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Hier ist Jan Warsawas Haus noch im Bau. Inzwischen tüftelt der Student an einer Bauanleitung auf Video.

© Julian Stratenschulte/dpa

Marke Eigenbau: Hier sitzt jeder Nagel

Mit einem einfachen Haus will ein Student den Opfern des Erdbebens in Nepal helfen. Sie können den Prototyp selbst nachbauen. Für Flüchtlinge in Berlin wäre das Haus aber keine Lösung.

Es ist nur ein ganz einfaches Haus – aber erdbebensicher. Der Architekturstudent Jan Warsawa hat den Prototyp für die Erdbebenopfer in Nepal gebaut. Er besteht aus Lehm, Wellblech und Holz. Genau diese Materialien sind auch im Himalaya vorhanden. Kurz vor dem Erbeben im Frühjahr 2015 kehrte Warsawa aus Nepal zurück, wo er in einem sozialen Projekt gearbeitet hatte, und wollte helfen. „Jemand, der in einem Bergdorf lebt, kommt nicht an Baumaterial“, sagt Warsawa. So entstand die Idee von einem bescheidenen Haus, das Platz für eine fünfköpfige Familie bietet.

Den Prototyp durfte Jan Warsawa in seiner Heimatstadt Schöningen unweit von Helmstedt neben dem Paläon bauen. Das Erlebniszentrum beherbergt einzigartige Holzspeere aus der Steinzeit, die bei Grabungen vor dem Braunkohlebagger gerettet wurden.

Aus Lehmsteinen hat Warsawa einen achtseitigen Grundriss geschaffen. „Die Annäherung an einen Kreis ist am ehesten erdbebensicher, weil er nicht aus der Achse geschoben werden kann, sondern die Kräfte im Kreis wirken“, erklärt der Student. Das Dach aus Wellblech ist ganz leicht und freistehend. „Wenn es einknickt, kommt kein Mensch zu Tode. Und der einzige Raum ist schnell evakuierbar.“

Den Bau hat Jan Warsawa Schritt für Schritt dokumentiert und ist gerade dabei, das Material für Youtube zu einem Lehrfilm zusammenzuschneiden. Auch auf einem Stick oder einer DVD, die von Entwicklungshelfern unter die Leute gebracht werden sollen, könnte die Anleitung ihren Weg zu den Nepalesen finden, plant Warsawa.

Die Bewohner der Quinta Monroy bauten ihre Häuser selbst zu Ende

An ähnlichen Gebäuden möchte er auch nach dem Studium gern arbeiten. Vorbildlich findet Jan Warsawa die Quinta Monroy in Chile. Die Siedlung wurde für einkommensschwache Menschen gebaut, die schon lange illegal in der Stadt Iquique am Rande der Atacamawüste lebten. Mit dem kleinen Budget der Wohnbauförderung konnten nur Wohneinheiten von 36 Quadratmetern Größe gebaut werden. Die Häuser wurden trotzdem mit einer Fläche von 70 Quadratmetern geplant. Die Bewohner konnten sie später je nach Bedarf und ihren finanziellen Möglichkeiten weiterbauen.

Die Siedlung Quinta Monroy in Iquique (Chile) konnten die Bewohner selbst zu Ende bauen.
Die Siedlung Quinta Monroy in Iquique (Chile) konnten die Bewohner selbst zu Ende bauen.

© Elemental/Tadeuz Jalocha

Das Konzept stammt vom Architekturbüro Elemental, die vom international angesehenen Architekten Alejandro Aravena gegründet wurde. Er wird die Architektur-Biennale 2016 in Venedig kuratieren.

Ob so etwas wie die Quinta Monroy auch etwas für die vielen Geflüchteten in Deutschland wäre? Es läge ja nahe, dass sie ihren Wohnraum selbst erstellen und dabei idealerweise noch etwas lernen.

Kay Kornatzki, Geschäftsführer des Lehrbauhofs der Baugewerke-Innung Berlin findet das etwas blauäugig: „Es gibt ganz viele Rahmenbedingungen, die nicht so gesetzt sind, dass Ausbildung und Integration einfach gehen.“ Positiv sei aber, dass vor einiger Zeit die Altersgrenze von 25 Jahren gefallen sei. Es könnten sich also auch Ältere einen Ausbildungsplatz auf dem Bau suchen.

"Der zentrale Engpass für den Wohnungsneubau ist der Mangel an Bauland"

Dieser sollte es aber schon sein. Einem Flüchtling mal eben das Verputzen beizubringen, um ihn dann als Hilfsarbeiter auf den Bau zu schicken, findet Kay Kornatzki überhaupt nicht sinnvoll: „Ich glaube, dass es genügend Ungelernte gibt, die auf dem Bau arbeiten“, sagt er. Die Bauwirtschaft suche eher Qualifizierte. „Ungelernte verdienen auch weniger Geld, müssen dann aufstocken oder arbeiten schwarz. Das wollen wir nicht unterstützen.“

Für die aktuell Geflüchteten stehe ein Einsatz auf dem Bau sowieso nicht zur Debatte, weil ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichen, sagt Kornatzki. Allein schon aus Gründen des Arbeitsschutzes und weil die Baubranche heute hochtechnisiert sei, vom Verstehen des theoretischen Unterrichts in der Berufsschule ganz zu schweigen. Außerdem: „Ein Haus zu bauen ist nicht so einfach.“

Im Innenhof ihres Ministeriums stellte Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) den Bericht der Baukostensenkungskommission vor.
Im Innenhof ihres Ministeriums stellte Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) den Bericht der Baukostensenkungskommission vor.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

So eines, wie es Jan Warsawa gebaut hat, vielleicht doch. Er hat mit seinem kleinen Haus sogar die deutschen Baunormen erfüllt, indem er sich an die Schneider Bautabellen hielt, das Standardwerk für Ingenieure. Darin ist tatsächlich festgelegt, wie viele Nägel mit welchem Randabstand in einen Balken wie in Warsawas Haus gehören, damit es als sicher erachtet wird, berichtet der Student.

Die geschätzt 3300 Normen für den Baubereich sind aber auch ein Hindernis beim kostengünstigen Bauen. Das ist dem Abschlussbericht der Baukostensenkungskommission zu entnehmen, die Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) 2014 einberufen hatte. Oft werde bei Neubauten sogar ein Standard realisiert, der über den zu beachtenden Technischen Baubestimmungen liege. „Hier ist abzuwägen, ob man sich tatsächlich an den gebauten, aber nicht geforderten Standards orientieren muss“, schreibt die Kommission.

Aber: der „zentrale Engpass für den Wohnungsneubau ist der Mangel an Bauland“, sagte Hendricks im November bei der Vorstellung eines 10-Punkte-Plans für mehr Wohnungsbau. Ein einstöckiges Häuschen wie das von Jan Warsawa wäre bei den Bodenpreisen in Berlin reine Verschwendung.

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