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Wachgeküsst. Rund 300 Wohnungen sind in dem denkmalgeschützten Ensemble geplant.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neues Wohnprojekt: Frischer Wind in alten Gemäuern

Seit Jahren liegt das ehemalige DDR-Kinderheim Makarenko in Johannisthal brach. Jetzt will ein Würzburger Investor dort Wohnungen errichten.

„Das Heim, in das man mich brachte, ist das größte Kinderheim in Europa. Es liegt im Süden der Stadt Berlin (Ost) in einem Wald, der Königsheide“, schreibt Ursula Burkowski in ihrem 1992 erstmals erschienenen und 2011 neu aufgelegten Erinnerungsbuch „Weinen in der Dunkelheit“. „Von der Straße, der Südostallee, ist das Heim durch ein schmiedeeisernes Tor, verziert mit Eichhörnchen, zu betreten.“

Zu betreten ist das Areal heute nicht mehr. Doch das Bild, das sich in der Südostallee 134 im Ortsteil Johannisthal, etwa einen halben Kilometer westlich des S-Bahnhofs Schöneweide, bietet, ist ganz ähnlich wie damals, als die kleine Ursula in den 1950er Jahren nach Johannisthal kam. Und der Blick über das Tor lässt erkennen, dass die Anlage des ehemaligen Kinderheims Makarenko im Wesentlichen so erhalten geblieben ist, wie sie Burkowski schildert: „Der Hauptweg endet vor der Schule, die dem Tor genau gegenüber steht. Rechts und links des breiten Weges zweigen kleinere Wege zu den Wohnhäusern ab.“

Kinder allerdings halten sich hier schon lange nicht mehr auf. Stattdessen döst die denkmalgeschützte Anlage seit 15 Jahren weitgehend ungenutzt vor sich hin und wartet auf bessere Zeiten. Und die scheinen jetzt anzubrechen: Ein Investor hat sich einen Großteil des Ensembles gesichert und plant, an der Südostallee eine Wohnanlage zu schaffen.

Etwa 50 Millionen Euro will die Würzburger Hilpert-Gruppe am Rand der Königsheide investieren. Rund 300 Wohnungen mit einer Größe zwischen 50 und 120 Quadratmetern könnten in den denkmalgeschützten Bestandsgebäuden entstehen, sagt Firmenchef Wilhelm Hilpert. Hinzu sollen etwa 25 neu errichtete Reihenhäuser kommen. Die Wohnungen will er einzeln an Kapitalanleger verkaufen, die diese dann vermieten. Weil die Häuser unter Denkmalschutz stehen, winken den Käufern bei diesem Modell kräftige Steuervorteile. Der Kaufpreis lässt sich laut Hilpert noch nicht genau beziffern, dürfte aber zwischen 3000 und 4000 Euro pro Quadratmeter liegen. Die zu erwartende Miete beziffert er auf 7,50 bis 9,50 Euro pro Quadratmeter.

„Es ist traumhaft schön hier“, sagt Hilpert mit Blick auf das parkartige Areal mit seinen zahlreichen Bäumen. Die sollen stehen bleiben, versichert er. Das Grundstück ist autofrei konzipiert; die Bewohner werden an der Südostallee parken müssen. Ob der Wohnpark öffentlich zugänglich sein wird, ist noch nicht entschieden.

Auch mit weiteren Angaben zu Details der Planung hält sich der Investor zurück. Noch müssen zwei wichtige Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Bauarbeiter anrücken können. Bereits auf den Weg gebracht hat das Bezirksamt Treptow-Köpenick im März einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Parallel dazu muss auch der Flächennutzungsplan für das gut sechs Hektar große Areal geändert werden, wie Ulrike Zeidler, Leiterin des Stadtentwicklungsamts des Bezirks Treptow-Köpenick, erläutert. Der geltende Flächennutzungsplan definiert das Areal nämlich als „Gemeinbedarfsfläche mit hohem Grünanteil“; eine Wohnnutzung ist demnach nicht zulässig.

Investor Hilpert hofft, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan Mitte 2014 festgesetzt sein wird. Erst dann tritt der Kaufvertrag in Kraft. Mit den Bauarbeiten will er noch im Jahr 2014 beginnen, so dass im Frühjahr 2016 die Bewohner einziehen könnten.

Das Gesamtareal soll aus einer Hand entwickelt werden

Noch ist das Tor zugesperrt. Das dürfte sich bald ändern. Im Frühjahr 2016 sollen die neuen Bewohner einziehen.
Noch ist das Tor zugesperrt. Das dürfte sich bald ändern. Im Frühjahr 2016 sollen die neuen Bewohner einziehen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Der Bezirk begrüßt das Projekt: „Wir haben gute Erfahrungen mit dem Vorhabenträger gemacht“, sagt Ulrike Zeidler. Das Würzburger Unternehmen hat in Berlin unter anderem die ehemalige Zigarettenfabrik Garbáty in Pankow und Teile der ehemaligen Glanzfilmfabrik in Köpenick zu Wohnraum umgewandelt. Deutlich weniger erfreulich war für den Bezirk offenbar der Umgang mit der bisherigen Eigentümerin, einer Gesellschaft mit ausländischen Wurzeln, die das ehemalige Kinderheim 2008 vom Liegenschaftsfonds Berlin erworben hatte. Die Beziehungen zu diesem Unternehmen seien „unterentwickelt“ gewesen, formuliert es Zeidler.

„Wir sehen das Projekt insgesamt sehr positiv“, sagt auch Sabrina Knüppel, die Vorstandsvorsitzende des Vereins Königsheider Eichhörnchen, in dem sich ehemalige Heimkinder zusammengeschlossen haben. Bevor der neuerliche Verkauf des Grundstücks bekannt wurde, hatte sich der Verein dafür ausgesprochen, dort eine Begegnungsstätte einzurichten. Das aber wäre nur schwer zu finanzieren gewesen, räumt Knüppel ein. Wichtig sei, in geeigneter Form an die Geschichte des Ensembles zu erinnern – eine Forderung, für die sich der Investor nach eigenen Worten offen zeigt.

Nach Ansicht Knüppels ist es höchste Zeit, dass sich etwas tut, da die Bausubstanz unter dem langen Leerstand gelitten hat. „Feuchtigkeit ist ein großes Problem“, stellt sie fest. Bezirksamt und Investor sehen allerdings keinen Grund zur Beunruhigung: „Dafür, dass die Gebäude so lange leer stehen, sind sie in einem guten baulichen Zustand“, sagt Amtsleiterin Zeidler.

Neben der Schaffung des Planungs- und Baurechts steht dem Investor noch eine weitere knifflige Aufgabe bevor. Noch hat er sich nämlich nicht das ganze ehemalige Kinderheim gesichert. Das Haus V (Südostallee 132) verkaufte der Liegenschaftsfonds 2008 nicht, da es damals noch vom Bezirk genutzt wurde. „Es ist sinnvoll, das Gesamtareal aus einer Hand zu entwickeln“, halten Investor und Bezirk heute unisono fest. Allerdings darf der Liegenschaftsfonds das restliche Teilstück nicht einfach nach Gutdünken vergeben, wie Pressesprecherin Irina Dähne ausführt. Nötig für eine solche Direktvergabe ist nach ihren Worten ein Beschluss des (politisch besetzten) Steuerungsausschusses des Liegenschaftsfonds.

Doch ist es überhaupt moralisch vertretbar, ein ehemaliges DDR-Kinderheim in einen Wohnpark zu verwandeln? Immerhin zeichnet Hildigund Neubert, die Thüringer Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, in ihrem Vorwort zu Ursula Burkowskis Erinnerungsbuch ein düsteres Bild vom Leben im Kinderheim Makarenko: Das System der Kinderheime sei ein „Versuchslabor“ gewesen mit dem Ziel, „die vollwertige sozialistische Persönlichkeit zu schaffen“. Neubert spricht von „der kalten Realität dieses Vorzeigeheimes“, in dem „Eigensinn und Individualität gebrochen“ worden seien.

Doch ein geschlossener Jugendwerkhof wie in Torgau oder eine Strafanstalt war das Kinderheim Makarenko nicht. Die ehemaligen Heimkinder hätten sehr unterschiedliche Erinnerungen, berichtet die Vereinsvorsitzende Sabrina Knüppel, die selbst nicht im Kinderheim Makarenko lebte: „Für diejenigen, die aus einem behüteten Elternhaus kamen und deren Eltern in den Westen gegangen waren, war es natürlich schwierig. Aber andere, die zu Hause geschlagen wurden, sagen: ,Für mich war es die Rettung‘.“

Tatsächlich muss es auch gute Erinnerungen an die Zeit im Heim geben – jedenfalls, verrät Knüppel, „haben die ersten ehemaligen Heimkinder signalisiert, dass sie gern eine Wohnung in der Königsheide beziehen würden“.

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