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Immobilien: „Lichtenberg ist ganz stark im Kommen“ Investoren und Mieter lockt die Nähe zum Zentrum

Im Carré Parkaue entstehen 138 Mietwohnungen.

Ein paar Dinge gibt es, die auch ein erfolgreicher Immobilienunternehmer besser lassen sollte. Zum Richtfest des eigenen Bauvorhabens zu spät kommen zum Beispiel, gilt nicht gerade als vorbildlich. Genau das aber passierte Christoph Gröner, dem Chef der Leipziger CG Gruppe, als er kürzlich mit erheblicher Verspätung zum Richtfest für den zweiten Bauabschnitt seines Carrés Parkaue in Lichtenberg eintraf – was deshalb bemerkenswert ist, weil man Gröner ansonsten ganz gewiss nicht vorwerfen kann, zu spät dran zu sein.

Denn der Leipziger erwarb den ehemaligen Gewerbekomplex zwischen Normannen-, Möllendorff- und Rudolf- Reusch-Straße, als die meisten Berliner Immobilienunternehmen noch einen weiten Bogen um Lichtenberg machten. Zu DDR-Zeiten produzierte hier der VEB Fortschritt Herrenbekleidung, in einem 1907 errichteten Fabrikgebäude nur wenige Gehminuten vom S- und U-Bahnhof Frankfurter Allee entfernt.

Das Gewerbeareal entwickelt die CG-Gruppe jetzt zusammen mit dem Generalunternehmer Kondor Wessels zu einem Wohnort gehobener Qualität. Das zu DDR-Zeiten errichtete Verwaltungsgebäude wandelte sie in ein Apartmenthaus mit 65 kleineren Wohnungen um, während das historische Produktionsgebäude jetzt 96 großzügige Wohnungen mit bis zu 185 Quadratmetern Wohnfläche umfasst. Das vor kurzem gefeierte Richtfest galt sieben Neubauten mit zusammen 138 Wohnungen, die Anfang 2013 bezugsfertig sein werden.

Während andere Projektentwickler lieber Eigentumswohnungen errichten, sind die Lichtenberger Einheiten als Mietwohnungen konzipiert. Günstig aber sind sie nicht: Die kleinen Wohnungen im einstigen Verwaltungsgebäude sind für neun Euro pro Quadratmeter zu haben, während die Neubauten im Durchschnitt sogar zehn Euro pro Quadratmeter kosten. Zum Vergleich: Der Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin beziffert die durchschnittliche Angebotsmiete in Lichtenberg auf 5,97 Euro pro Quadratmeter. Trotzdem sind die Bauherren zuversichtlich, spätestens im Mai 2013 sämtliche Wohnungen vermietet zu haben.

Dieser Optimismus sei nicht unbegründet, urteilt André Adami, Wohnungsmarktexperte beim Beratungsunternehmen Bulwien Gesa. Schon vor drei Jahren stellte er fest, dass es Interessenten zunehmend schwerfiel, im als Szenekiez geltenden Friedrichshain eine Wohnung zu finden. Die naheliegende Vermutung: Die Wohnungssuchenden würden ihr Glück jenseits der Bezirksgrenze versuchen – zumal, so Adami, die Wohnungen im Carré Parkaue trotz allem noch günstiger seien als vergleichbare Einheiten in Friedrichshain. „Außerdem wird die Gegend hundert Meter hinter dem S-Bahnhof Frankfurter Allee nicht wirklich als Lichtenberg wahrgenommen“, fügt Adami hinzu.

Auch andere Anhaltspunkte sprechen dafür, dass Lichtenberg an Attraktivität gewonnen hat. Seit zehn Jahren registriert der Bezirk jedes Jahr (mit Ausnahme von 2004) mehr Zu- als Wegzüge. Die durchschnittliche Miete ist im vergangenen Jahr nach Erhebungen des Maklerunternehmens Jones Lang LaSalle um 5,4 Prozent gestiegen. Und der Wohnungsleerstand ist verschwindend gering: Bei der Wohnungsbaugenossenschaft Solidarität, deren Wohnungen hauptsächlich in der Nähe des Carrés Parkaue und in Friedrichsfelde liegen, sind ganze 0,2 Prozent der Wohnungen nicht vermietet. Auch die in Lichtenberg stark vertretene landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge meldet einen Leerstand von lediglich 1,2 Prozent. Lichtenberg brauche mehr Wohnungen, sagte denn auch die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich auf dem Richtfest von CG-Gruppe und Kondor Wessels. Allerdings sollen diese Wohnungen nach dem Willen der lokalen Politiker nicht ausschließlich im gehobenen Segment entstehen. Deshalb brachte der Bezirk im Mai ein „Bündnis für Wohnen“ auf den Weg, in dem er sich verpflichtet, die Voraussetzungen für reibungslosen Wohnungsneubau zu schaffen.

Doch wie passt das nicht unproblematische Image des Bezirks zu diesem Boom? Immerhin befindet sich der riesige Komplex der ehemaligen Zentrale der DDR-Staatssicherheit nur wenige hundert Meter von den edlen Wohnungen im Carré Parkaue entfernt. Bei der Untersuchung der Marktaussichten des Projekts sei die Stasizentrale negativ bewertet worden, räumt denn auch André Adami ein. Allerdings verbänden sich für junge Menschen keine Erinnerungen mehr damit.

„Die junge Generation kennt die Stasi nur aus den Geschichtsbüchern“, bestätigt der Makler Thomas du Chesne. Er vermarktet unter anderem die Kleinwohnungen im Q 216, einem Plattenbau an der Frankfurter Allee, der einst Büros beherbergte und in dem jetzt 430 Apartments entstehen (der Tagesspiegel berichtete). „Lichtenberg“, sagt du Chesne, „ist ganz stark im Kommen“ – auch weil man in zehn Minuten mit der U-Bahn am Alexanderplatz ist. Auch Menschen aus anderen Bezirken und anderen Städten, die vor einigen Jahren bei der Wohnungssuche noch gar nicht an Lichtenberg gedacht hätten, seien vom Bezirk regelrecht begeistert, sagt du Chesne.

Kein Wunder, dass neben der CG-Gruppe noch andere Projektentwickler Lichtenberg entdeckt haben. Bezirksbürgermeister Andreas Geisel erwartet, dass in diesem und im nächsten Jahr im Gesamtbezirk Lichtenberg jeweils fast tausend neue Wohnungen entstehen.

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