion Barnim tut was er kann.

Sie sind offenbar zu wenige, viel zu wenige: „Wir haben keine Möglichkeiten andere Kräfte aus der Polizei Barnim zu rekrutieren, wir können uns nur selbst helfen.“ An diesem Wochenende wolle man „noch einmal Präventionsmaßnahmen fahren“. Aber dabei dürfte es dann bleiben. „Wir haben auch noch das Tagesgeschäft abzuwickeln.“ Wir Anwohner auch.

Einige Nachbarn haben ihre Urlaube abgesagt

Einige in unserer Straße haben jetzt eine Bürgerwehr gegründet und laufen mit Baseballschlägern durch die Straßenzüge. Ich laufe nicht mit. Außerdem habe ich gar keinen Baseballschläger. Ich möchte keine Einbrecher auf frischer Tat ertappen. Zumal: Eine Bürgerwehr wird nicht nur Dieben gefährlich. „Ich habe in knapp 40 Dienstjahren etliche Bürgerwehren überlebt“, plaudert Herr Arlt. Im Dunkeln könnten die Leute leicht selbst für die Einbrecher gehalten werden.

Was also rät Arlt? „Rufen Sie die Polizei an mit den Worten ,Gegenwärtiger Einbruch in meinem Haus’“  Machen wir, wenn wir zu Hause sind. Das Präventionsteam der Polizei nennt gegen Ende der Veranstaltung noch die Nummer eines Anrufbeantworters. In der „Internetwache“ dürfen wir um Termine mit dem Präventionsteam nachsuchen: 03338/ 361459. Der zuständige Beamte warnt vor überzogenen Erwartungen. „Unser Kalender ist recht voll.“ Unserer auch.

Aber wie soll es nun an den Wochenenden weitergehen? Einige Nachbarn haben ihre Urlaube abgesagt und bewachen ihr Haus. Andere können nicht mehr schlafen, Kinder haben Albträume. Einige wollen ihren Hund als Waffe einsetzen, andere Stolperdrähte unter Strom setzen. Die Nächsten fragen unter lautem Geklatsche, ob sie „mit Gegenständen auf die Täter einschlagen“ dürfen.

Das Schlusswort muss Herr Stahl haben, unser aller Bürgermeister: „Es ist sinnvoller, Eigentum entwendet zu bekommen als die Gesundheit.“ So wollen wir es sehen und freuen uns auf eine gewaltfreie Begegnung mit den unheimlichen Besuchern von Angesicht zu Angesicht.  Ob die bei Rettungsdiensten auch schon Personal einsparen?

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