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Immobilien: Nur wer teilen kann, findet mit anderen unter ein Dach Das Wohnungseigentumsgesetz ist vor sechzig Jahren in Kraft getreten

Nicht mehr zur Miete zu wohnen, sondern in den eigenen vier Wänden: Diesen Traum haben viele. Aber nicht jeder ist in der Lage, ein mit einer Wohnimmobilie bebautes Grundstück allein zu erwerben - gerade in größeren Städten, wo die Grundstückspreise höher sind als in ländlichen Gegenden.

Nicht mehr zur Miete zu wohnen, sondern in den eigenen vier Wänden: Diesen Traum haben viele. Aber nicht jeder ist in der Lage, ein mit einer Wohnimmobilie bebautes Grundstück allein zu erwerben - gerade in größeren Städten, wo die Grundstückspreise höher sind als in ländlichen Gegenden. 1951, in Zeiten drängender Wohnungsnot nach dem Krieg, wollte der Gesetzgeber mehr Menschen Zugang zum Immobilieneigentum eröffnen und führte deshalb mit dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) eine neue Form des Grundeigentums ein.

Die Aufteilung eines Grundstücks in Wohneigentum ermöglicht es, dass sich mehrere Parteien die durch Erwerb und Unterhalt bedingten Lasten teilen. Natürlich können mehrere Personen auch ohne eine solche Aufteilung zusammen Eigentümer eines bebauten Grundstücks sein. Ihre Eigentumsanteile sind dann aber bloße Quoten an der Immobilie, das Wohnungseigentum bezieht sich hingegen auf bestimmte räumlich abtrennbare Wohnungen.

Wenn viele Personen ein Gebäude gleichzeitig nutzen, das ihnen gemeinsam gehört, birgt das Raum für Konflikte. Des Wohnungseigentumsgesetz soll daher den Interessenausgleich zwischen den Eigentümern ermöglichen. Das Gemeinschaftseigentum wird von ihnen gemeinsam verwaltet. Gewöhnliche Verwaltungsmaßnahmen – etwa das Aufstellen einer Hausordnung, die Durchführung einer Dachreparatur oder die Ansparung einer Rücklage für Reparaturen („Instandhaltungsrückstellung“) - können sie mit einfacher Mehrheit beschließen.

Grundlegende Modernisierungsmaßnahmen konnten demgegenüber lange Zeit nur dann durchgeführt werden, wenn alle Eigentümer ihnen zugestimmt hatten. Der Gesetzgeber hat dies im Zuge der bislang einzigen größeren Reform des Wohnungseigentumsgesetzes 2007 geändert: Seither können Maßnahmen, die das Gebäude an den Stand der Technik anpassen sollen, zum Beispiel das Anbringen einer Wärmedämmfassade, schon von einer qualifizierten Mehrheit der Wohnungseigentümer beschlossen werden. Erforderlich ist die Zustimmung von drei Vierteln aller Eigentümer, die zugleich über mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile verfügen müssen. Die Kosten einer solchen Modernisierung sind dann von allen Eigentümern zu tragen, auch von denen, die dagegen gestimmt haben.

Auch den Verteilungsschlüssel, nach dem die Betriebskosten der Immobilie auf die Eigentümer umgelegt werden, können die Eigentümer seit der letzten Reform des Gesetzes durch Mehrheitsbeschluss ändern.

Die „Verfassung“ einer Eigentümergemeinschaft sind die sogenannte Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung. In beiden Regelwerken können vielfältige Nutzungsbestimmungen getroffen werden, die auch für spätere Erwerber von Wohnungen bindend sind, soweit sie ins Grundbuch eingetragen werden. Einer Wohneinheit kann beispielsweise ein Teil des Gartens ausschließlich zugeordnet werden. Ebenso kann in einer Wohneinheit eine gewerbliche Nutzung zugelassen werden, die allerdings im Einklang mit öffentlichen Vorschriften stehen muss. An den zahlreichen Streitigkeiten, die sich an solche gewerbliche Nutzungsregelungen anknüpfen können, vermochte auch das Reformgesetz nichts zu ändern. Sie sind darauf zurückzuführen, dass sich die wirtschaftliche Nutzung eines Gebäudes mit der Zeit ändern kann.

Es stellt sich dann die Frage, ob eine neue Nutzungsform noch von der Regelung in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung gedeckt ist. Die anderen Wohnungseigentümer eines Gebäudes haben nämlich einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass die dort festgeschriebenen Grenzen nicht überschritten werden. Werden zum Beispiel in der Teilungserklärung bestimmte Räume als Laden gewidmet, wird ihr Eigentümer dort kein Restaurant betreiben dürfen, bzw. sie an einen Restaurantbetreiber vermieten dürfen. Aber wie ist es, wenn in einem „Laden“ eine Kita, ein Gebetsraum oder ein Fitnesscenter eröffnet wird? Und kann eine Wohneinheit auch als Ferienwohnung an ständig wechselnde Touristen vermietet werden? Hierüber gibt es gegenwärtig in einigen Eigentümergemeinschaften in Berlin-Mitte Streit, wo sich die Dauerbewohner durch den pensionsartigen Betrieb in manchen Wohnungen gestört fühlen.

Auch in Anbetracht solcher Auseinandersetzungen hat sich das Wohnungseigentum in seiner sechzigjährigen Geschichte aber zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Heute soll es in Deutschland weit über sechs Millionen Eigentumswohnungen geben. Ihre Zahl wird aller Voraussicht nach trotz Bevölkerungsrückgangs weiter zunehmen. In einer alternden Gesellschaft mit eher kleinen Haushalten, in der es wieder mehr Menschen aus den Speckgürteln der Städte in die Zentren zieht, besteht ein Bedarf an dieser urbanen Form des Immobilieneigentums. Das Wohnungseigentum verteilt Mühen und Kosten für den Unterhalt einer Immobilie auf mehrere Schultern. Und es bietet sich als Gestaltungsform auch für neue Wohnformen an wie Baugruppen und Mehrgenerationenhäuser.

Der Autor ist Vorsitzender Richter

am Landgericht Berlin.

Björn Retzlaff

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