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Quadratisch, praktisch, aus Beton: In einer ersten Ausschreibung hatte der Senat einen konkreten Entwurf zum Bau ausgeschrieben.

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Modulare Flüchtlingsunterkünfte: "Mit Bausünden kann Integration nicht gelingen"

Die Architektenkammer kritisiert die Ausschreibungen der Berliner Wohnungsbaugesellschaften. Planungs- und Bauleistungen werden darin nicht getrennt. Das weicht von der Praxis ab.

Mit einem „administrativen Notstand“ begründete der Senat kürzlich, dass er ohne öffentliche Ausschreibung einen Auftrag für das neue Ankommenszentrum am Flughafen Tempelhof vergab. Auch bei den sogenannten modularen Flüchtlingsunterkünften, die bald überall im Stadtgebiet entstehen, wurde von einer üblichen Verwaltungspraxis abgewichen. Bau- und Planungsleistungen haben die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften sowie die ebenfalls landeseigene Berlinovo in einem Rutsch ausgeschrieben. Das kritisiert die Architektenkammer Berlin.

„Mit gutem Grund galt bislang im Land Berlin die Trennung von Planung und Ausführung als Garant für Qualität und Wirtschaftlichkeit“, schreibt die Architektenkammer in einer Pressemitteilung. Deren Präsidentin, Christine Edmaier, präzisiert auf Nachfrage: „Die Rechnungshöfe sind viel damit befasst und haben immer wieder herausgestellt, dass ein Bau günstiger wird, wenn Firmen klare Ausschreibungen haben. Wenn Firmen keine genaue Planung haben, wird es schwer, die Qualität zu bestimmen.“ In der Anweisung Bau des Landes Berlin sei außerdem festgelegt, dass der Senat Planungs- und Bauleistungen getrennt ausschreiben muss.

Rechtlich sind die ausschreibenden Gesellschaften mit ihrem Vorgehen jedoch auf der sicheren Seite, sagt Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: „Als selbstständige Gesellschaften handeln die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die Berlinovo autark. Die Anweisung Bau gilt für sie nicht.“

"Die Nachnutzung als Wohngebäude ist in der Ausschreibung ausdrücklich festgelegt"

In einer gemeinsamen Antwort auf die Kritik begründen die Wohnungsbaugesellschaften ihr Vorgehen grundsätzlich mit dem Zeitdruck, der auf ihnen lastet: „Viele geflüchtete Menschen leben immer noch in Notunterkünften, weit über 10.000 in Turnhallen, die eigentlich nicht für die Unterbringung von Menschen geeignet sind und die dringend wieder ihrer ursprünglichen Nutzung zugeführt werden müssen. Die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen stehen in der Verpflichtung, das Land Berlin bei der Bewältigung dieser Herausforderung zu unterstützen.“

Die Wohnungsgesellschaften sind der Auffassung, dass ihre Vergabeform die Kriterien einer guten Planung mit den die Kriterien einer kostengünstigen Bauweise verbindet. „Eine gemeinsame Beauftragung von Bau- und Planungsleistungen muss nicht zu höheren Kosten und schlechterer Qualität führen. Auch ist umgekehrt die Ausschreibung von separaten Planungsleistungen kein Garant für niedrige Kosten und hohe Qualität.“

Die Architektenkammer befürchtet aber auch, dass bei den jetzigen Ausschreibungen zu wenig auf Nachhaltigkeit, städtebauliche Einfügung, Eignung der Grundrisse und Materialien sowie die spätere Umnutzung geachtet wird. „Mit Hilfe neuer Bausünden wird die Integration neuer Mitbürger kaum gelingen!“, warnt die Architektenkammer.

„Die Nachnutzung als Wohngebäude ist in der Ausschreibung ausdrücklich festgelegt“, entgegnet dazu Sabine Pentrop, Sprecherin der Howoge. „Die entsprechende Produktqualität ist ein wesentliches Kriterium für die Auftragserteilung. Die städtebauliche Einfügung in die Umgebungsbebauung, marktgängige Grundrisse sowie eine gute Energieeffizienz werden schon allein im Hinblick auf die spätere Vermietung des Wohnraums nachdrücklich beachtet“, sagt Pentrop. Bei der stark durch industrielle Vorfertigung getriebenen Verfahrensweise bei modularen Bauten sei es außerdem von großem Vorteil, wenn Planen und Bauen in einer Hand lägen.

Die Alternative wäre eine Holzmodulweise

Kritik hatte es auch daran gegeben, dass der Senat bei der ersten, eigenen Ausschreibung im Oktober 2015 nur Beton als Baustoff für die modularen Flüchtlingsunterkünfte zuließ. Das sieht Christine Edmaier als weniger problematisch an. „Solche Gebäude müssen sehr haltbar sein. Holz kann auch schnell schäbig aussehen, wenn wenig Geld für die Unterhaltung da ist.“ Auch seien die Grundrisse sehr gut überlegt: „Man sieht, dass da Arbeit drinsteckt“, sagt Edmaier.

Grundsätzlich aber könnte und sollte man mehr mit Holz bauen, sagt die Architektin. „Leider wird das viel zu wenig gemacht und die Wohnungsbaugesellschaften sind da nicht sehr experimentierfreudig.“

Der Berliner Architekt Philipp Kuebart kritisiert außerdem die Bruttobaukosten des Amtsentwurfs, die den offiziellen Angaben zufolge bei 2000 Euro pro Quadratmeter liegen. „Damit könnte man ganz normalen Wohnungsbau für alle realisieren“, urteilt Kuebart. Er nennt die Pläne Geldverschwendung. Zudem würden rare freie Flächen, die es in der Stadt noch gibt, für eine Quartiersentwicklung auf Jahrzehnte verbaut.

Kuebarts Alternative: Wohnungen für Flüchtlinge in Holzmodulweise. In kleineren Einheiten, die flexibel an unterschiedlichen Quartiere und wechselnde Bedürfnisse späterer Nutzer angepasst werden können. Wie das geht, zeigt die Ausstellung "Making Heimat" aktuell im Deutschen Pavillon auf der Internationalen Architekturausstellung in Venedig.

Ob die städtebauliche Einbindung der modularen Flüchtlingsunterkünfte gelingt, daran hat auch Andreas Otto seine Zweifel. Der bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus wünscht sich ebenfalls mehr Holzbauprojekte. „Es gibt ganz viele Anbieter von Gebäuden mit hohem energetischen Standard und hohem Holzanteil. Das scheint den Senat aber nicht zu interessieren und ist deshalb von gestern.“ (mit epd)

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