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Beton kann glücklich machen. Sebastian Helmund im Wohnzimmer seiner Zwei-Zimmer-Plattenbauwohnung.

© dpa

Mein Block: Plattensammlung gesucht

Gute Lage, günstiger Mietpreis: Hochhausquartiere sind wieder geschätzt. Nicht zuletzt dank Förderprogrammen sind die Viertel attraktiver geworden.

Seit dem Winter 2012 ist Sebastian Helmund Plattenbau-Fan. Nach längerer Wohnungssuche in Leipzigs angesagten, schicken Gründerzeitvierteln sah er sich eine Wohnung der kommunalen Wohnungsgesellschaft LWB an. Platte, teilsaniert, im Stadtzentrum. „Ich habe mich oben ans Fenster gestellt, den herrlichen Ausblick genossen – und wollte keine andere Wohnung mehr“, sagt der 29 Jahre alte Gründer einer Designfirma. Seither wohnt er zufrieden und glücklich in der Zweiraumwohnung. Leerstand gebe es in seinem Block kaum.

„Plattenbau kam für mich eigentlich gar nicht infrage“, erzählt Helmund. Schließlich habe die Platte kein gutes Image. „Meine Freunde waren auch entsetzt. Willst du wirklich in einen Plattenbau ziehen?“, haben sie mich gefragt. Inzwischen seien sie schon ein bisschen neidisch. Helmund wohnt direkt an einer beliebten Kneipenmeile. Der Mietpreis sei supergünstig. Aber könnte er sich auch vorstellen, in ein typisches Plattenbauviertel zu ziehen, wie es sie am Rande fast jeder ostdeutschen Stadt gibt? Nein, sagt Helmund, nach Leipzig-Grünau oder Paunsdorf wolle er dann doch nicht.

In Grünau sitzt Quartiermanagerin Antje Kowski – und auch sie ist ganz zufrieden. Seit 2012 sei die Bevölkerungszahl in der Siedlung erstmals seit dem Mauerfall stabil geblieben. „Das ist ein gutes Zeichen“, sagt Kowski. Rund 41 000 Menschen wohnen derzeit in Grünau, 2009 waren es noch 45 000. Grünau wurde in den 70er und 80er Jahren als eines der größten Plattenbauviertel der DDR aus dem Boden gestampft. 1989 lebten dort 85 000 Menschen – eine eigene Stadt am Rande der Stadt.

Leerstand und Abriss waren lange die prägenden Themen in Grünau, genauso wie in Dresden-Prohlis, Halle-Silberhöhe oder Berlin-Marzahn. Hunderttausende Wohnungen wurden abgerissen. Der Bund investierte in das Programm Stadtumbau Ost mehr als 1,2 Milliarden Euro. Inzwischen scheint es, als stabilisiere sich die Lage in den Wohngebieten. „Der Leerstand ist signifikant nach unten gegangen, vorwiegend natürlich durch den Abriss. Die Wohnungen, die zu viel waren, wurden vom Markt genommen“, sagt Axel Viehweger, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG).

Von den rund 281 000 Wohnungen im Bestand der VSWG-Mitgliedsunternehmen seien 55,5 Prozent Plattenbauten. Die Leerstandsquote liegt bei 7,9 Prozent. Die Zeiten, als es 20 Prozent und mehr waren, seien vorbei. „Ich überlege nicht, ob man die Plattenbauten noch braucht oder nicht“, sagt Viehweger. „Für viele Bürger wird das auch zukünftig noch das angesagte Wohnen sein, weil es eben bezahlbar ist. Das sollte man nicht unterschätzen.“ Die Wohngebiete hätten sich gewandelt, vor allem dank Förderprogrammen wie dem Stadtumbau Ost.

Viehweger: „Man hat aufgelockert. Es gab zu DDR-Zeiten viel Verdichtung, das heißt, man hat mehr gebaut, als die Architekten das eigentlich vorgesehen hatten.“ Inzwischen seien die Viertel lichter und grüner geworden, es gebe Wäsche-, Spiel- und genügend Parkplätze und Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr sowieso. Für Leipzig-Grünau macht Stadtumbaumanager Sebastian Pfeiffer noch eine andere Rechnung auf. „Die große Frage ist, wie sich die Gesamtstadt weiterentwickelt“, sagt er. Wenn Leipzig wie in den letzten Jahren weiter wachse, habe das auch positive Effekte auf Grünau. Dann werde es insgesamt schwieriger, günstige Wohnungen zu finden – was die Aufmerksamkeit auf die vergleichsweise preiswerten Plattenbauviertel lenke.

Das Problem der Platte, da sind sich Quartiermanager, Bewohner und Vermieter einig, sei nach wie vor das Image. „Die ostdeutsche Platte wurde stigmatisiert als uniform und grau“, sagt Pfeiffer. Auch Viehweger meint: „Das Image der Platte wurde gezielt kaputt gemacht. Wenn ich Lobbyist wäre und diejenigen vertreten würde, die unsanierte Altbauten in der Innenstadt besitzen, dann würde ich auch sagen: ,Die Platten müssen alle weg’. Aber das ist Unsinn!“ Imagekampagnen würden allerdings nicht helfen, meint Pfeiffer. Die Stadtteile müssten sich auf ihre Stärken besinnen und: „Wir müssen es schaffen, junge Leute und Familien anzuziehen.“ (dpa)

Birgit Zimmermann

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