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Die Bewohner beten gemeinsam, ihre Wohnungen sind miteinander verbunden, es gibt einen Gemeinschaftsraum und Gästezimmer: das Kloster im Kleiburg-Hochhaus im Amsterdamer Stadtteil Bijlmer.

© Promo/Michiel Wijnbergh

Neue Formen des Zusammenlebens: Der Nachbarschaft etwas Gutes tun

Im Amsterdamer Problemviertel Bijlmer gründen Gäubige ein Kloster in einem Hochhaus. Auch eine Brauerei darf darin nicht fehlen.

Der Gemeinschaftsraum in der ersten Etage hat eine Kochinsel in der Mitte. Vor der Glasfront, durch die man auf den Hof blickt, soll eine lange Bank mit Kissen stehen. Dazu ein Tisch, an dem 20 Menschen Platz haben. Die Luft riecht nach frisch gestrichenem Holz, auf den Treppenstufen liegt noch der Baustaub. Dieser Raum solle wie ein Wohnzimmer werden, erklärt Johannes van den Akker. Gemeinsam essen, Gäste empfangen, singen, spielen, diskutieren. Ein Klavier steht noch im Erdgeschoss und muss nach oben gehievt werden.

Inzwischen jedoch müsste alles an Ort und Stelle sein. Mitte Oktober feierte das „Kleikloster“ in Amsterdam seine Eröffnung – mitten in einem Hochhaus. Van den Akker, 31 Jahre alt, bezeichnet sich als Abt und Unternehmer. Er hat vor zwei Jahren die Idee entwickelt und nun umgesetzt: Eine Gruppe Gläubiger lebt zusammen, betet gemeinsam, ist gastfreundlich, hilfsbereit und für die Nachbarschaft engagiert.

„Wir nennen es Kloster, weil wir das tun und leben, was man allgemein mit Klöstern verbindet“, erklärt van den Akker. Die Gemeinschaft ist an keinen Orden gebunden, teilt laut van den Akker aber die Kernelemente eines Klosters: Lebensgemeinschaft, Spiritualität und Gastfreundschaft.

Dabei sieht hier von außen betrachtet nichts wie ein traditionelles Kloster aus – weder der Ort noch die Gläubigen. Die ersten Bewohner sind acht Protestanten zwischen 25 und 37 Jahren, dazu fünf Kinder zwischen zwei und sechs Jahren. Ein Ergotherapeut ist darunter, ein Hausarzt und ein Unternehmer. Sie haben eigene Wohnungen, die miteinander verbunden sind, und teilen sich den Gemeinschaftsraum.

Das Viertel ist Inbegriff von Arbeitslosigkeit, Integrationsproblemen und Kriminalität

Ebenfalls auf der ersten Etage liegt ein abgedunkelter Raum mit Bänkchen und einem kreuzförmigen Fenster, durch das Herbstlicht hereinscheint. Hier beten die Bewohner jeden Abend gemeinsam. Mittwochs kochen und essen alle zusammen, ansonsten werden die Tage frei gestaltet. Die Klosterbewohner gehen weiterhin in Teilzeit ihrer Arbeit nach, sollen sich in Zukunft aber auch in die Gemeinschaft einbringen.

Das „Kleikloster“ liegt im Kleiburg-Hochhaus im Amsterdamer Stadtteil Bijlmer. Hier ragen Gebäude mit Hunderten von Wohnungen in den Himmel. Auf dem Platz zwischen den Hochäusern hockt eine Gruppe Jugendlicher auf einer Bank.  Das Viertel wurde berühmt-berüchtigt, weil im Oktober 1992 ein israelisches Frachtflugzeug auf eines der Häuser stürzte. Mindestens 43 Menschen kamen damals ums Leben. Heute sind die Hochhäuser der Beton gewordene Inbegriff von Arbeitslosigkeit, Integrationsproblemen und Kriminalität in den Niederlanden.

Fromm, aber keine Nonnen oder Mönche: die Klosterbewohner.
Fromm, aber keine Nonnen oder Mönche: die Klosterbewohner.

© Michiel Weinbergh

Der Ort ist außergewöhnlich für ein Kloster – und dennoch passend: „Wir wollen der Nachbarschaft etwas Gutes tun“, sagt van den Akker. Die Tür soll offen sein und jeder soll auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen können und willkommen sein. Auch mehrere Gästezimmer gibt es, um Fremde aufnehmen zu können. In Zukunft könnten hier zum Beispiel für eine Weile Alleinerziehende mit Kindern leben, die sonst hoch verschuldet aus ihren Wohnungen geworfen würden.

Die Idee zum Kloster entstand bereits vor mehreren Jahren. Johannes van den Akker wollte mit seiner Frau bei einem Essen die gemeinsame Zukunft diskutieren. Ihre Wohnung wurde wegen der Kinder zu klein. Im Laufe des Abends entstand die Idee, eine Wohngemeinschaft zu gründen. „Als Christen halten wir Werte wie Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft hoch“, sagt van den Akker. „Aber was bringt es, wenn man sich damit nur im Kopf beschäftigt?“

Die Brauerei war anfangs nur ein Scherz

Er entwickelte die Idee und fand eine Gruppe Mitstreiter, die auch die Wohnungen gekauft und beim Umbau Hand angelegt haben. Finanziert werden die Gemeinschaftsausgaben des Projekts aus Spenden, in Zukunft vielleicht sogar durch eigene Einnahmen: Wie in einem traditionellen Kloster gibt es einen Garten und eine Brauerei, die sich ebenfalls im Hochhaus befindet.

Der Garten, ein 25 Quadratmeter großes Grundstück, das die Stadtteilverwaltung zur Verfügung stellt, liegt noch brach. Im Frühjahr sollen Obst und Gemüse angebaut werden. Im Viertel gibt es eine Gruppe Ehrenamtlicher, die für Schulkinder Frühstück vorbereitet – der Klostergarten könnte Obst und Gemüse liefern. Überhaupt will man sich noch mehr für die Nachbarschaft engagieren. Dazu sind neben den offenen Türen und dem Garten weitere Projekte geplant, die in den nächsten Monaten entstehen.

Die Brauerei war anfangs eigentlich ein Scherz, könnte aber Geld bringen und für Aufmerksamkeit sorgen: Das „Kleiburg“-Bier gibt es derzeit in drei Sorten: Winterweizen, Doppelblond und Triple Ipa. Es wird in Cafés und Bars in Amsterdam ausgeschenkt und verkauft. 9000 Flaschen wurden bisher gebraut. Zurzeit kleben van den Akker und die anderen die Etiketten noch von Hand auf die braunen Flaschen. Das Interesse ist allerdings groß: Sie denken darüber nach, einen vierten Braukessel anzuschaffen. epd

Benjamin Dürr

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