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Die Rückseite der ehemaligen „Australischen Botschaft bei der DDR“. Die Strukturwände mit Kreuzsteinen stammen aus den Hedwig-Bollhagen-Werkstätten in Marwitz (Oberhavel) und finden sich noch auf der Freundschaftsinsel in Potsdam. Dort wurden die backsteinroten „Raumteiler“ 2013 aufwändig saniert.

©  Reinhart Bünger

Pankow: Neue Botschaft aus dem Plattenbau

Australiens Vertretung in der DDR steht vor dem Abriss – der Denkmalschutz zieht mit.

Die ehemalige Botschaft Australiens in der DDR könnte demnächst abgerissen werden. Der in der Grabbeallee in Pankow gelegene Plattenbau soll marode sein, eine Abrissanzeige dafür ist beim Bezirk eingegangen. Das Haus steht schließlich nicht unter Denkmalschutz, trotz der Kunst am Bau von Hedwig Bollhagen. Sollte es?

Zwischen Nordendstraße, Majakowskiring, Florastraße und Schönholzer Weg wurden zu DDR-Zeiten rund siebzig Gebäude als Botschaften, Residenzen, Wohnhäuser, Schulen oder Sportanlagen für Diplomaten genutzt, haben Heimatkundler vom Laubkolonistenverein „Alte Baumschule“ recherchiert. Heute wirkt die Gegend in Reichweite des Majakowskirings alles andere als mondän. Im Gebäude Grabbeallee 34 residierten die Gesandten Australiens. Inzwischen hat hier der Internetfernsehsender Tape.TV seine ständige Vertretung. Seit dem Kauf vor dreieinhalb Jahren habe sich das Gebäude als „Bauschadenssammlung“ herausgestellt, sagt Eigentümer Lars Dittrich, Vorsitzender des Aufsichtsrates bei Tape.TV und Partner im Beratungs- und Investmenthaus Gauly, Dittrich, Van de Weyer.

Eigentlich sei es sein Ziel gewesen, das Haus zu sanieren, sagt Dittrich. Beim Kauf sei bei ihm „viel Romantik“ im Spiel gewesen. Ständige Wassereinbrüche durch das Dach hätten ihn nach Gesprächen mit Architekten und Gutachtern dann aber – unter anderem – dazu bewogen, einen Abrissantrag zu stellen: „Das ist der Weg, den wir wirtschaftlich gehen werden“, sagt Dittrich. Über das „Danach“ gebe es bisher nur „Dialoge“. Eine Wohnbebauung liege durchaus im Bereich des Möglichen. Der nahe Majakowskiring – einst Wohnzentrum der politischen Nomenklatura in der DDR – gehört heute zu den hochpreisigsten Lagen in Berlin.

„Ich habe ein großes Herz für Bollhagen“

Das Gebäude – in weiten Teilen noch im Originalzustand – überzeugt mit der klaren moderne Formensprache des Platten-Typenbaus IHB III (Ingenieur-Hochbau Berlin), im Alltag auch Pankow III genannt. Viele andere Botschaftsgebäude sind in diesem Kiez nach den Entwürfen I bis III errichtet worden. Dennoch ist der ehemalige Botschaftsbau an der Grabbeallee etwas Besonders: Wegen der Kunst am Bau, die aus der Keramikwerkstatt von Hedwig Bollhagen stammt. Bollhagen (1907–2001) war eine deutsche Keramikerin der Moderne und Mitbegründerin der HB-Werkstätten für Keramik in Marwitz, die sie auch künstlerisch leitete. Wie ein Paravent umlaufen ihre Keramikwände in Stahlrahmen das Botschaftsgebäude.

„Ich habe ein großes Herz für Bollhagen“, sagt Dittrich. Ihre Keramiken würden „nicht auf den Müll kommen“, verspricht er, sondern der Hedwig Bollhagen Manufaktur übergeben. „Wenn Herr Dittrich das sagt, meint er das auch so“, sagt Volker Bosl, Geschäftsführer der Hedwig Bollhagen Manufaktur, der von der Abrissanzeige durch den Tagesspiegel erfahren hat. Er kennt Dittrich, ist aber überrascht.

Als typischen DDR-Botschaftsbau hält ein Anlieger dieses Gebäude für „absolut denkmalwürdig“. Aber es steht nicht unter Denkmalschutz. Ob der Landeskonservator vielleicht in letzter Minute noch eingreifen könnte, um die ehemalige australische Botschaft zu retten? Jens-Holger Kirchner, Pankows Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, sieht diese Chance zwar theoretisch. Praktisch aber sei sie „fast gleich null“. Vor der Unterschutzstellung stehe immer eine Gutachtenerörterung und ein Anhörung des Eigentümers, weil es dabei um einen Eingriff ins Eigentum gehe. „Der Eigentümer muss den Abriss nur anzeigen. Beginnen kann er schon in der kommenden Woche“, sagt Kirchner.

Energetische Sanierung sei „enorm aufwendig“

Ob ein Abriss nun „schlimm wäre oder nicht“, diese Debatte habe es kürzlich beim Thälmannpark im Prenzlauer Berg ja schon gegeben, als die dortigen Plattenbauhochhäuser unter Denkmalschutz gestellt wurden. „Da prallen die Meinungen wie Güterzüge aufeinander“, fasst Kirchner die Diskussion zusammen. Das Unverständnis, wie man die Plattenbauten als denkmalwürdig erachten könne, habe wohl auch mit dem zeitlichen Abstand zu tun, der die historische Einordnung beeinflusse. „Wir waren ja noch dabei, als sie gebaut wurden“, erinnert sich der Stadtrat.

Ob sie ästhetisch schön seien, spiele keine Rolle, das sei ohnehin dem Zeitgeist unterworfen. Auch die Mietskasernen aus der Gründerzeit habe man einst abgerissen. „Heute werden horrende Summen gezahlt, um in diesen Wohnungen zu leben“, sagt Jens-Holger Kirchner. „Kann sein, dass man in fünfzig Jahren auch die Plattenbauten aus der Spätzeit des Sozialismus schick findet.“ Einer Erhaltung der ehemaligen „Australischen Botschaft bei der DDR“, wie sie offiziell hieß, stehen aber auch die Anforderungen an eine energetische Sanierung entgegen, gibt Kirchner zu bedenken. Sie sei bei den nicht immer nachhaltigen Gebäuden aus den Siebzigern „enorm aufwendig“. Dieses Argument wirft auch Lars Dittrich in die Waagschale.

Für die übrigen Typengebäude aus dem ehemaligen Botschaftsviertel ist allerdings noch nicht aller Tage Abend. „Die Bedenken gegen den Abriss der australischen Botschaft hat das Landesdenkmalamt zurückgestellt“, sagt Petra Rohland, Pressesprecherin der übergeordneten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Das heißt aber nicht, dass nicht andere Gebäude in der Grabbeallee und in der Tschaikowskistraße unter Denkmalschutz gestellt werden.“ Manche sind ohnehin in privater Nutzung – wie die ehemalige Botschaft von Laos. Ein bis zwei andere Typenhäuser könnten nach Rohlands Aussage der Nachwelt erhalten bleiben. Dieses gehört allerdings nicht dazu.

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