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© Visualisierung: Promo/Graft

Ökohaus: Stampflehm trifft Solarmodul

Das Architekturbüro Graft entwickelt ein ökologisches Haus der neuesten Generation – zusammen mit einem Fertighausanbieter.

Diese zwei Partner scheinen nicht zusammenzupassen. Auf der einen Seite ein österreichischer Hersteller von Fertighäusern – und was gilt als architektonisch langweiliger und anspruchsloser als ein Fertighaus? Auf der anderen Seite das international erfolgreiche Architekturbüro Graft, das durch die Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Brad Pritt einen erheblichen Glamourfaktor aufweist. Und doch haben jetzt der österreichische Fertighausanbieter Griffner und Graft gemeinsam ein ökologisches Zweifamilienhaus mit höchsten Ansprüchen vorgestellt.

Die Idee zur Zusammenarbeit entstand in New Orleans, erzählt Graft-Partner Thomas Willemeit. Graft engagiert sich für den Wiederaufbau der vom Wirbelsturm Katrina zerstörten Stadt und sah sich deshalb mit der Frage konfrontiert, ob hochwertiges Bauen auch günstiges Bauen sein kann. „In New Orleans haben wir die Vorfabrizierung als Methode schätzen gelernt“, sagt Willemeit. Bei der Suche nach einem passenden Partner sei man dann schnell bei Griffner gelandet. Das Unternehmen aus Kärnten ist seit langem auf umweltgerechtes und energieeffizientes Bauen spezialisiert und hat zudem bereits früher mit namhaften Architekten zusammengearbeitet.

Das Ergebnis der Kooperation ist jetzt zu bestaunen – zwar noch nicht in der Realität, aber immerhin auf Visualisierungen. Es ist ein Zweifamilienhaus, das den Anspruch erhebt, architektonische Qualität mit Energieeffizienz und gesunden Materialien zu verbinden.

Der hohe energetische Standard ist hauptsächlich dem Einsatz erneuerbarer Energien zu verdanken. Nicht nur das Flachdach, sondern auch Ost-, Süd- und Westfassade sind mit Solarkollektoren bestückt. Hinzu kommen eine Wärmepumpe und die Wärmerückgewinnung über die Lüftung. Weil außerdem die vakuumgedämmte Fassade eine hervorragende Dämmung sicherstellt, wird im Prinzip keine konventionelle Heizung mit fossilen Energieträgern benötigt. Für die Fenster sehen die Planer ein spezielles Glas vor, das sich auf Knopfdruck blau verfärbt – mit der Folge, dass die Sonnenstrahlen die Wohnung im Sommer nicht zu sehr aufheizen. Selbst Regenwasser lässt sich in einer Zisterne speichern und für die Gartenbewässerung und die Toilettenspülung verwenden.

Das alles ist zwar nicht gerade Standard, aber auch nicht völlig ungewöhnlich. Was das Besondere am Hauskonzept von Graft ausmacht, ist die Verknüpfung der energetischen Effizienz mit einer hohen Raumluftqualität. „Wir leben in Häusern mit sehr ungesunder Raumluft“, gibt Architekt Willemeit zu bedenken. Deshalb arbeiten die Architekten mit Wänden aus Stampflehm, einem schon in der Antike gebräuchlichen Material, das auf natürliche Weise eine angenehme Luftfeuchtigkeit gewährleistet. Auf dem Fußboden wird ein spezieller Teppich verlegt, der den Feinstaub bindet und sich trotzdem problemlos mit dem Staubsauger reinigen lässt. Und für die Fassade ist eine Holzkonstruktion vorgesehen. Denn, so Thomas Lenzinger, Vorstandsvorsitzender von Griffner Haus: „Wände aus Holz atmen, so dass in einem richtig gebauten Holzhaus die gesamte Zeit über eine wohlige Atmosphäre entsteht.“

Erarbeitet wurde der Entwurf als Wettbewerbsbeitrag für die Internationale Bauausstellung (IBA) Hamburg 2013. Die IBA schreibt mehrere Grundstücke in Hamburg-Wilhelmsburg für thematisch ausgerichtete Wohnungsbauvorhaben aus. Für eine dieser Kategorien („Smart Material Houses“) wollen Graft und Griffner ihren Beitrag leisten. „Kennzeichnend für Smart Material Houses“, beschreibt die IBA den Ansatz, „ist die intelligente Nutzung und Kombination von funktionalen und anpassungsfähigen Techniken, Materialien und Konstruktionen“ – also genau das, was Graft anstrebt.

Beim Prototyp des Zweifamilienhauses, der in Hamburg gebaut werden soll, gehen die Planer von einem großstadttypischen Grundstück von 510 Quadratmeter Größe aus. Trotzdem sind die beiden Wohnungen – die untere mit 165 Quadratmetern Wohnfläche, die obere mit 122 Quadratmetern – großzügig geplant. Der offene Wohnbereich umfasst zum Beispiel fast 90 Quadratmeter. Äußerlich hat das skulptural wirkende Gebäude rein gar nichts mit Fertighäusern aus dem Katalog zu tun. Seine dynamische Form ist nach Darstellung der Architekten aus dem spielerischen Umgang mit zwei gleich großen Quadern entstanden, die gleichsam gestapelt, komprimiert und verdreht werden.

Denkbar ist auch, das Haus als Einfamilienhaus oder in einer größeren Variante zu bauen. Denn es soll nicht nur auf dem IBA-Gelände in Hamburg realisiert, sondern auch normalen Häuslebauern angeboten werden. Der Preis steht allerdings nicht fest. Man sei noch in der Entwicklungsphase und strebe ein Preisniveau von unter 2500 Euro pro Quadratmeter an, heißt es bei Griffner – ohne Grundstück. Billig wird es also nicht; allein schon die Photovoltaik-Fassade sei sehr teuer, sagt Architekt Willemeit.

Seinen Worten zufolge wird sich das Haus künftig permanent weiterentwickeln. Eines Tages wird dann vielleicht sogar funktionieren, was derzeit in Kooperation mit dem Küchenhersteller Miele erst entwickelt wird: Die Projektpartner wollen die Abwärme von Backofen, Herd und Kühlschrank nutzen – und damit, so Willemeit, „die historische Bedeutung der Küche als Heizquelle im Haus wieder entdecken“.ch

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