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Wohnen im Baudenkmal. 210 Wohnungen schaffen die Investoren Dirk Germandi und Detlef Maruhn in der Wiltbergstraße.

© Reinhart Bünger

Ludwig-Hoffmann-Quartier: Wie ein altes Krankenhaus gesundet

Nach der Sanierung werden im Ludwig-Hoffmann-Quartier in Buch in diesen Wochen die ersten Wohnungen bezogen.

Man reibt sich die Augen und glaubt es kaum. Da befindet man sich auf einem längst verlassenen Klinikareal in Berlin-Buch, schon fast an der Grenze zu Brandenburg, und steht plötzlich in einem gewaltigen Theatersaal: etwa 300 Quadratmeter groß, hohe Decke, Bühne mit Vorhang. Man müsste einmal die Putzkolonne durchschicken und die Reihen bestuhlen, und schon könnte die Vorstellung beginnen. Nur: Wer soll hier Theater spielen? Und woher sollen die Zuschauer kommen?

Das Veranstaltungshaus ist Teil des Ludwig-Hoffmann-Quartiers in der Wiltbergstraße, nur etwa 300 Meter vom S-Bahnhof Buch entfernt. Errichtet wurde das Quartier vor ziemlich genau hundert Jahren als IV. Städtische Irrenanstalt. Architekt war Ludwig Hoffmann, der bedeutende Berliner Stadtbaurat, der in Buch noch mehrere andere Krankenhauskomplexe errichtete. 29 größtenteils denkmalgeschützte Gebäude sind erhalten geblieben.

Viele Jahre stand das imposante Ensemble leer – doch jetzt sind die ersten Häuser saniert und werden wieder genutzt: Zu Beginn dieses Schuljahrs haben hier eine Montessori-Schule und eine Evangelische Grundschule den Unterricht aufgenommen, und in diesen Wochen wird auch der erste Bauabschnitt einer großen Wohnanlage fertig. 210 Wohnungen schaffen die Investoren Dirk Germandi und Detlef Maruhn – bekannt geworden durch die Wiederbelebung von Haus Cumberland am Kurfürstendamm – hinter den denkmalgeschützten Mauern.

Gesamtverantwortlicher für die Entwicklung des 28 Hektar großen Areals ist jedoch ein anderer Immobilienfachmann: Andreas Dahlke mit seiner Projektentwicklungsgesellschaft Situs GmbH. Er erwarb das ehemalige Krankenhausareal 2012 vom Liegenschaftsfonds Berlin und treibt nun dessen Entwicklung voran. Zwar gleichen die Straßen noch morastigen Pisten, und es braucht viel Fantasie, um sich das künftige Gesamtbild vorzustellen – aber Dahlke hat für fast jedes Gebäude ein klares Nutzungskonzept.

Das ehemalige Blutspendegebäude an der Wiltbergstraße zum Beispiel ist in seinen Augen perfekt geeignet als bezirkliches Bildungszentrum mit Bibliothek, Musikschule, Volkshochschule und einem gläsernen Labor. Etwa 5,5 Millionen Euro würde der Umbau kosten, über den Dahlke mit dem Bezirk Pankow verhandelt. Was könnte aus dem vom Architekten Franz Ehrlich entworfenen ehemaligen Klinikgebäude werden? „Hier führen wir Gespräche mit einer kleinen, geisteswissenschaftlich orientierten Privatuniversität.“ Der angrenzende Plattenbau ließe sich zum Studentenwohnheim umbauen; eine Sporthalle für Schulen und Vereine soll auch noch entstehen.

Bildung ist eine der beiden tragenden Säulen des Konzepts. Wohnen ist die zweite: Gut 500 Wohnungen in Bestandsgebäuden und Neubauten soll es eines Tages geben. Die Investoren Germandi und Maruhn realisieren nicht nur 210 Wohnungen mit einer Größe zwischen 45 und 130 Quadratmetern, die jetzt Schritt für Schritt fertig werden, sondern haben soeben zwei weitere Altbauten gekauft. Hier sollen noch einmal etwa 60 Wohnungen Platz finden. Ein anderer Investor, die Brenta Real, schafft in der sogenannten Landhausgruppe weitere 28 großzügige Einheiten. Dahlke selbst plant den Neubau von seniorengerechten Wohnungen und sucht einen Investor für das sogenannte Hexenhaus, in dem vier Wohnungen Platz haben. Hexenhaus? „Das heißt so, weil hier die Oberschwestern wohnten“, sagt Dahlke und lächelt.

Familien aus Pankow ziehen hierher

Dass das Wohnen im Baudenkmal seinen Reiz hat, zeigt die Musterwohnung im ersten Bauabschnitt des Investorenduos Germandi/Maruhn: hohe Decken, aufgearbeitete Holzfenster, neues Eichenparkett und eine Loggia mit historischem Terrazzoboden – von hier aus schweift der Blick über den großzügigen, begrünten Innenhof. Der wird mit seinen Brunnen und Sommerhäuschen ebenfalls denkmalgerecht wiederhergestellt. Und damit er nicht durch Autos verstellt wird, entstehen am Rande des Areals Parkflächen.

Die Wohnungen selbst erhalten mehrheitlich einen Balkon – sofern sie nicht ohnehin schon eine Loggia haben. Wer hier wohnen möchte, zahlt eine Miete von 7,60 und 8,50 Euro pro Quadratmeter – das ist sehr viel weniger, als für eine vergleichbare Wohnung in der Innenstadt verlangt würde, aber weitaus mehr als die 7,50 Euro, mit denen Germandi und Maruhn noch vor eineinhalb Jahren gerechnet hatten. Die Käufer der Wohnungen – meist Kapitalanleger, die von der Denkmalabschreibung profitieren wollen – bezahlten zwischen 1990 und 2790 Euro pro Quadratmeter.

Doch ist Buch nicht reichlich abgelegen? Dahlke kontert mit dem Argument, dass man mit der S-Bahn in 23 Minuten den Bahnhof Friedrichstraße erreicht. Zudem verweist er darauf, dass Buch ein prosperierender Medizin- und Wissenschaftsstandort mit rund 6000 Beschäftigten ist. „Viele Familien ziehen hierher, die vorher zum Beispiel in Pankow gewohnt haben“, berichtet er.

Dass es gelingen kann, den denkmalgeschützten Krankenhauskomplexen in Buch neues Leben einzuhauchen, haben bereits der Ludwigpark und ein Projekt mit dem Namen „Allées des Châteaux“ bewiesen. Allerdings gibt es noch immer verwaiste Denkmale, die auf ihre Wiederbelebung warten: 2012 schrieb der Liegenschaftsfonds Berlin das Waldhaus und einen Teil des Hufelandkrankenhauses aus. Laut Liegenschaftsfonds-Sprecherin Irina Dähne laufen derzeit Verhandlungen mit zwei Interessenten; mit Vertragsabschlüssen wird gegen Ende des Jahres gerechnet.

Der Umgang mit den denkmalgeschützten Ensembles in Buch ist mit Schwierigkeiten verbunden: Dahlkes Absicht, Laborflächen für die in Buch stark vertretenen Biotechnologiefirmen zu schaffen, ließ sich nicht verwirklichen; die denkmalgeschützten Gebäude waren dafür nicht geeignet. Auch eine Büronutzung wäre wegen der breiten Krankenhausflure nicht wirtschaftlich. Trotzdem ist Dahlke zuversichtlich, bis 2016 sämtliche denkmalgeschützten Gebäude saniert und bis 2017 auch die Neubauten fertig gestellt zu haben. Gut 200 Millionen Euro werden die Situs GmbH und die anderen Bauherren insgesamt investieren.

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