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Immobilien: Musik im Mietshaus

Was den einen entspannt, bringt den anderen auf die Palme: Musik im Mietshaus.Dazu hat der Bundesgerichtshof jüngst in einem Urteil festgelegt: Ein völliges Musizierverbot oder eine Ruhezeitregelung, die dem praktisch gleichkommt, sind unzulässig.

Was den einen entspannt, bringt den anderen auf die Palme: Musik im Mietshaus.Dazu hat der Bundesgerichtshof jüngst in einem Urteil festgelegt: Ein völliges Musizierverbot oder eine Ruhezeitregelung, die dem praktisch gleichkommt, sind unzulässig.Musizieren ist Bestandteil eines sozial üblichen Verhaltens, es darf beschränkt, aber nicht insgesamt verboten werden.

Hintergrund dieser Entscheidung ist der Beschluß einer Wohnungseigentümerversammlung, die eine ursprünglich für Mietverhältnisse entworfene Hausordnung für ihre Eigentumswohnanlage übernehmen wollte."Das Singen und Musizieren ist nur von 8 bis 12 Uhr und von 14 bis 20 Uhr und nur in nicht belästigender Weise und Lautstärke gestattet", heißt es da unter anderem."Rundfunk- und Fernsehgeräte, Plattenspieler usw.dürfen nur in der Lautstärke betrieben werden, daß die Mitbewohner nicht belästigt werden." Das mochte einer der Wohnungseigentümer nicht hinnehmen: Der Saxophonspieler beantragte, diesen in der Versammlung gegen seine Stimme so beschlossenen Musizier-Paragraphen für nichtig zu erklären, weil er sich dadurch in seinen Freiheiten beeinträchtigt fühlte.

Der BGH gab ihm Recht.Allerdings störten sich die Bundesrichter vorrangig an der Formulierung "in nicht belästigender Weise und Lautstärke".Dieser Ausdruck sei nicht hinreichend bestimmbar, denn Belästigung ist eine subjektive Wahrnehmung.Niemand könne hier erkennen, inwieweit Hausmusik überhaupt noch möglich ist, so der Deutsche Mieterbund."Geräusche, die überhaupt nicht nach außen dringen, können aber auch zu besonderen Ruhezeiten nicht untersagt werden, weil ein schützenswertes Interesse anderer Hausbewohner dieser Betätigung nicht entgegensteht", heißt es auch beim Hausbesitzerverband Haus & Grund.Sollen die Lautstärke und Intensität der Musik außerhalb der Ruhezeiten reglementiert werden, so dürfen sie nur schwerwiegende, nicht mehr hinnehmbare Störungen erfassen, beispielsweise Schlagzeugübungen oder das Proben einer Band.Unwirksam sei dieser Eigentümerbeschluß darüber hinaus deshalb, weil das Singen und Musizieren ohne sachlichen Grund stärker eingeschränkt wurden als manche Dezibel-Attacken aus Fernseher oder Stereoanlage.

Diese Grundsätze des Bundesgerichtshofes haben auch Auswirkungen auf Mietshäuser.Der BGH beanstandete beispielsweise nicht, daß Ruhezeiten auf die Zeiten von 12 bis 14 Uhr sowie von 20 bis 8 Uhr festgelegt werden, mithin von den allgemein üblichen Grenzen - 13 bis 15 Uhr sowie 22 bis 7 Uhr - abweichen können.

Zwar hat gerade in einem Mietshaus niemand einen Anspruch auf absolute Ruhe.Doch läßt sich Lärm und andere lautstarke nachbarschaftliche Intoleranz - auch Musik - innerhalb eines Mietshauses zumeist in den Griff bekommen, unabhängig davon, welche Rechtsgrundlage gegen den Lärm angewendet werden: durch das Landesnachbarrechtsgesetz, eine Lärmverordnung, das Ordnungswidrigkeitengesetz oder die Hausordnung.Allerdings sind viele Mieter auch dem Radau anderer lärmender Zeitgenossen ausgesetzt, der sich oft nicht so einfach abstellen läßt.

Hauptsächlich durch Straßenverkehr seien 16 Prozent der Bevölkerung gesundheitsgefährdenden Lärmpegeln von über 65 Dezibel ausgesetzt, sagen Verbraucherschützer."Ohne Lärmbelastung hätten wir in Deutschland im Jahr einige tausend Herztote weniger", vermutet ein Experte für lärmbedingte Gesundheitsschäden beim Umweltbundesamt.Viele Menschen, die an lauten Straßen wohnen, haben nachts erhöhte Werte des Streßhormons Cortisol im Blut.Langfristig steige dadurch das Risiko von Magen-Darmgeschwüren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.Umfragen zufolge fühlt sich jeder fünfte Bundesbürger durch Straßenverkehr stark belästigt, mithin rund 15 Millionen Menschen.

Doch wissen viele Lärmbetroffene weder, wie groß die Lärmbelastung durch ihre Straße tatsächlich ist, noch was sie im Fall hoher Lärmbelästigung tun können.Um dies zu erkunden, bietet die Stiftung Warentest ein Lärmgutachten an.Damit läßt sich ermitteln, welche Lärmpegel vorliegen, auch, ob beispielsweise Lärmschutzfenster nötig wären und auf welche Gesetze und Verordnungen man dabei bauen kann.Allerdings beträgt der Selbstkostenpreis dafür 70 Mark, und zum Ausfüllen eines Fragenkatalogs muß jeder selbst noch einiges beitragen: beispielsweise die Lage des Hauses genau bestimmen, Entfernung zur Fahrbahn messen, notfalls auch vorbeifahrende Pkw und Lkw zählen.Aus diesen Angaben berechnet man bei der Stiftung, "wieviel Dezibel Tag und Nacht in Ihren Ohren dröhnen".Mit dem Gutachten werden zudem die wichtigsten Rechtsgrundlagen genannt, wie man gegen Lärm vorgehen kann.Wer sich auf den "oft dornigen Weg" begebe, Abhilfe schaffen zu lassen, habe ein starkes Argument in den Händen: Nach der Straßenverkehrsordnung könne eine Kommune beispielsweise Tempo-30-Zonen ausweisen, den Verkehr beruhigen oder ein Nachtfahrverbot für Lastwagen erlassen, um die Bürger vor Lärm zu schützen.Nach Angaben der Stiftung Warentest haben mittlerweile rund 2000 von Lärm Betroffene die Unterlagen angefordert, in 400 Fällen seien jetzt Gutachten erstellt worden."Wir rechnen mit weiterem Zulauf", so Warentest-Experte Frank Alleweldt.

Noise-Awareness-Day

Am kommenden Mittwoch, den 21.April, ist internationaler "Noise-Awareness-Day": ein Tag für die Ruhe.Was in Amerika bereits zu einer festen Einrichtung wurde, ist bei uns kaum bekannt.Deshalb werden an diesem Tag Experten der Stiftung Warentest und des Umweltbundesamtes telefonisch Rat zum Thema Straßenlärm und Schallschutz geben.Mittwoch, 21.April, von 10-14 Uhr, unter Telefon 26 31 27 00.

Den Erhebungsbogen für das Lärmgutachten gibt es per Post: Stiftung Warentest, Stichwort Straßenlärm, 10773 Berlin; telefonisch unter der Nummer 0180 / 232 13 13, Bestellnummer M 9805; im Internet unter www.stiftung-warentest.de und per Faxabruf: 01805 / 88 76 83 04 (sechs Seiten, 48 Pfennig pro Minute). alo

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