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Neubau in Berlin: Durch Zuzug unter Zugzwang - Berlin wächst weiter

Immobilienboom Berlin: Wohin gehen die Preise? Welche Trends kommen? Was schaffen Investoren? Wie reagiert das Land Berlin auf die Wohnungsknappheit?

Die eigene Wohnung, das eigene Haus bedeuten für die meisten Familien in Deutschland noch immer die größte Investition im Leben. Das war schon in vergangenen Zeiten so. Anders ist allerdings, dass angesichts niedriger Zinsen in Deutschland immer mehr Geld in den Immobilienmarkt fließt. Schätzungen der amtlichen Gutachterausschüsse zufolge wechselten 2014 Häuser und Grundstücke für rund 190Milliarden Euro die Eigentümer. „Der allgemeine Trend setzt sich fort, sowohl was die Preise betrifft als auch die Umsätze“, sagt Peter Ache, Geschäftsstellenleiter der Gutachterausschüsse.

Regional ist die Entwicklung unterschiedlich. Wo Menschen fortziehen, ist kein Boom zu spüren. Doch eine Trendstadt wie Berlin wächst weiter – ist sie der Entwicklung auch gewachsen? Nach den Zahlen des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg liegt das Bevölkerungswachstum im vierten Jahr in Folge deutlich über der Marke von 40000 Menschen. Von 2009 bis 2013 gewann die Hauptstadt mit rund 160000 Neubürgern ungefähr so viele Einwohner hinzu wie die Nachbarstadt Potsdam bereits hat.

2014 ist die Einwohnerzahl der Hauptstadt noch einmal um rund 44700 Köpfe gewachsen. Wo sollen sie wohnen? Rein rechnerisch betrachtet reichen die im Berliner Stadtentwicklungsplan Wohnen 2025 definierten Zahlen für den Zuzug nicht aus. Die angestrebten 10000 neuen Wohnungen pro Jahr basieren noch auf einer Bevölkerungsprognose aus dem Jahr 2012. Sie ging für den Zeitraum von 2011 bis 2030 von einem durchschnittlichen Bevölkerungswachstum zwischen rund 13000 und 21000 pro Jahr aus.

Am Alex entsteht das weltweit größte "Hampton by Hilton"

Weil es aktuell doppelt so hoch ist, resultiert daraus – allein für 2014 – ein Wohnraumbedarf von mindestens 20000 zusätzlichen Wohnungen, zumal Berlin die Hauptstadt der Singles ist. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bleibt es für 2015 aber nur bei zirka 10000 fertigzustellenden Wohnungen – schätzungsweise. Völlig außerhalb der Betrachtung, jedenfalls bisher: Berlin ist ein Touristenmagnet, dessen Sogkraft weiter wächst. Die Menge temporär gefragten Wohnraums wächst damit auch.

Am Alexanderplatz entsteht – mit 344Zimmern – das weltweit größte „Hampton by Hilton“. Auch am Hauptbahnhof ist ein neues Hotel vorgesehen. Es wird von HG Immobilien entwickelt. Es sind dies zwei Hotelneubauten unter vielen und offenbar immer noch viel zu wenigen. Doch nicht jeder, der Berlin besucht, leistet sich ein 4- oder 5-Sterne-Hotel. Spree-Athen zieht vor allem ein junges Publikum an. Preiswerte Hotels sind rar, also oft ausgebucht.

Das Motel One am Alexanderplatz mit seinen rund 700 Zimmern soll im Frühjahr 2017 eröffnet werden und wird allein den Bedarf an preiswerten temporären Unterkünften ohnehin nicht decken. So gibt es einen Run auf deutlich preiswertere Ferienwohnungen, die ihren Bewohnern zudem den Vorzug versprechen, „unter Einheimischen zu Hause“ zu sein. Und es gibt einen Bauboom bei Serviced Apartments, bei Studentenapartments und bei Ferienstudios, von denen Berlin noch lange nicht genügend hat.

Wo preiswertes Wohnen knapp wird, steigen die Mieten

Der Zuzug von Arbeitskräften aus dem Bundesgebiet und aus dem Ausland, temporärer Zuzug durch immer mehr Touristen und Studenten aus aller Welt und – nicht zuletzt – durch die notwendige Unterbringung von

Flüchtlingen verschärfen die Wohnraumknappheit.

Die Folge: Wo preiswertes Wohnen knapp wird, steigen die Mieten. So gilt Berlin einer Studie des Stadtsoziologen Andrej Holm von der Humboldt Universität Berlin zufolge mit fast 10000 Räumungsklagen pro Jahr als Hauptstadt der Räumungsklagen: Wer nicht mehr zahlen kann – oder will –, fliegt. Und dies bei einem rückläufigen Bestand sozial gebundener Wohnungen aus alten Förderprogrammen. Ihre Zahl nimmt von Jahr zu Jahr ab, weil sie aus der Bindungsfrist fallen. Wie könnte dieser Bedarf an Wohnraum mit Blick auf vorhandene Flächen gedeckt werden?

Der Berliner Senat kann diese Frage nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten, wie es Anfang dieses Jahres in einer Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) im Abgeordnetenhaus heißt. Überschlägig 100000 Wohneinheiten sehen die Bezirke auf Potenzialflächen im Entstehen – theoretisch und zum Teil erst in weiter Ferne – nach 2025. Der weit überwiegende Teil dieser Flächen ist in privater Hand.

Investoren brauchen gute Nerven

Berlin müsste es also gut meinen mit Investoren, mit Projektentwicklern, die den Neubau in Berlin vorantreiben wollen. Projektträger müssen sich hierzulande einer harten Abwehrhaltung entgegenstellen. Das gilt bundesweit und besonders in Berlin. Nicht immer sind es die Bürger, die den Ausschlag geben – wie beim Tempelhofer Feld. Nicht immer geht es um Modernisierungen, wie aktuell bei den Protesten in der Gagfah-Siedlung in Zehlendorf. Größere Projekte verhaken sich gerne einmal im Kleinklein von Land und Bezirk.

Zwei Beispiele: Auf dem landeseigenen Hafengelände am Viktoria-Speicher in Kreuzberg geht im Streit um die Verlagerung eines Galvanisierungsbetriebes zwischen Land und Bezirk seit Jahren nichts hin und nichts zurück. Ein Investor, der hier Wohnungen bauen wollte, ist inzwischen abgesprungen. So weit ist es in Pankow zwar noch nicht, wo Möbelhändler Kurt Krieger nach einem Jahrzehnt mit dem Quartiersneubau „Pankower Tor“ endlich beginnen will.

Doch auch hier: Lärmschutz, Erschließung, Kaufhausgröße – alles noch in der Schwebe. Der Baustart: frühestens 2017. Da kann man halt weiterhin nichts machen.

Investoren brauchen gute Nerven und Langmut. Beides hat zum Beispiel Wilhelm Hilpert. Der Würzburger Unternehmer ist seit Jahren auf dem Berliner Immobilienmarkt aktiv. Er erregt kein öffentliches Interesse, Werbung betreibt er schon gar nicht. Die denkmalgeschützte Garbáty-Zigrettenfabrik in Pankow wandelte Hilpert in Wohnraum um, zumeist für Anleger. Billig waren die Wohnungen nicht. Und doch wurden sie binnen weniger Monate ohne großen Marketingaufwand verkauft.

Ein Baugesetzbuch von tausend Seiten ist besser als Korruption

Aktuell arbeitet Hilpert an einem Bauantrag für 300 Mietwohnungen am Friedrichshainer Spreeufer, die zu in Berlin eher mäßigen Mieten zwischen neun und 13 Euro pro Quadratmeter vergeben werden sollen. Ist er zufrieden mit der Baugenehmigungspolitik von Land und Bezirken? „Sie haben in Deutschland ein Baugesetzbuch von tausend Seiten, in Rumänien haben sie fünfzig Seiten“, sagt Hilpert diplomatisch, „wenn sie fünfzig Seiten haben, geht es nur noch über Korruption. Mir sind tausend Seiten lieber, da müssen wir alle durch.“

Rechtssicherheit sei ein hohes Gut. „Man merkt es erst, wenn man sie nicht hat.“ Die Berliner Bauaufsichtsbehörden genehmigten 2014 nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg 4397 Bauten (19 199 Wohnungen, davon sind 16361 Neubauwohnungen). Das sind insgesamt zwar 53,4 Prozent mehr als 2013, wird aber den Bedarf bei weitem nicht decken, zumal die neu gebauten Wohnungen im Vergleich zum Bestand im höherpreisigen Segment liegen. So bleibt einstweilen nur die Mangelverwaltung.

In einigen Gebieten Berlins sind neue Eigentumswohnungen inzwischen unerwünscht. Mieter sollen mithilfe eines Umwandlungsverbotes davor geschützt werden, dass aus ihrer Mietwohnung eine Eigentumswohnung wird. Zudem dürfen private Eigentümer ihre Wohnungen ohne Genehmigungen nicht als Ferienwohnungen vermieten („Zweckentfremdungsverbot“). Über einen Mietenvolksentscheid versucht ein Zusammenschluss aus Mieterinitiativen verschiedener Bezirke ein „Berliner Wohnraumbeschaffungsgesetz“ zu initiieren.

"Neubau ist das schärfste Schwert zur Mietpreisdämpfung"

Damit sollen mehr Wohnungen für Einkommensschwache geschaffen werden. Zudem wird gefordert, die Mieten in öffentlich geförderten Wohnungen zu senken und Mieten am Einkommen der Mieter zu orientieren. Einig sind sich alle Beteiligten im Kern, dass nur der Wohnungsneubau Entlastung bringen kann. Die städtischen Wohnungsunternehmen sind politisch aufgerufen, aktiv zu werden, doch erledigen sie diese Aufgabe zum Teil vor allem durch Zukäufe – die Zahl verfügbarer Wohnungen lässt sich so nicht erhöhen.

„Neubau ist das schärfste Schwert zur Mietpreisdämpfung“, sagt Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel. „Die landeseigenen Wohnungsunternehmen sind mit ihrer Neubau-Offensive auf dem richtigen Weg.“ Private Bauherren und Genossenschaften forderte der SPD-Mann dazu auf, sozialen Wohnraum in Berlin zu bauen. Ob sich das lohnt? Andreas Mattner, Präsident Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA), spielt den Ball an die Politik zurück.

„Die Preise im Neubau von Wohngebäuden und Gewerbe erhöhten sich im vergangenen Jahr nur um 1,8 Prozent. Die wahren Preistreiber liegen offenbar in anderen Bereichen“, sagt Mattner, dessen ZIA für 24 Verbände der Immobilienwirtschaftt, für 37000 Unternehmen der Branche spricht: „Durch steigende Grunderwerbsteuer, regelmäßige EnEV-Verschärfungen, lange Genehmigungsverfahren und weitere auf kommunaler Ebene entstehende Kosten treibt der Staat die Herstellungskosten von Immobilien unnötig in die Höhe.

Hinzu kommen steigende Grundstückskosten in den nachgefragten Ballungsräumen. Um hier gegenzusteuern sollten die Länder und Kommunen nicht weiter an der Steuerschraube drehen, mehr Bauland ausweisen, Grundstücke nicht zum Höchstpreis vergeben und Abstand von Abschöpfungsmodellen nehmen. Nur so werden auch Mieten moderat bleiben.“

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