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Mikrowohnen auf 27 Quadratmetern. Bett und Tisch werden herausgeklappt. Entwurf „Forinone“ der Multiplan Bauplanungs GmbH.

© minimum/Friedemann Thomas

Mikroapartments: Suche nach Bewegungsspielräumen

Steigen in den Großstädten die Preise, schrumpfen Projektentwickler und Architekten die Grundrisse.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist in der Mitte der Berliner Gesellschaft angekommen. Folgt man einer aktuellen Studie des Prognos-Instituts, kann sich ein Berliner Haushalt mit einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1824 Euro pro Monat gerade noch einmal bis zu 56 Quadratmeter Wohnfläche leisten. Vorausgesetzt, der Haushaltsvorstand gibt um die dreißig Prozent seines Einkommens für das Wohnen aus und nicht bis zu fünfzig oder gar noch mehr.

Weil mit den Baulandpreisen und im Zuge der gesetzlichen Anforderungen an Neubauten Preise und Mieten weiter steigen und in den Ballungsräumen immer weniger Platz ist, arbeiten Architekten und Projektentwickler an kleineren Wohnungszuschnitten.

„Auch besser verdienenden Menschen geht es heute darum, auf vielleicht etwas weniger Raum extrem gut leben zu können“, hat Makler Björn Dahler beobachtet. Das Hamburger Unternehmen hat sich auf dieses Klientel spezialisiert. „Die Wohnungen werden stärker ausgerüstet als früher“, sagt Dahler: „Man denkt ein wenig wie ein Hotelentwickler.“ Aus der kleinen Neubauwohnung wird im Idealfall ein „Hometel“, wie Thomas Behrens von der Wohnkultur Joh.

Nagel GmbH am Hausvogteiplatz bestätigt. Und so feiert der Einbauschrank der siebziger Jahre ein Comeback. Vor allem im hochpreisigen Segment gehen die Geschäfte nicht mehr so schnell über die Bühne. „Früher hat man nackte Wände übergeben“, erinnert sich Dahler, „selbst bei Wohnungen, die 10 000 Euro den Quadratmeter kosten.“ Heute muss mehr geliefert werden.

"Eine gut organisierte Zweizimmerwohnung kann ab 38 Quadratmeter funktionieren"

Daran arbeiten die Entwickler und Betreiber von Mikroapartments mit ihren Architekten: Die Mikroapartments werden räumlich erweitert, damit sie nicht allein an Singles vermietet werden können, die mal in dieser, mal in jener Stadt arbeiten. „Unser bestehendes Konzept vom Boutique Hostel und Mikroapartments erweitern wir in Zukunft um Mikroapartments mit mehreren Schlafzimmern, zum Beispiel um dort auch mit Kindern bequem unterkommen zu können“, verrät Selina Zehden, Sprecherin der rent24 GmbH in Berlin.

Das im November 2015 gegründete Start-up bietet neben temporären Arbeitsplätzen (Coworking Space) auch Übernachtungsmöglichkeiten (Co-Living). Robert Bukvic, Gründer und Geschäftsführer der rent24 GmbH betont – ganz im Sinne des Hamburger Maklers Dahler: „Im Vordergrund stehen vor allem eine effiziente Nutzung der verfügbaren Flächen sowie dabei ein inspirierendes und ansprechendes Design.“

Mit kleinen Zuschnitten setzen sich auch Projektentwickler wie die CG-Gruppe auseinander. Günstiger Wohnraum und flächenoptimierter Wohnraum ist hier ein unzertrennliches Begriffspaar. „Das heißt, eine gut organisierte Zweizimmerwohnung kann schon ab 38 Quadratmeter funktionieren, wenn sie denn mit einer Möbeltrennwand zwischen Schlafzimmer und Wohnzimmer, einer gut geplanten Einbauküche, integrierter Garderobe und Einbauschrank im Schlafzimmer ausgestattet wird“, sagte Geschäftsführer Christoph Gröner der Immobilien Zeitung. „Wohnungen müssen kleiner werden, sonst bauen wir an der Nachfrage vorbei“, sagt mit Blick auf die wachsende Zahl der Haushalte auch Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment, beim Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang LaSalle.

Günstiger Wohnraum ist nicht allein in Berlin Mangelware

Ein gutes Dutzend Architekturbüros hatten es vor gut einem Jahr sogar noch eine Nummer kleiner als 38 Quadratmeter. Sie zeigten in einer Ausstellung im „stilwerk“ unter dem Titel „minimum“ Entwürfe für Mikrowohnen auf 27 Quadratmetern. Dabei gingen die 14 Architekten davon aus, dass Mobilität, Flexibilität und Digitalisierung den Städter des 21. Jahrhunderts prägen. Das Arbeiten im Coworking Space, der Feierabend mit Kollegen im Waschcafé oder das Abendessen mit Freunden im mietbaren Kochhaus seien typische Stationen, die neue Lebensstile in der Stadtlandschaft hervorbringen, hieß es über die in Modellen visualisierten Ideen zum Wohnen auf minimaler Fläche im Maßstab 1:20.

Günstiger Wohnraum ist nicht allein in Berlin und anderen deutschen Großstädten Mangelware. Auch in Wien fehlen – im Miet- wie im Eigentumssegment – Wohnungen, die für die Menschen auch tatsächlich leistbar sind. Aufgrund veränderter Lebensumstände sind dies vor allem kleine Wohnungen. In Wien werden preisgünstige Wohnungen vor allem von Genossenschaften geschaffen – mithilfe von Steuergeldern. Die Immobilienrendite AG ist nun nach eigenen Angaben das erste Unternehmen, „das leistbaren Wohnraum in Wien ohne einen einzigen Steuer-Cent realisiert: bei einem wegweisenden Projekt im 23. Bezirk“.

Auch hier ist die Raumplanung das A und O, wie der Wiener Makler Victor Vassilev vom Bauträger- und Imobilienmaklerunternehmen Boubeva Immobilien GmbH (Wien) mit Blick auf platzsparende Schiebetüren erklärt. Fast jede der 90 geplanten Wohnungen verfüge über zwei Zimmer (Schlafraum und Wohnküche). Die Wohnungsgrößen liegen zwischen 33 und 41 Quadratmetern. Die teuersten Wohnungen sollen zirka 99 000 Euro kosten, was für ein Erstbezug in Wien sehr günstig sei, sagt Vassilev: „Um den Platz in der gesamten Wohnung so groß wie möglich wirken zu lassen, haben wir uns für größere und teurere Fenster entschieden und zur Raumhöhe weitere fünf Zentimeter dazugegeben.“ Nach seiner Erfahrung seien dies die wichtigsten zwei Faktoren, um eine kleine Wohnung komfortabel zu machen:  Licht und Höhe.

Wohnen auf minimaler Fläche zu entwickeln ist ein Trend, der in allen Metropolenräumen vor dem Hintergrund wachsender Bevölkerungszahlen und -dichte an Relevanz gewinnt. Und das gewiss nicht nur im Neubau.

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