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Wer eine neue Stelle antritt, verzichtet gerne auf die Wohnungssuche.

© imago/Westend61

Mitarbeiterwohnungen: Wie Unternehmen neue Mitarbeiter mit Wohnungsangeboten umwerben

In Großstädten wie Berlin reicht ein Firmenwagen im Wettbewerb um die gefragten Fachkräfte nicht mehr aus.

Fachkräftemangel und hohe Fluktuationsraten machen Unternehmen erfinderisch: Wie lassen sich emotionale Mitarbeiterzufriedenheit und Loyalität herstellen, wie können neue Kräfte vom ersten Tag an Leistung bringen? „Aktives Commitment“ – also Engagement für das Unternehmen – lässt sich befördern, wenn zum Beispiel bei der Wohnungssuche geholfen wird. Und darauf spezialisieren sich immer mehr Unternehmen.

„Damit sich der Mitarbeiter vom ersten Tag an wohl fühlt und auf seinen Job konzentrieren kann, übernehmen wir die Verantwortung für die Wohn- und Lebenssituation“, sagt zum Beispiel Lisa Mellinghoff, Mitbegründerin der Suiteandco GmbH. Das Unternehmen gestaltet den Lebensraum der neuen Führungskraft von der Immobiliensuche über das Umzugs-Management bis hin zur detaillierten Inneneinrichtung. „Arbeitnehmer, die sich mit ihrem Unternehmen identifizieren und das Gefühl haben, nicht nur als Arbeitskraft, sondern als gesamter Mensch wahrgenommen und geschätzt zu werden, haben eine innere antreibende Arbeitshaltung“, glaubt Mellinghoff. In Berlin bietet dieses Geschäftsmodell auch Darrell Smith an. Er ist Gründer und Direktor des Immobilienbüros BuyBerlin Investments.

Ein Firmenwagen reicht nicht aus

Das Thema betrieblich vermittelter oder gestellter Wohnungen für die eigenen Mitarbeiter erlebt eine Renaissance – allerdings nicht als flächenhaftes Phänomen, sondern vor allem als ein Lösungsmodell in Regionen mit deutlich angespannten Wohnungsmärkten. In Großstädten wie zum Beispiel Berlin reicht ein Firmenwagen im Wettbewerb um die gefragten Fach- und Führungskräfte („War of talents“) nicht mehr aus.

Die RegioKontext GmbH, ein privates Forschungs- und Beratungsinstitut mit Sitz in Berlin, hat dazu bereits im Jahr 2016 eine Untersuchung vorgelegt. „Ergänzende Leistungen gewinnen zunehmend an Bedeutung bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber“, heißt es da. Dass Großunternehmen und Industrie wieder massiv in den Neubau betriebseigener Wohnungen einsteigen, sei zwar nicht zu erwarten, schreiben die Autoren der Studie um Arnt von Bodelschwingh. Aber: Dort, wo es besonders benötigt wird, nämlich vor allem in Ballungsräumen und unter angespannten Wohnungsmarktbedingungen, kann das Mitarbeiterwohnen zu vertretbaren Mieten realisiert werden – insbesondere dann, wenn unternehmensseitig eigener Baugrund eingebracht werden kann.

„Die modellhafte Kalkulation von Mitarbeiterwohnungen führt unter verschiedenen kalkulatorischen Prämissen zu beispielhaften Nettokaltmieten von 8,79 bis 12,72 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche – ohne dass eine Vergünstigung einfließt, die eine Behandlung als geldwerten Vorteil bedeuten würde“, heißt es in der Handreichung.

Mehr Netto vom Brutto

Die Wohnungswirtschaft macht sich für steuerliche Entlastungen stark, um das Mitarbeiterwohnen auf den niedrigen Gehaltsrängen zu fördern. „Um das Modell des Mitarbeiterwohnens, das auch für den Gesamt-Wohnungsmarkt wichtige Entlastungseffekte bewirkt, zu unterstützen, könnte zudem an die Einführung eines speziellen steuerlichen Freibetrages gedacht werden – zum Beispiel 100 bis 150 Euro im Monat“, sagt auf Anfrage Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.

Aktuell entsteht für Arbeitnehmer im Fall einer verbilligten Überlassung einer Wohnung durch deren Arbeitgeber ein geldwerter Vorteil, der lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig ist.

Gerade für kommunale Unternehmen sei Mitarbeiterwohnen eine interessante Lösung, meint der GdW, denn als öffentlicher Arbeitgeber seien sie an Tarifverträge gebunden und könnten nicht einfach höhere Löhne zahlen. Im Vergleich zum freien Markt seien die Mieten der Personalwohnungen sehr attraktiv. „Dank der günstigen Wohnungen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit am Ende des Monats mehr Netto vom Brutto übrig“, wirbt Gedaschko für eine Renaissance der Werkswohnung.

Auch die Hotellerie kämpft mit dem Problem

Die Stadtwerke München (SWM) bieten ihren Mitarbeitern seit jeher Werkswohnungen an. Aktuell stellen sie ihren Mitarbeitern rund 600 Wohnungen zur Verfügung. Das Programm wird ausgebaut, sagt auf Anfrage SWM-Pressesprecherin Bettina Hess: „Mit den weiteren noch geplanten bzw. bereits in Realisierung befindlichen neuen Wohnungen erhöht sich die Anzahl bis 2022 auf rund 1100 SWM-eigene Werkswohnungen in München. Mit ihrem Wohnungs-Engagement erhöhen die SWM nicht nur ihre Attraktivität als Arbeitgeber, sondern tragen auch zur Entlastung des Münchner Mietwohnungsmarktes bei.“

Bezahlbarer Wohnraum ist auch im Umland der Großstädte ein knappes und sehr begehrtes Gut. So „kämpft“ allerorten auch die Hotellerie mit dem Thema Wohnung für Mitarbeiter .

„Wir müssen unsere Unterstützung leisten“, sagt Kirsten Kohnke, General Manager Hotels Hotel Victory Therme Erding GmbH, die im Münchner Umland beheimatet ist: „ Es ist schon schwer genug, Mitarbeiter für die Hotelbranche zu begeistern. Wenn sie sich dann für die Hotelkarriere entschieden haben, scheitert es an der Wohnung – falls Wohnraum überhaupt da ist. Oft scheitert es dann an der Selbstauskunft mit Gastronomie-Hintergrund und einen Gehaltszettel der einem eines Bankers natürlich nicht Stand hält.“ Das Unternehmen verzichte, so Kohnke, „auf kontinuierlich 27 Einzelzimmer und stelle diese bis zur Findung einer Wohnung gegen eine dem Mietspiegel angepasstes Entgelt den Auszubildenen und neuen Mitarbeiter bereit“.

Wohnen auf Zeit ist eine wachsende Nische

In der Hansestadt Bremen ist die Wohnungslage zwar zum Glück noch nicht so kritisch wie in Berlin oder München. Doch auch hier gibt es Angebote für neue Mitarbeiter: „Kommen neue Mitarbeiter von außerhalb und sind längere Zeit an unserem Firmensitz tätig, stellen wir ihnen bei Bedarf dennoch eine Wohnung zur Verfügung“, sagt Peter Ganten, CEO des Open Source Anbieters Univention, der Software für Betrieb und Verwaltung von IT-Infrastruktur entwickelt. Dieses Angebot sei insbesondere während der Einarbeitungszeit sinnvoll, sodass neue Mitarbeiter ihre wertvolle Freizeit nicht mit der Wohnungssuche verbringen müssen. „In der Vergangenheit waren dies durchschnittlich zwei Monate“, hat Ganten beobachtet.

Wenn es um das Wohnen auf Zeit geht, kommen die Anbieter möblierter Wohnungen ins Spiel, die vor allem in den Großstädten eine wachsende Nische bevölkern. „Wir erhalten praktisch wöchentlich Anfragen von internationalen Mietern, aber auch von kleineren Firmen und Start-ups, die für ihre Mitarbeiter Wohnraum auf Zeit mit unserer Hilfe anmieten wollen“, sagt Achim Amann, Mitgeschäftsführer von Black Label Immobilien, zum Thema Boardinghouse.

Praktisch sei man in Berlin bis zum Sommer 2018 ausgebucht. „Es geht meistens um Mitarbeiter aus der ganzen Welt, die hier ein befristetes Projekt betreuen sollen, in der Regel drei bis 12 Monate, oder die langfristig nach Berlin umziehen und sich später eine Wohnung suchen werden. Die Vermietung von möblierten Wohnungen an Firmen bzw. deren Mitarbeiter ist ein stark wachsendes Segment im Immobilienmarkt von Berlin“, sagt Amann. Es gehe meistens um Wohnungen zwischen 1000 und 2500 Euro warm im Monat. Amann sagt, dass das Instrument der „Mietpreisbremse“ bei Vermietern zu Ausweichmanövern geführt hat: „Die strengen Vorgaben bei der Mietpreisbremse in Berlin motivieren mehr Eigentümer nur noch möbliert zu vermieten.“

Mitarbeiterwohnung: ein Beispiel aus Wien

Gelegentlich hilft auch der Blick über die Grenzen, wenn es darum geht, Märkte – zum Beispiel durch Mitarbeiterwohnungen – zu entlasten. Immobilienmakler Victor Vassilev – geboren in Bulgarien, als Kind von Expats aufgewachsen in Istanbul, derzeit wohnhaft in Wien – sagt, von 2014 bis vor Kurzem habe er selber in einer Wohnung gewohnt, die seinem Arbeitgeber gehört habe.

Die dafür anfallenden sehr niedrigen Kosten habe er sich vom Honorar abziehen lassen und sei damit zufrieden gewesen. Inzwischen sei er umgezogen, in eine vom Arbeitgeber angemietete Wohnung. „Mit geschickter Rechnerei haben wir es geschafft, dass mein Arbeitgeber dieselben Jahresausgaben hat, die Vermieter dieselbe Miete erhalten und ich über 250 Euro pro Monat netto mehr verfüge als wenn ich selber diese Wohnung gemietet hätte“, erzählt Vassilev.

„Das ist in Österreich möglich und könnte, wenn es sich weiter verbreitet eine kleine Lösung für die steigenden Immobilienpreise sein.“ Die Miete wird als „Sonderbezug“ vom Lohn abgezogen.

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