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Fährgut Nedlitz. Das ehemalige Gutshaus der Familie Müller soll saniert und als „Kaiservilla“ oder „Haus Nedlitz“ vermarktet werden.

© imago/Philip Schilf

Neubau in Potsdam: Neu Fahrland in neuen Fahrwassern

Noch beherrschen Gewerbebrachen die Insel, doch das wird sich bald ändern.

Goldgräberstimmung herrschte schon vor mehr als 300 Jahren an diesem Flecken nördlich von Potsdam. Was früher als Insel Nedlitz, heute oft als Insel Neu Fahrland bezeichnet wird, gehört seit 1935 zur brandenburgischen Hauptstadt. Verdiente sich bereits ab 1657 eine Familie Müller mehr als eine goldene Nase durch Fähr-, später Brückenrechte, stehen heute Immobilieninvestoren buchstäblich in der ersten Reihe.

Das schmale Inselchen hat nämlich viel von dem zu bieten, was schon seit jeher große Begehrlichkeiten weckt: Wasserlage. Gewissermaßen als Zugabe gibt es für künftige Bewohner noch eine ordentliche Portion Historie in der geschichtsträchtigen Gegend obendrauf. Das ist allerdings das Einzige, was hier gratis ist. Aktuell zwei Projekte von verschiedenen Bauträgern mit zusammen 49 Wohneinheiten sollen auf der Insel entstehen. Zudem harrt ein historisches Gasthaus der Wiederbelebung. Möglicherweise wird auch ein totgesagtes Großprojekt doch noch realisiert.

Auf den ersten Blick erscheint die über Brücken erreichbare Insel Neu Fahrland wenig attraktiv. Geteilt von der stark befahrenen Tschudistraße (benannt nach Hugo von Tschudi, von 1896 bis 1909 Direktor der Nationalgalerie Berlin, und heute Teil der B 2 zwischen Spandau und Potsdam) dominieren Brachen ehemaliger Gewerbebetriebe, gesichtslose Bürobauten und Freiflächen, auf denen nach der Wende fliegende Händler jahrelang ihr Geschäft betrieben.

Zudem hat die Märkische Entsorgungsanlagen Betriebsgesellschaft mbH ihren optisch wenig ansprechenden Unternehmens- und Verwaltungssitz dort. Absichten, diesen zugunsten von Wohnungsbau zu verlegen, bestünden nach Auskunft von Geschäftsführer Dirk-Uwe Michaelis nicht. „Ein holländischer Investor hatte vor mehr als einem Jahr mal nachgefragt, ob wir veräußern. Das ist Sache unserer Gesellschafter Berlin und Brandenburg, aber da ist nichts spruchreif geworden.“ Der niederländisch-belgische Investor Robex hatte nämlich ganz große Pläne, wollte auf 2006 erworbenen 4,7 Hektar mehr als 100 Wohnungen in bis zu vierstöckigen Gebäuden auf der Insel bauen.

Im alten Fährgut wird ein interessantes Projekt in Angriff genommen

Die Wassergrundstücke auf der Insel – umgeben von Lehnitz-, Jungfern- und Weißem See sowie dem 1903 gestochenen Sacrow-Paretzer-Kanal – haben also schon längst Begehrlichkeiten geweckt. Absichtserklärungen und konkretere Pläne gibt es seit mehr als zehn Jahren. Jetzt sind allerdings allem Anschein nach Lösungen gefunden.

Das interessantere Projekt will die „EBV Grundbesitz – Insel Potsdam Neu-Fahrland GmbH“ mit Sitz in Leipzig in Angriff nehmen. Denn als eine Besonderheit Neu Fahrlands gilt der denkmalgeschützte Gutshof, der Teil des von Lenné, Schinkel und Persius formulierten „preußischen Arkadiens“ ist und den Eingang von Norden nach Potsdam markiert.

Das rund 11 400 Quadratmeter große Gelände hat Robex jüngst an die EBV verkauft, die den Entwurf der Niederländer für die Anlage „Fährgut“ umsetzen will. Für knapp 4000 Quadratmeter Wohnfläche in 26 Einheiten, zum Teil mit eigenen Gärten und Wasserzugang inklusive Bootssteg, sowie 34 Autostellplätze werden Anleger gesucht, die in „Betongold“ investieren wollen. „An individuelle Eigennutzer verkaufen wir nicht“, sagt Mandy Klabes, Prokuristin bei EBV, „nur an Anleger, für die die Denkmalschutz-AfA interessant ist. Die spätere Vermietung übernehmen wir dann auch.“

Was früher als Insel Nedlitz, heute oft als Insel Neu Fahrland bezeichnet wird, gehört seit 1935 zur brandenburgischen Hauptstadt.
Was früher als Insel Nedlitz, heute oft als Insel Neu Fahrland bezeichnet wird, gehört seit 1935 zur brandenburgischen Hauptstadt.

© imago/Arkivi

20 Millionen Euro wurden durch die Crowdinvesting-Plattform Exporo eingesammelt

In Abstimmung mit den entsprechenden Behörden sollen das ehemalige Wohnhaus der „Fährmüllers“ sowie ehemalige Rinder- und Pferdeställe denkmalgerecht saniert, modern ausgestattet und als „Kaiservilla“ beziehungsweise „Haus Nedlitz“ vermarktet werden.

Die Pläne sehen für das von Ludwig Persius entworfene Gutshaus auch wieder einen Saal, Turm und Zinnenkranz vor. Auf dem Dach werden – von außen nicht sichtbar – zwei Dachterrassen hinter dem Zinnenkranz integriert, Balkone auf der straßenabgewandten Seite ergänzt, heißt es im Exposé. Zum Lehnitz See hin sind zudem neun neue Reihenhäuser als Maisonettes geplant. An der Stelle stand einst eine 70 Meter lange Traktorenhalle, die erst jüngst abgerissen wurde. Die Wohnungsgrößen variieren zwischen 82 und 221 Quadratmeter. Es werden Quadratmeterpreise von rund 6000 Euro aufgerufen.

Die Investitionssumme von gut 20 Millionen Euro wurde bei Anlegern eingesammelt und in Form eines nachrangigen Darlehens an die EBV weitergereicht. Dabei kamen 850 000 Euro durch die Crowdinvesting-Plattform Exporo zusammen. Die Baugenehmigung liegt nach Angaben des Investors vor. Den avisierten Baubeginn von Mai 2017 oder die Fertigstellung Ende 2019 mochte EBV-Prokuristin Klabes so nicht bestätigen.

Der Investor Robex hat jedoch offenbar noch nicht von den Plänen einer massiven Wohnbebauung auf der Insel Abstand genommen. „Die wollen im Dezember ihre Pläne so weit geordnet haben, dass sie im kommenden Frühjahr anfangen können“, weiß Sven Herbst vom Vorstand des „Fährgut“-Vermarkters Valerum Invest AG.

Von einer mehrfach in der Öffentlichkeit kolportierten Insolvenz der Robex sei ihm nichts bekannt. „Die haben nur festgestellt, dass Denkmalschutz-Immobilien nicht ihr Ding sind und deshalb an EBV verkauft.“ Nach der Transaktion des Teilgrundstücks bleiben den Niederländern noch rund 3,5 Hektar. „Es ist die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen. Das planerische Konzept ist Ergebnis eines wettbewerblichen Gutachterverfahrens, das eine Neustrukturierung mit überwiegender Wohnbebauung und einzelnen Versorgungs- und Dienstleistungsangeboten an der Tschudistraße vorsieht“, teilt Stefan Schulz vom Presseamt der Stadt Potsdam auf Anfrage mit. Von Robex war keine Stellungnahme zu erhalten.

Am Jungfernsee entsteht eine Terrassenwohnanlage mit 19 Apartments

Schräg gegenüber vom künftigen „Fährgut“ ist beim „Wohnpark Jungfernsee“ die Baugrube für die geplante Tiefgarage bereits ausgehoben. Wo vor rund 150 Jahren Ausflugsgaststätten mit Dampfer- und Bootsanlegestellen lockten, entsteht in direkter Wasserlage eine „gläserne“ Terrassenwohnanlage mit 19 Apartments, vier Penthäusern und einem Büro. Geplant ist außerdem ein Wellnessbereich inklusive Schwimmbad.

Am Ufer soll ein Anleger mit Platz für „mindestens zehn Boote“ gebaut werden. Die Baugenehmigung für das Objekt wurde bereits Mitte vergangenen Jahres erteilt, Bauherr ist die „Wohnpark Jungfernsee dritte Immobiliengesellschaft mbH & Co. KG“ , vertreten durch den Geschäftsführer Heinz Schaper, Eigentümer der Schaper Immobilien und Verwaltung im niedersächsischen Langenhagen.

Zur Investitionssumme werden keine Angaben gemacht. Die Wohneinheiten kosten je nach Geschoss zwischen 4500 und 9000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Zu haben sind aktuell noch sieben Einheiten, beispielsweise ein Drei-Zimmer-Penthaus mit 133 Quadratmetern Wohnfläche sowie einer 77 Quadratmeter großen Terrasse – für 1 199 000 Euro.

Das denkmalgeschützte "Parkrestaurant" soll ein Galeriecafé samt Biomarkt beherbergen

Ungewiss ist noch die Zukunft des einstigen Ausfluglokals „Parkrestaurant“ im Schatten der „Jungfernseeterrassen“. Die Vorsitzende des Potsdamer Gestaltungsrats, Ulla Luther, ist nicht glücklich über das neue Umfeld: „Das Restaurant hat diesen großen Charme – und dagegen diese Wucht. Das bedrängt dieses schöne Baudenkmal.“

Der Berliner Architekt Carlos Zwick, aus dessen Büro der Entwurf für das Terrassenhaus stammt, hat das Nebengrundstück samt der geschützten Gaststätte von etwa 1850 plus „Tanzsaal“ erworben. Der neue Eigentümer, der auf dem Grundstück aktuell ein Haus mit Seeblick für seine Familie baut, plant, in dem Denkmal ein Galeriecafé samt Biomarkt, im ehemaligen Tanzsaal eine „höherwertige Gastronomie“ zu etablieren. Außerdem sei ein kleiner Neubau mit einigen Wohnungen vorgesehen.

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