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Nur wenn der Rückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Dauer des Zahlungsverzugs „weniger als einen Monat“ beträgt, sei dies noch keine erhebliche Verletzung der Zahlungspflicht, die zur ordentlichen Kündigung führen dürfte – so der BGH.

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Kündigungsregeln: Mit einer Monatsmiete in Verzug: Kündigung droht

Bundesgerichtshof setzt mit seinem Urteil die Maßstäbe neu. Mieter muss seine Wohnung in Berlin nach 40 Jahren räumen.

Wo die „Rote Linie“ für säumige Mieter liegt, das schien bisher sonnenklar: Wer in zwei aufeinanderfolgenden Monaten die Miete nicht überweist, kann im dritten Monat die fristlose Kündigung bekommen. Damit ist es nun vorbei: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe (BGH) hat jetzt klargestellt, dass Vermieter die Wohnung bereits kündigen können, wenn mehr als eine Monatsmiete auf dem Konto fehlt – allerdings per fristgerechter Kündigung; dabei müssen die gesetzlichen oder die vereinbarten Fristen beachtet werden.

„Das ist eine aus Sicht der Mieter negative Rechtsprechung“, sagt Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes in Berlin. „Das nutzt nur den Vermietern.“ Das weiß jetzt auch jener Berliner, dessen Fall bis zum Bundesgerichtshof durchexerziert wurde. Der Mieter muss nach 40 Jahren seine Wohnung räumen – so entschied es der Bundesgerichtshof vor wenigen Tagen (Aktenzeichen: VIII ZR 107/12).

Der Fall berührt auf seltsame Weise, weil er etwas von „Exempel statuieren“ an sich hat. Der Mieter war 1972 in die entsprechende Wohnung eingezogen, im Jahr 2003 wurde das Objekt an einen anderen Vermieter verkauft. Und der ließ 2008 das Mietshaus an die Fernwärmeversorgung anschließen – damit begann das ganze Drama. Die Kaltmiete von 252,81 Euro hatte das Jobcenter immer direkt an den Hausbesitzer überwiesen, 50 Euro für die Heizkosten gingen auf das Konto des Mieters. Aber ab März 2008 verlangte der Vermieter einen Heizkostenvorschuss von 70 Euro monatlich. Der Mieter zahlte zunächst nicht.

Für Mai und Juni 2009 überwies der Mieter 100 Euro und von da an jeden Monat 50 Euro – eben jenen Betrag, den er selbst vom Jobcenter fürs Heizen bekam. Der Vermieter ließ sich das nicht lange gefallen. Er kündigte mit Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2009 den Mietvertrag fristgerecht zum 31. Juli 2010 – diese Frist ergibt sich aus der langen Mietzeit. Als Begründung wurden die ausstehenden Heizkostenvorauszahlungen genannt. Diese Beträge klagte der Vermieter zugleich vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg ein, mit Erfolg. Es waren – ohne Verzinsung – 260 Euro an Rückständen aufgelaufen, gerade einmal 7,19 Euro mehr als die vereinbarte Monatsmiete. Das sollte später vor dem Bundesgerichtshof die entscheidende Rolle spielen.

Der säumige Mieter zahlte die Rückstände – wie er glaubte gerade noch rechtzeitig vor dem ausgesprochenen Kündigungstermin am 30. Juli 2010 – und blieb in der Wohnung. Der Vermieter kündigte am 12. November 2010 erneut fristgerecht, jetzt mit der Begründung, die Miete für den laufenden Monat November sei nicht wie vertraglich bestimmt am dritten Werktag auf dem Konto eingegangen. Das Amtsgericht und später das Landgericht Berlin gaben dem Vermieter recht. Der Fall landete schließlich in der Revision vor dem VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs – und endete mit einem juristischen Paukenschlag.

Die Lage sei jetzt „brandgefährlich vom ersten Tag an“

Dieser Zivilsenat, der mit seinen Entscheidungen das Wohnraummietrecht entscheidend ausgestaltet, stützte sich in seinem Urteil auf den bei Mietstreitigkeiten eher selten angeführten Paragrafen 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Üblicherweise beziehen sich Kündigungsklagen auf den Paragrafen 543 BGB, in dem die „Rote Linie“ mit den zwei nacheinander schuldig gebliebenen Monatsmieten definiert ist und der zu einer fristlosen Kündigung berechtigt.

Im Paragraf 573 BGB fanden die Bundesrichter die Gründe, die es einem Vermieter erlauben, das Mietverhältnis „ordentlich unter Beachtung der gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungsfrist“ aufzuheben. Sie gestalteten mit ihrem Urteil die Kündigungsregel jetzt so: Eine nicht unerhebliche Verletzung der Zahlungspflicht liegt dann vor, wenn der Zahlungsrückstand eine Monatsmiete übersteigt und der Zahlungsverzug länger als einen Monat währt. Auf den Fall des Mieters in Berlin angewandt hieß das zwar, die Kündigung vom 12. November 2010 war nicht rechtmäßig, weil der Zahlungsverzug bis zu diesem Tag weniger als einen Monat bestand. Aber: Die erste Wohnungskündigung vom 5. Oktober 2009 hatte für die BGH-Richter immer noch Bestand, der Zeitrahmen war erfüllt und der geschuldete Betrag überstieg eine Monatsmiete – eben um jene 7,19 Euro.

Der in Immobilienfragen versierte Rechtsanwalt Marcus Treiber aus Rangsdorf (Kreis Teltow-Fläming) rät allen, die „aus welchem Grund auch immer“ mit Miet- oder Nebenkostenzahlungen in Verzug kommen, sofort Kontakt mit dem Vermieter aufzunehmen, um die offenen Fragen zu klären. Gerade wenn Dritte wie ein Jobcenter für Miete oder Heizkosten aufkommen müssen, könne es immer zu Verzögerungen kommen. Die Lage sei jetzt, so wie der BGH das Mietrecht ausgedeutet habe, „brandgefährlich vom ersten Tag an“, warnt Treiber. Denn bei einer Wohnungskündigung nach diesem Paragrafen 573 BGB helfe es auch nicht „schnell noch die Außenstände zu begleichen, um die Kündigung abzuwehren“. Denn diese „Heilung durch Erfüllung“ genannte Möglichkeit gebe es nur bei fristlosen Kündigungen, nicht aber bei fristgerechten, sagt Treiber.

Dem BGH-Zivilsenat war die Tragweite seiner Entscheidung bewusst – die Richter sehen den Schwarzen Peter jedoch woanders. Bei der Mietrechtsreform von 2001 habe der Gesetzgeber keine anderweitige Regelung getroffen, „obwohl ihm die Problematik bekannt sein musste“, heißt es in der Entscheidung. Immerhin, meinten die Karlsruher Richter weiter, schützten die Kündigungsfristen die Mieter ausreichend vor spontaner Obdachlosigkeit.

Die Problematik für alle Mieter ist jetzt die: Hohe Hürden setzt das geltende Recht nur noch bei einer drohenden fristlosen Kündigung – dann müssen schon zwei Monatsmieten nacheinander nicht gezahlt worden sein. Und es gibt unter den Mietern auch Schwarze Schafe, „wahre Finanzjongleure“, die das perfekt ausnutzen können – das weiß man auch beim Deutschen Mieterbund. Aber jetzt habe der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung eine gefährliche Situation für alle Mieter geschaffen, beklagt Mieterbund-Direktor Siebenkotten gegenüber dem Tagesspiegel. Und deshalb: „Das muss der Gesetzgeber dringend nachbessern.“

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