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Gut gerüstet. Häuser aus den 50er und 60er Jahren können ein Schatz sein – oder ein Reinfall. Interessenten müssen sich den Sanierungsbedarf genau anschauen.

© Uwe Zucchi/dpa

Nachkriegsimmobilien: Altes Haus kommt ganz neu heraus

Nachkriegsimmobilien haben gegenüber Neubaugebieten Vorteile: Innenstadtnähe und eine gute Infrastruktur.

Ein altes Haus hat seinen besonderen Charme. Anders als ein Neubau steht es meist in einer gewachsenen Wohngegend mit funktionierender Infrastruktur und Nachbarschaft. Wer sich für eine Immobilie entscheidet, die in den 50er und 60er Jahren gebaut wurde, kann einen Schatz bekommen. Oder einen Reinfall erleben.

„Diese Nachkriegsbauten befinden sich meist im ersten Innenring der Städte“, erklärt Jürgen Michael Schick, Sprecher des Immobilienverbands Deutschland und Makler in Berlin. „Das sind sehr attraktive Lagen mit eingewachsenem Baumbestand und eingespielten Strukturen, ruhig und dennoch zentrumsnah.“ Wenn diese Wohnimmobilien sanierungsfähig sind, können sie sehr attraktive Investments sein. Allerdings haben sie nicht nur Standortvorteile, sondern auch altersbedingte Zipperlein. „Ihr Minus sind die energetisch und technisch einfachen Standards“, erläutert Schick.

Schwachstellen sind eine mangelnde Wärmedämmung, feuchte Keller, veraltete Haustechnik sowie schadhafte, ungedämmte Dächer. Ohne die Begutachtung durch einen unabhängigen Experten sollte man so ein Haus nicht übernehmen. Dieser sucht dabei auch nach Schadstoffbelastungen. „Erst wenn die abschließenden Laborergebnisse vorliegen, ist eine seriöse Aussage zu Art und Umfang der Sanierung möglich“, betont Ulrich Zink, Vorstandsvorsitzender des Bundesarbeitskreises Altbauerneuerung in Berlin.

„Nachkriegshäuser haben ganz typische Eigenschaften, die man kennen sollte“, erklärt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren (VPB). Sie wurden nach den Bedürfnissen der 50er und 60er Jahre gebaut. Daher haben sie meist kleine Zimmer, die Wände sind nicht gedämmt, die Fenster sind einfach verglast, Keller und Dachgeschoss sind nicht ausgebaut. „Trotzdem kann man daraus viel machen und sie den heutigen Standards anpassen“, sagt Reinhold-Postina. Es lassen sich Wände versetzen, Zimmer zusammenlegen, Terrassen vergrößern, Balkone anbauen.

Manchmal ist ein Neubau günstiger

Je nach Aufwand müssen für die Modernisierung gut vierzig Prozent der Kaufsumme zusätzlich investiert werden. Es gibt auch Unterschiede zwischen den Jahrzehnten. „Häuser, die in den fünfziger Jahren gebaut wurden, haben meist eine schlechtere Bausubstanz als die 60er-Jahre-Bauten“, sagt Schick. Denn sie wurden mit recht einfachen Mitteln nach dem Krieg im Wiederaufbauprogramm errichtet. In den 60er Jahren war die Qualität besser.

Manchmal lohnt sich die Modernisierung nicht, weil ein Neubau günstiger ist. „Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn das Gebäude in den 70er Jahren oder später erheblich umgebaut und mit damals modernen Baustoffen modernisiert wurde“, erklärt Reinhold-Postina. Denn in den 70er Jahren setzten sich moderne Baustoffe durch, vor allem PVC und Kunstfasern. Auch Holzschutzmittel wie Lindan hielten Einzug, die gesundheitliche Schäden hervorrufen können und inzwischen verboten sind. Diese Stoffe zu beseitigen, wäre zu teuer.

In den meisten Fällen haben die Nachkriegshäuser aber Potenzial, um noch der nächsten Generation ein schönes und modernes Zuhause zu bieten. „Besonders die Gebäude aus den 50er Jahren zeichnen sich durch eine schlichte Architektur aus, die auch heute noch ihren Charme hat“, findet Zink. Wo zwischenzeitlich nichts saniert wurde, ist zu erwarten, dass die Häuser aus den 50er und 60er Jahren gesundheitlich unbedenklich sind. Denn es wurden beim Bau natürliche, traditionelle Baustoffe wie Ziegel oder Tonsteine verwendet.

Energetische Modernisierung ist nicht immer sinnvoll

Die natürlichen Baustoffe sind ein großes Plus der alten Häuser, betont Reinhold-Postina. Heute seien die meisten Baustoffe sogenannte Komposit- oder Verbundwerkstoffe, also aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetzt und oft mit Kunststoff verarbeitet. Ein altes Haus muss aus Sicht der Bauexpertin auch nicht zwangsläufig mit einer wärmedämmenden Gebäudehülle versehen werden. „Es kann durchaus sinnvoll sein, auf eine Wärmedämmung zu verzichten und stattdessen eine gute Heizung einzubauen“, erklärt Reinhold-Postina.

Die alten Häuser haben oft noch ein 36 Zentimeter dickes Mauerwerk. „Da rechnet sich eine zusätzliche Dämmschicht eventuell gar nicht.“ Käufer sollten das von einem unabhängigen Fachmann durchrechnen lassen, bevor sie eine umfangreiche energetische Modernisierung in Auftrag geben. „Natürlich lassen sich Altbauten auf einen modernen Energiestandard bringen, aber ob und wann sich das rechnet, das muss jeder Hausbesitzer mit Hilfe eines Experten für sich entscheiden.“ Zu diesem Thema gibt es aber unterschiedliche Ansichten.

Der Altbauexperte Ulrich Zink hält grundsätzlich eine energetische Sanierung inklusive Fenstertausch und Fassadendämmung für unumgänglich. „Die Häuser sollen schließlich die Energiestandards der Zukunft erfüllen“, argumentiert er. Ohne Dämmung hat eine normale Wand einen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) von 1,3 Watt pro Quadratmeter und Kelvin. Es geht also viel Heizenergie verloren. In Energieeffizienzhäusern werden 0,24 Watt pro Quadratmeter und Kelvin angepeilt. Die Nachkriegshäuser haben eine Schwachstelle, die oft ignoriert wird: feuchte Keller.

In den 50er Jahren wurden noch nicht alle Häuser gegen aufsteigende Feuchtigkeit aus dem Erdreich abgesichert. Deshalb zieht sie die Innenwände herauf. „Wer seine Kellerwände verputzen will, wird sehen, dass der Putz bald wieder abblättert“, so Reinhold-Postina. „Früher wurden Keller nie verputzt, aber sie wurden gut belüftet und zum Lagern von Vorräten genutzt. Es kann sinnvoller sein, mit den bautechnischen Schwächen zu leben, anstatt das Untergeschoss aufwendig auszubauen.“ (dpa)

Katja Fischer

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