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Wolfgang Maennig ist als Professor der Universität Hamburg (Forschungsschwerpunkt: Stadt- und Immobilienökonomik) Mitglied der Baulandkommission des Innenministeriums. Er wohnt in Berlin.

© Paul Zinken/dpa

Mietendeckel: Spielräume nur mit Abstand

Mietendeckel: Gewinner, Verlierer und Nebenwirkungen. Ein Gastbeitrag.

Die Planungen des Berliner Senates, einen Mietendeckel einzuführen, scheinen in der Berliner Bevölkerung, die zu über achtzig Prozent aus Mietern besteht, eine ungewohnt breite Unterstützung zu finden, wenn man Befragungen glaubt: Für Mieter scheint es vorteilhaft, wenn die Mieten in den nächsten fünf Jahren nicht steigen dürfen.

Wohnungsanbieter halten dagegen, dass durch einen solch starken staatlichen Preiseingriff fundamentale Grundsätze unserer Gesellschaft verletzt würden. Sollten die geplanten Gesetze vor den Gerichten bestehen, wäre ein weiteres Rütteln am Privateigentum und an der marktwirtschaftlichen Ordnung zu erwarten – nicht nur bei Immobilien, sondern auch bei mobilem Kapital. Ein solcher Systemwechsel hätte erhebliche Folgen für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg der Republik. Sie betonen, dass potentielle Investoren von derartigen Eingriffen verunsichert würden und das Gesamtangebot an Wohnungen langfristig geringer ausfalle. Dies werde auf die Mieter in Form höherer Mieten zurückfallen, wenn der Mietendeckel irgendwann aufgehoben wird. Zudem verweisen sie darauf, dass Eigentümer künftig weniger Anreize für Instandhaltung und Instandsetzung haben werden, da sie ihre Wohnung auch im schlechten Zustand „loswerden“.

Die Einwände dürften mehrheitlich unter Ökonomen unstrittig sein. Zum letzten Punkt hat der schwedische Ökonom (und Sozialist!) Assar Lindbeck einmal formuliert, dass Mietkontrollen „die effizienteste derzeit bekannte Technik sind, eine Stadt zu zerstören – außer Bomben.“

Weniger beachtet blieben in der bisherigen Diskussion weitere Nebenwirkungen: Natürlich ist es für eine junge Ärztin beispielsweise angenehm, wenn sie die Wohnung am Kollwitzplatz zu den Konditionen des vorangegangen, 40 Jahre alten Altmietvertrages anmieten kann, nachdem die bisherigen Mieter ins Altersheim ziehen. Und natürlich freut sich eine Start-up Unternehmerin, wenn sie eine vergleichbare Wohnung im Bergmannkiez anmieten kann. Sie wird sich für eine Miete von 5 Euro pro Quadratmeter, die solche Altmietverträge oft aufweisen, sogar eine 160-qm-Wohnung leisten können. Bei einer „Marktmiete“ von z. B. 12 Euro hätte sie sich wohl mit einer 80-qm-Wohnung beschieden – soweit verfügbar.

Wolfgang Maennig wurde 1988 Olympiasieger im Ruder. Heute ist er Professor für Wirtschaftswissenschaften und Aufsichtsratsvorsitzender der Eckert & Ziegler Strahlen- und Medizintechnik AG.
Foto: Promo

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Die so aufgrund des Mietendeckels erhöhte nachgefragte Menge wird bereits kurzfristig die Wohnraumknappheit verschärfen, so wie dies die über den Mietspiegel niedrig gehaltenen (Bestands-) Mieten schon bislang taten. Die Berliner Wohnraumversorgung lag 1991 bei 33,8 Quadratmeter pro Kopf der Bevölkerung, 2018 lag sie bei 39,2 Quadratmeter pro Kopf. Dieser Wert gehört zu den internationalen Spitzenwerten für Metropolen, und der Begriff „Knappheit“ relativiert sich.

Mietendeckel verschärft den Kampf um Wohnraum

Die Knappheit ist mehr eine Verteilungsfrage: Eng wird es vor allem für Wohnungssuchende, und zwar auch deshalb, weil die relativ niedrigen Bestandsmieten bei den meisten Bestandsmietern zu einer relativ großzügigen Wohnraumversorgung beitragen.

Mit dem Mietendeckel steigt die „Überschussnachfrage“ – die nachgefragte Wohnraummenge derjenigen, die auf dem Berliner Mietmarkt für Bestandswohnungen nicht bedient werden. Weil sie hier nicht zum Zuge kommen, werden sie ihre Wohnbedürfnisse anderweitig befriedigen müssen: Für die weniger Betuchten könnte dies der Soziale Wohnungsbau sein, aber nur in dem Umfang, wie davon tatsächlich mehr gebaut wird. In den letzten Jahren ist die Zahl der Berliner Sozialwohnungen jedoch zurückgegangen, weil mehr Wohnungen aus der Bindung herausgefallen sind, als neue gebaut wurden (siehe dazu den Tagesspiegel vom 22. Juni 2019).

Für die Bessergestellten könnte es der frei finanzierte Neubau von Mietwohnungen sein. Damit ist neben der Gruppe der Bestandsmieter eine zweite Gruppe identifiziert, die vom Mietendeckel profitiert: Developer und Eigentümer, welche neue Mietwohnungen bauen. Sie können noch stärker steigende Mieten erwarten, weil der Mietendeckel nicht für Neubauten gelten soll. Allerdings war dieses Wohnungsbau-Segment bislang relativ klein, und angesichts der grundsätzlichen Verunsicherung, welche die geplanten Interventionen auslösen, bleibt es fraglich, wie groß dieses zusätzliche Wohnungsangebot ausfallen wird.

Alternativ können sich die Bessergestellten auf dem Markt für Eigentumswohnungen versuchen. Auch hier werden die Preise folglich steigen. Das zusätzliche Angebot könnte hier trotz Baulandknappheit und begrenzter Kapazitäten der Bau-Industrie zunehmen: Noch mehr Bestandshalter werden ihre Mietshäuser aufteilen und die von Altverträgen „befreiten“ Wohnungen verkaufen – sie sehen nicht ein, wieder für fünf Euro pro Quadratmeter vermieten zu sollen.

Umwandlungsverbot schafft keinen neuen Wohnraum

Eine erhöhte Eigentumsquote in Berlin könnte durchaus Vorteile haben. Internationale Untersuchungen zeigen, dass eigengenutzte Immobilien besser instandgehalten werden. Eigennutzer bauen mehr Sozialkapital auf; sie engagieren sich mit größerer Wahrscheinlichkeit für öffentliche, soziale und politische Belange. Ihre Kinder erlangen mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Schulabschluss – wohlgemerkt unter Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren und eines möglichen statistischen „selection bias“ aufgrund unterschiedlicher sozio- demografischer Eigenschaften von Mietern und Eigentümern. Die Lese- und Rechenleistung der Kinder von Eigennutzern liegt um bis zu neun Prozent höher.

Dennoch versucht die Berliner Politik, solche Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen zu verhindern. Einen spürbaren Versagungsspielraum haben die Ämter allerdings nur in den Milieuschutz- und Sanierungsgebieten, weshalb ein politischer Impuls absehbar ist, mehr Berliner Kieze als Milieuschutzgebiet auszuweisen. Allerdings dürfte dies rechtliche Grenzen haben: Spätestens wenn weite Teile Berlins Milieuschutzgebiet sind, hat sich das Konzept ad absurdum geführt.

Die Umwandlung in Eigentumswohnungen schafft keinen neuen Wohnraum. Die Wohnraumknappheit wird gar erhöht: Durchschnittlich ist die Wohnraumfläche pro Kopf in Eigentumswohnungen höher als in Mietwohnungen, was natürlich auch Ausdruck beispielsweise höherer durchschnittlicher Einkommen/Vermögen und unterschiedlicher Familiensituationen der Eigennutzer ist. Dies geht vor allem zulasten derjenigen, für die der Soziale Wohnungsbau nicht infrage kommt – und die aber auch nicht kaufen können oder wollen: also die große Masse der Berliner.

Wohin nun mit dieser Überschussnachfrage? Es bleibt das Umland, in welche die mobilen Zahlungskräftigeren ziehen werden, sei es als Mieter oder Eigentümer. Die Migration ins Umland wird dort die Grundstückspreise und Mieten erhöhen. Dies hat bereits begonnen, in den Altersgruppen über 30 verliert Berlin jetzt schon an das Umland. Das freut die dortigen Eigentümer und Entwickler, aber die dortigen Mieter werden anders denken.

Die Mieten in Bernau, Erkner und Fürstenwalde könnten bald höher sein als in Berlin-Mitte. Das gibt es schon jetzt teilweise, aber diese – allen jahrhundertealten raumwirtschaftlichen Erkenntnissen widersprechende – Mietstruktur könnte zur „Standard“-Situation werden. Die soziale Wohltat für Berliner Bestandsmieter geht zulasten der Mieter im Berliner Umland!

Aus der angesprochenen Tendenz, dass die Schwächeren über einen ausgeweiteten Berliner Sozialen Wohnungsbau versorgt werden (sollen), und die mobilere Mittelschicht ins Umland geht, folgen übrigens Wachstums- und Steuerimplikationen: Sozialprodukt, durchschnittliches Einkommen und Steuereinnahmen in Berlin werden vergleichsweise geringer ausfallen. Dafür gibt es im Umland entsprechende Steigerungen.

Dieses Beispiel zeigt, dass über die Kausalitätsrichtung von Löhnen und Mieten neu nachgedacht werden sollte. Bisher wird argumentiert, dass aufgrund der relativ geringen Berliner Löhne die Berliner Mieten gering sein sollten. Umgekehrt dürfte die Kausalität auch wirken: die geringen Berliner Mieten können zur Wachstumsbegrenzung werden, weil die mobile Mittelschicht ins Umland gedrängt wird. Ein zweiter Mechanismus ist denkbar: Solange die Bestandsmieten so gering sind, besteht für einige Menschen in Berlin weniger Anreiz, sich höher bezahlte, unter Umständen anstrengendere Tätigkeiten zu suchen oder den angebotenen Arbeitsumfang auszudehnen. Und die Öffentliche Hand hat aufgrund der geringen Mieten keinen Druck, die Gehälter von Krankenschwestern, Erziehern und Polizisten angemessen zu erhöhen.

Eine weitere unangenehme Nebenwirkung wird sich bald zeigen: Immer wenn Verbote freie Märkte beschränken, bilden sich Schattenmärkte. Einige Berliner erinnern sich gewiss noch an frühere Zeiten auf dem Berliner Wohnungsmarkt. In den siebziger und achtziger Jahren verlangten viele Vormieter horrenden „Abstand“ für nutzloses Interieur, einige Makler und Verwalter forderten Schwarzgeld.

Wolfgang Maennig

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