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Das Studentenwohnheim steht seit Jahren leer; der Bau wurde 1967 mit einer runden Million D-Mark veranschlagt.

©  Reinhart Bünger

Neubau am Karl-August-Platz: Wiedergeburt im "Haus der Kirche"

In Charlottenburg schlägt dem ehemaligen Studentenwohnheim die letzte Stunde – zugunsten eines Neubaus.

Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor: Ein Hauseigentümer ist seines Gebäudes, das er selbst errichtet hat, überdrüssig und möchte es nach fünfzig Jahren abreißen, um das Grundstück zu verkaufen oder um bei einem Neubau alles besser und – nicht zuletzt – etwas großzügiger zu gestalten. Doch die zuständige Behörde befindet, der Bauherr habe in den sechziger Jahren besonders eindrucksvoll gebaut, denkmalwürdig gar, Abriss ausgeschlossen. Was macht der gewiefte Eigentümer? Er unterlässt kaum etwas, die Bausubstanz zu schädigen. Das Haus wird entmietet, Strom gekappt, die Heizung wird abgestellt, ein Flatterband am Treppenaufgang signalisiert: Hier geht in Zukunft gar nichts mehr weiter. Bezahlbarer Wohnraum vernichtet.

„Unchristlich“, ist man versucht zu rufen. Ja, das kann man so sehen. Auch wenn im folgenden Fall von der Evangelischen Kirche als Hauseigentümerin die Rede ist, die diese Geschichte selbst etwas anders erzählt.

Anwohner wundern sich seit Jahren, warum das immer gut belegte Studentenheim in der Krumme Straße 60 seit Anfang 2012 nicht nur leersteht, sondern zusehends vergammelt. „Und das in dieser Zeit, wo Studenten kaum eine bezahlbare Unterkunft finden können“, sagt Ruth Beyer, die wenige Häuser weiter wohnt. „Schön ist es nicht. Ich weiß auch gar nicht, ob die Kirche das darf.“

Um alle Denkmale im Bezirk zu kontrollieren, fehle dem Amt das Personal

Die Kirche darf. Wohnheime gelten als Gewerberäume, da es sich bei den vermieteten Zimmern nicht um abgeschlossene Wohneinheiten handelt. Von einem „illegalen Leerstand“ könne demnach nicht die Rede sein, sagt Rainer Latour, Leiter des Stadtentwicklungsamts im Rathaus Charlottenburg-Wilmersdorf, auf Anfrage. Bis auf eine Hausmeisterwohnung an der Weimarer Straße gebe es bei dem Ensemble „Haus der Kirche“ am Karl-August-Platz keinen geschützten Wohnraum. Und der Denkmalschutz?

Nun steht im Gesetz, Denkmalpflege und Denkmalschutz haben die Aufgabe, „wichtige Zeugnisse der Baukultur – unter Berücksichtigung ihrer Denkmaleigenschaften – zu bewahren sowie Kulturdenkmale als Quellen und Zeugnisse menschlicher Geschichte und erdgeschichtlicher Entwicklung zu schützen und zu erhalten“. Sie wirken darauf hin, dass Denkmale in die städtebauliche Entwicklung sowie in die Raumordnung und Landschaftspflege einbezogen werden. „Wissen Sie, wie viele Denkmale wir im Bezirk haben? Hunderte!“, sagt Latour. Um alle ständig zu kontrollieren, fehle dem Amt das Personal.

Der Entwurf des Komplexes stammt aus dem Büro der Architektengemeinschaft Sage-Richter-Hebecker. Am 14. Januar 1964 wurde der Grundstein gelegt und am 22. Mai 1967 das Ganze seiner Bestimmung übergeben. Der Tagesspiegel lobte den Bau der Begegnungsstätte anlässlich der Grundsteinlegung als „Angebot Gottes an die Menschen“. Bauherr war seinerzeit der Berliner Stadtsynodalverband. Der Gebäudekomplex erstreckt sich entlang der Goethestraße von der Weimarer Straße zur Krumme Straße und besteht aus vier Gebäudeteilen.

Abriss und Neubau standen schon länger auf der Agenda

In den Gebäuderiegel an der Goethestraße sollen über dem „Luftgeschoss“ mit Stellplätzen Wohnungen eingebaut werden.
In den Gebäuderiegel an der Goethestraße sollen über dem „Luftgeschoss“ mit Stellplätzen Wohnungen eingebaut werden.

© Reinhart Bünger

Die Evangelische Kirche nutzte das Ensemble ursprünglich, um Studenten Wohnraum zu bieten: im Haus entlang der Goethestraße standen Wohnungen für verheiratete Studenten zur Verfügung. Im Haus Krumme Straße 60 befand sich ein Studentenwohnheim. Für das Personal waren in dem Haus an der Weimarer Straße Wohnungen vorgesehen. Auf dem zwischen den drei Bauten befindlichen Innenhof steht ein weiteres Gebäude, in dem ein großer Saal und Seminarräume untergebracht sind. Heute wird das „Haus der Kirche“ als Sitz des Amtes für kirchliche Dienste (AkD) als Einrichtung der Aus-, Fort- und Weiterbildung in kirchlichen Belangen genutzt.

Unter Architekten gibt es kaum Zweifel: Heutigen Anforderungen an Wärmeschutz oder Barrierefreiheit genügt keiner der Bauten. Ein Schicksal, das nahezu alle unter Denkmalschutz stehen Gebäude teilen. Kein Wunder, dass der Denkmalschutz so manchem Eigentümer Kopfschmerzen und Übleres bereitet. Darüber zu fluchen steht der Kirche schlecht an, auch wenn es für sie unglücklich gelaufen ist. Denn Abriss und Neubau des Studentenwohnheims standen im Konsistorium schon länger auf der Agenda, als sich – für viele überraschend – der Denkmalbeirat Charlottenburg-Wilmersdorf 2012 dafür aussprach, das „Haus der Kirche“ unter Schutz zu stellen. Begründet wird dies mit Verweis auf die Leistungen des Architekten Konrad Sage. Unter der Nummer 09065326 steht das Ensemble seitdem auf der Berliner Denkmalliste.

Es wurde ein Kompromiss gefunden

Wenn auch mit Verzögerung, der Plan der Evangelischen Landeskirche geht allem Anschein nach doch noch auf, wenigstens zum Teil. Es wurde ein Kompromiss gefunden. Der Kirche werde erlaubt, das Gebäude abzureißen und an gleicher Stelle neu zu bauen, sagt Amtsleiter Latour. Hier soll dann das AkD einziehen.

Die Pressestelle der Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) – noch ermattet durch die Ereignisse in den vergangenen Wochen und personell geschwächt durch die urlaubsbedingte Abwesenheit der Chefin nach dem stressigen Evangelischen Kirchentag – schafft es bis zum Redaktionsschluss dieser Seiten just in time, dunkle Ahnungen zur Zukunft des Ensembles mit Tatsachen aus dem Diesseits zu kontern: „In Anwesenheit des Bezirksamts von Charlottenburg-Wilmersdorf und Vertretern des Landesdenkmalamtes entschied Senatsbaudirektorin Lüscher im September 2015 für die Oberste Denkmalschutzbehörde, dass (…) der Abbruch des – unter Denkmalschutz stehenden – Studentenwohnheims für den Zweck der Errichtung eines Ersatzbaus für die Nutzung durch das AkD möglich sein würde.“

Die Überlegung wurde, so die EKBO, von Bausenator Andreas Geisel noch 2015 bestätigt und am 2. März 2017 von Kultursenator Klaus Lederer bekräftigt, wird gemeinsam von Land und Bezirk befürwortet und von der Kirche getragen.

Für das neue Gebäude soll ein Architektenwettbewerb stattfinden

Der Grund für den bevorstehenden Abriss des Wohnheims mit 44 Einzelzimmern: „Die Raumzuschnitte im bestehenden Bau genügen zudem heutigen Anforderungen an selbst geringste Flächen- und Sanitärstandards auch zu Wohnheimzwecken nicht mehr.“

Das gesamte Areal solle landeskirchliches Eigentum bleiben, sagte auf Anfrage Kirchenoberbaurat Matthias Hoffmann-Tauschwitz, Leiter des Kirchlichen Bauamts.  Weitere Änderungen am denkmalgeschützten Bestand sind nicht zulässig: „Es soll nichts hinzukommen.“ In den bisherigen Sitz des AkD werden Wohnungen eingebaut, wenn das neue Gebäude erst einmal fertig ist: „Der große Querriegel an der Goethestraße bzw. am Karl-August-Platz (wird) von den derzeit dort untergebrachten administrativen Diensten des AkD freigezogen, um danach vollständig zu Wohnzwecken umgebaut zu werden.“

Das neue Gebäude – als Ersatz für das Studentenwohnheim – soll Gegenstand eines Architektenwettbewerbes werden. Mit einer Jurysitzung sei „hoffentlich im Sommer“ zu rechnen, sagte Hoffmann-Tauschwitz, der sich mit seiner Aussage auf 2017 bezog.

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