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Das Stadion wird zum Stadtquartier. In Kaiserslautern sollen Teile der Flächen in und um die Sportarena auch außerhalb der Spielzeiten genutzt werden.

© Drees und Sommer SE

Plätze für Pläne: Wie Tegel und das Behrensufer von Fehlern profitieren könnten

Stadt- und Quartiersentwicklung gelingen mit einer konsensfähigen und klaren Projektphilosophie. Wer zu viel will, erreicht nichts.

Holzbau, Schwammstadt, Urban Farming, Geothermie, quartiersweit integrierte Energiekonzepte - es fehlt nicht an guten Absichten für die „Stadt der Zukunft“, unter der es Berlin kaum machen wird. Mit der Urban Tech Republic und dem Schumacher-Quartier im Nordwesten und dem Behrensufer im Südosten sind in Berlin zwei riesige Transformationsräume eröffnet, die das städtebauliche Gesicht der Stadt in den nächsten Jahren verändern werden. Sie bauen auf gewachsenen Strukturen auf - hier die Flughäfen Tegel- Süd „Otto Lilienthal“ und Tegel-Nord „Französisch-amerikanischer Militärflughafen“, dort der historische Industriegürtel entlang der Spree mit der von Peter Behrens im Auftrag der AEG errichteten Automobilfabrik. Für beide Zukunftsräume gibt es konkrete Pläne, in den nächsten Jahren jeweils nachhaltige und gemischt genutzte Quartiere mit tausenden Arbeitsplätzen zu schaffen.

Beide Modellprojekte sollen sich auf Innovationen des Städtebaus, der Planungskultur und der Infrastruktur konzentrieren. Wie innovativ sich Berlins Zukunft jenseits der Schlagworte jedoch ganz praktisch entwickelt, das ist die Frage.

Die Planung des "ULAP-Quartiers" zeigt, wie es nicht geht

Die Entwicklung des „ULAP-Quartiers“, so benannt nach dem ehemals dort ansässigen Universum Landes-Ausstellungs-Park im Ortsteil Moabit (Bezirk Mitte), zeigt beispielhaft, wie unmöglich es sein kann, alle städtebaulichen Ideale auf einem Areal zu realisieren. Die digitale Abschlusspräsentation der Entwürfe mehrerer Architekturbüros zur Umgestaltung des Quartiers am Berliner Hauptbahnhof liegt bereits vier Monate zurück - ohne dass sich aus dem Wettbewerbsverfahren, das in ein Bürgerbeteiligungsverfahren eingebettet ist, bereits ein städtebaulicher Rahmenplan herauskristallisiert hätte. Wer zu viel will, erreicht gar nichts - das gilt im Privaten wie im Politischen. „Die Planungsteams werden im ersten Quartal nächsten Jahres aufgefordert, ein Angebot abzugeben“, hieß es im Dezember 2021 aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Im Anschluss daran werde eines der Büros mit der Ausführung des Rahmenplans beauftragt - das war die zeitliche Perspektive. Es kam anders, wie so oft in Berlin: „Es zeigte sich, dass die präsentierten Ideen und Planungsansätze noch weiterer Ausarbeitung bedürfen“, teilte Ende März nun die AG.URBAN - ein Stadtplanungsbüro - im Namen der Senatsbauverwaltung mit. Sie betreut das Verfahren: „Daher wurde nach intensiver Abstimmung beschlossen, eine weitere Dialogrunde mit zwei der drei Teams durchzuführen, um die noch ungelösten Fragen dieser komplexen Aufgabenstellung in den Entwürfen ausarbeiten zu lassen.“ Hier sollen einmal mehr alle Fragen zugleich beantwortet werden. Auf vergleichsweise kleiner Fläche sollen ein Wohn- mit einem Bürostandort kombiniert werden, mit viel Grün, einem Lebensmittelmarkt und neuen Räumen für die Justizverwaltung - natürlich soll es hier urban und lebenswert zugehen, mit belebten Erdgeschosszonen - ohne Hochhausschluchten, aber doch in verdichteter Bauweise. Eine klare Zielvorgabe der Stadt scheint zu fehlen. Typisch?

Für eine grünere Stadtplanung sind klare Vorgaben wichtig

„Der Bau neuer Stadtquartiere ist sehr komplex“, sagt Jan Knikker, Partner und Leiter Strategy & Development beim angesehenen niederländischen Architekturbüro MVRDV (Rotterdam): „Wir müssen die Energie, den Transport, den Bau und die Menschen und die Lebensdauer zusammenbringen - das scheitert oft an irgendwelchen Sachen. Es gibt so unglaublich viele Hürden.“ Zunächst sollte man einen guten Plan haben und deshalb geht beim ULAP-Quartier zunächst einmal noch gar nicht los. „Wenn Städte oder Regierungen keine hohen Standards einführen, dann passiert auch viel weniger. Je mehr Freiheit man gibt, desto mehr Freiheit wird auch genommen“, sagt Knikker und weist indirekt darauf hin, dass Stadtplanung nicht allein Architekten und Investoren überlassen werden sollte.

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„Hier sind Politik und Verwaltung sowie Immobilienwirtschaft als Ermöglicher gefragt, die Weichen für zukunftsfähige Quartiere zu stellen“, heißt es in einem Papier („Sechs Empfehlungen für erfolgreiche Quartiere“) von Daniel Bormann, geschäftsführender Gesellschafter der Realace GmbH (Berlin), die für private und institutionelle Nutzer und Investoren Immobilienprojekte entwickelt. Stadt- und Quartiersentwicklung brauchen eine konsensfähige Projektphilosophie, lautet einer der Lehrsätze Bormanns. Und er beschreibt damit nachvollziehbar, warum es zum Beispiel bei der Entwicklung des RAW-Geländes in Friedrichshain, einem alternativen (Klein-)Gewerbequartier, langsam, aber stetig vorangeht, am Hauptbahnhof jedoch nicht. Dass sich im Zuge der Schädigung der Umwelt das Bild der Stadt zugunsten des Grüns wandeln muss, ist ohnehin unbestritten. Doch dies umzusetzen, setzt klare Vorgaben voraus.

„Wir sehen immer wieder, dass, wenn die Politik sich wirklich radikal entscheidet und nicht einfach den Investoren den roten Teppich auslegt, die Investoren dann wirklich Innovationen bringen können“, sagt Knikker. Wenn diese Vorgaben fehlen, entsteht ein Quartier wie das der Heidestraße, das partiell erst durch die Sprachgewalt von PR-Textern als besonders lebenswert „hochgejazzt“ wird: „Es begegnet dem Betrachter mit einer extravaganten, quasi unbearbeiteten Betonfassade und vertikal betonten Fensteröffnungen.“

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Zu guter Letzt ist es kaum möglich, die äußerst dynamische Situation des Ukrainekrieges mit ihren Einflüssen auf die vielen Parameter und Paradigmen von Stadtentwicklungs-, Wohnungs- und Klimaschutzpolitik zu erfassen. „Mit dem Ukrainekrieg haben wir gelernt, dass wir wirklich bessere Energiequellen brauchen“, sagt Knikker: „Ja, die Abhängigkeit von fossiler Energie, sie bedeutet auch eine geopolitische Abhängigkeit, die einfach nicht sehr günstig ist. Das ist vielleicht der positive Anreiz, um anzufangen.“ Die integrierte und nachhaltige Quartiersentwicklung wird in Zukunft nicht allein aus dem Blickwinkel des Klimawandels zu denken sein.

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