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Modellprojekt. Das Haus hat 64 Wohnungen und acht Stockwerke.

© Visualisierung: degewo

Leuchtturmprojekt in Lankwitz: Altbau in Aschgrau wird Energiebündel in Weiß-Blau

Degewo trimmt Fünfziger-Jahre-Mehrfamilienhaus auf moderne Zeiten.

Der Berliner Ortsteil Lankwitz ist nicht gerade als Trendsetterquartier auf dem Wohnungsmarkt bekannt. Und Wohnhäuser aus den Nachkriegsjahren gelten auch nicht als besonders angesagt. Doch ausgerechnet ein unscheinbares Fünfziger-Jahre-Gebäude in der Havensteinstraße 20/22 in Lankwitz soll nun zum Schauplatz eines der spannendsten Berliner Immobilienprojekte werden: Das landeseigene Wohnungsunternehmen Degewo will das Wohnhaus zu dem nach Unternehmensangaben ersten Eigen-Energie-Haus im deutschen Wohnungsbestand umbauen. Das bedeutet, dass das Gebäude nach Abschluss der Modernisierungsarbeiten die benötigte Wärme und einen Großteil des erforderlichen Stroms selbst erzeugen wird.

Ungewöhnlich daran ist, dass diese hohe Energieeffizienz in einem bestehenden Mehrfamilienhaus angestrebt wird. Bei neu errichteten Ein- und Zweifamilienhäusern ist es mittlerweile nämlich keine Seltenheit mehr, dass sie mehr Energie erzeugen, als die Bewohner verbrauchen. Nicht nur das viel beachtete Effizienzhaus Plus der Bundesregierung in der Berliner Fasanenstraße verfolgt dieses Prinzip, sondern auch Plusenergiehäuser, wie sie mehrere Fertighaushersteller anbieten.

„Der Anspruch der weitgehenden Selbstversorgung ist heutzutage beim Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern verhältnismäßig leicht zu erfüllen", sagt Friedrich Sick, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. Für Geschosswohnungen im verdichteten urbanen Umfeld ist laut Sick das Ziel hingegen viel schwieriger zu erreichen, da im Verhältnis zur Wohnfläche weniger Dach- und Giebelfläche für Solarmodule zur Verfügung steht. Sick berät die Degewo beim Projekt; ein weiterer Partner ist die Projektmanagementgesellschaft Drees & Sommer.

„Im Zukunftshaus muss keine Wärme zugekauft werden“

Die Planer setzen auf Maßnahmen, die für sich genommen nicht spektakulär sind. „Neu und damit innovativ ist jedoch die Kombination der einzelnen Technologien innerhalb eines bestehenden Wohngebäudes“, sagt Degewo-Vorstand Frank Bielka. So kommen auf das Dach des sogenannten Zukunftshauses Hybridmodule, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen. Die Wärme wird in einem Erdreichspeicher zwischengelagert, und auch der überschüssige Strom aus den Fotovoltaikmodulen lässt sich in Redox-Flow-Batterien speichern. Belüftet werden die Wohnungen über eine zentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Außerdem wird das Haus mit einer 20 Zentimeter dicken Mineralwollschicht gedämmt und erhält die besten verfügbaren Dreifachverglasungen.

In der Summe wird der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser laut Sick von derzeit knapp 120 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr auf rund 18 Kilowattstunden sinken; das entspricht einer Reduktion um 86 Prozent. „Im Zukunftshaus muss keine Wärme mehr zugekauft werden“, sagt der Experte. Auch der Allgemeinstrom – also der Strom, der beispielsweise für die Treppenhausbeleuchtung benötigt wird – wird im Haus selbst erzeugt. Einzig der Großteil des Stroms, den die Mieter für Kühlschrank, Fernseher und Licht benötigen, wird weiterhin von Stromversorgern angeliefert.

Finanziell führt dieses Konzept zu einer deutlichen Senkung der warmen Betriebskosten. Jacqueline Brüschke, Leiterin Bestandsentwicklung bei der Degewo, rechnet damit, dass die Heiz- und Warmwasserkosten von derzeit 1,05 Euro pro Quadratmeter und Monat auf 0,30 Euro sinken werden. Im Gegenzug wird sich allerdings die Kaltmiete (derzeit 5,50 Euro pro Quadratmeter) verteuern. Um wie viel genau, steht noch nicht fest, da noch Gespräche mit Fördermittelgebern laufen. Vorstand Bielka erwartet, dass die Gesamtmiete um rund einen Euro pro Quadratmeter steigen wird. Dafür bekommen die Mieter nicht nur eine höhere Energieeffizienz, sondern auch neue Bäder, neue Elektroleitungen und attraktivere Grundrisse.

Degewo plant, ihre rund 1500 Wohnungen in Lankwitz zu sanieren

Die Degewo wendet laut Jacqueline Brüschke für die Modernisierung rund 1300 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche auf. Das ist deutlich mehr als bei einer Standardmodernisierung (610 Euro), aber erheblich weniger, als ein Neubau kosten würde (rund 1850 Euro). Auf die Rendite von fünf Prozent, die das Unternehmen in der Regel anstrebt, verzichtet es in diesem Fall: Ziel sei eine schwarze Null, sagt Vorstand Bielka. „Wir wollen mit diesem Projekt Verantwortung übernehmen und einen Beitrag leisten, um die Klimaziele von Bund und Land zu erreichen. Dafür nehmen wir den Mehraufwand gern in Kauf.“

Für die Mieter der 64 Zwei- und Dreizimmerwohnungen in der Havensteinstraße bedeutet das „Leuchtturmprojekt“ (Brüschke) indes einen Einschnitt: Sie müssen ihre Wohnungen während der Bauarbeiten verlassen. Ihnen werde vorrangig eine Wohnung in der Nähe angeboten, und auch die Umzugskosten würden übernommen, versichert die Degewo. Beginnen werden die etwa 15 Monate dauernden Umbauarbeiten 2016.

Modernisiert wird jedoch nicht nur dieses eine Haus: Die Degewo plant, ihre gut 1500 Wohnungen in Lankwitz insgesamt zu sanieren. Die Havensteinstraße 20/22 sei dabei ein „Trainingsobjekt“, sagt Vorstand Bielka: Einzelne Umbaumaßnahmen würden auch bei anderen Gebäuden übernommen. Das energetische Gesamtpaket aber wird nicht in Serie gehen: „Die richtige Kombination der Komponenten werden wir für jedes Gebäude neu planen müssen“, sagt HTW-Professor Sick.

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