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Begehrt. Rund um den Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg gibt es so gut wie keinen Wohnraum mehr. Der Bezirk versucht, offen über künftigen Bedarf zu diskutieren.

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Prenzlauer Berg: Mut zur Baulücke

In Prenzlauer Berg wird es eng: Der Bezirk versucht, sinnvoll Wohnraum zu schaffen - das gibt manchmal Ärger.

Noch vor gar nicht langer Zeit klaffte an der Ecke Sredzki- und Rykestraße im Kollwitz-Kiez eine Baulücke. Heute steht hier ein modernes Atelierhaus mit schicken Wohnungen. Somit scheint nun auch das letzte freie Grundstück in Prenzlauer Berg verkauft und bebaut zu sein. Nachverdichtung unmöglich.

„Nicht ganz", meint Pankows Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). „Wir haben im Bezirk und vor allem in Prenzlauer Berg noch erhebliches Nachverdichtungspotenzial in den Dachgeschossen." Der Vorteil sei, dass für Dächer keine zusätzlichen Flächen versiegelt werden müssten. Allerdings bedeute ein Dachausbau in der Regel, dass auch ein Aufzug eingebaut wird, und das wiederum verursache höhere Mieten. „Man muss abwägen. Unsere Ressourcen müssen sinnvoll genutzt werden“, sagt Kirchner.

Das treffe auch auf andere Grundstücke in Prenzlauer Berg zu, die jenseits der bliebten Kieze rund um Kollwitz- und Helmholtzplatz und im Bötzowviertel neuen Wohnraum bieten, aber nicht unumstritten sind. Dazu zählen der ehemalige Güterbahnhof Greifswalder Straße und Flächen an der Michelangelostraße. Für letztere wurde gerade ein städtebaulicher Wettbewerb abgeschlossen. Der Gewinnerentwurf soll jetzt konkretisiert werden. Aber schon regt sich Unmut. Anwohner monieren das als lieblos bezeichnete Konzept und den Verlust von Parkplätzen. Gerade für ältere Bewohner der Häuser, die hier in den 50er und 70er Jahren errichten wurden, sei es wichtig, dass sie bis an die Haustür heranfahren können, um mobil zu bleiben.

Für die nächsten Jahre sind zehn Vorhaben in Planung

„Mittlerweile wird es im Bezirk eng. Da müssen wir abwägen zwischen Parkplätzen, Grünflächen, Wohnungsbau, Verkehrsinfrastruktur, Schulen und so weiter. Da können wir nicht nur Partikularinteressen gelten lassen", sagt Kirchner, der für seine klaren Worte bekannt ist. An der Conrad-Blenkle-Straße sei zum Beispiel ein Parkplatz im Gespräch. Das riesige Gelände werde in erster Linie zum Abstellen von Lkw genutzt. „Wäre doch eine gute Idee, hier Wohnungen zu bauen. Aber dann kommt direkt die Schulverwaltung und möchte hier eine neue Schule errichten. Aber brauchen wir hier die Schule? Was passiert mit dem Grundstück, wenn wir keinen Wohnraum bauen? Der Kampf um die Flächen ist eine große Herausforderung. Aber das macht richtig Spaß", sagt er.

Vielleicht entwickelt man auch den Mut, innovative Konzepte umzusetzen, die sich anpassen können, wenn sich der Bedarf ändert. „Schulen werden wie öffentliche Verwaltungen nur zwischen 8 und 16 Uhr genutzt. Zweidrittel der Zeit sind sie leer. Man könnte diese Ressourcen auch sinnvoller nutzen. Aber das scheitert dann meistens am Hausmeister", sagt Kirchner und schmunzelt. Es habe etwas mit Wollen zu tun, wie man mit Flächen umgeht.

Für die nächsten Jahre sind schon gut zehn Vorhaben in Planung, die 1900 neue Wohnungen im Bezirk schaffen sollen. An besagter Michelangelostraße in Prenzlauer Berg könnten laut Kirchner sogar bis zu 2000 neue Wohnungen entstehen. Am ehemaligen Güterbahnhof Greifswalder Straße sei ebenfalls Platz für mehrere Hundert Wohnungen. Und für den Ortsteil Pankow seien bereits 700 bis 900 Wohnungen in Planung. „Wir haben allein vergangenes Jahr 2400 Wohnungen genehmigt", sagt Kirchner. Darunter Projekte der Gesobau am Stiftsweg und in der Mendelstraße.

"Wir müssen alle ein bisschen enger zusammenrücken"

Begehrt. Rund um den Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg gibt es so gut wie keinen Wohnraum mehr. Der Bezirk versucht, offen über künftigen Bedarf zu diskutieren.
Begehrt. Rund um den Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg gibt es so gut wie keinen Wohnraum mehr. Der Bezirk versucht, offen über künftigen Bedarf zu diskutieren.

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„Wir bebauen jetzt vor allem Grundstücke im Bestand, kaufen aber auch Projekte als Teil unserer Neubau-Offensive an", sagt Kirsten Huthmann von der Gesobau. Der Spatenstich für die „Pankower Gärten" war im Juni 2014, für die „Thulestraße" im November. Insgesamt 207 Wohnungen entstehen hier bereits und dieses Jahr soll der Baustart für weitere 275 in Pankow und Weißensee sein, wobei Anwohner einer Nachverdichtung in der Gounodstraße kritisch gegenüberstehen. Sie sorgen sich um ihre Lebensqualität. Der Großbezirk Pankow ist und bleibt beliebt. Mit rund 380 000 Einwohnern und einem Zuwachs von zwölf Prozent seit dem Jahr 2000 ist er der einwohnerstärkste Bezirk. Prognostiziert sind weitere 16 Prozent bis 2030.

Zwar sind sich alle des zunehmenden Drucks auf dem Wohnungsmarkt bewusst und haben Angst vor Verdrängung, vor allem in Alt-Pankow und Prenzlauer Berg. Aber wenn es darum geht, Platz zu schaffen und gleichzeitig die Mieten in einem erträglichen Rahmen zu halten, sind wenige bereit mitzuziehen. Hier sind Politik und Wohnungswirtschaft gefordert. „Kleine Haushalte auf großem Wohnraum verschärfen die Situation zusätzlich", sagt Huthmann. „Wir müssen eben alle ein bisschen enger zusammenrücken, wenn jeder in der Innenstadt leben will."

Gleichzeitig müssen sich Neubauprojekte den Herausforderungen einer neuen Mobilität und einer alternden Gesellschaft stellen. Das bedeutet sich etwa mit Elektromobilität zu beschäftigen und eine entsprechende Infrastruktur bereitzustellen. Sei es Ladesäulen oder barrierefreie Fahrradkeller mit sicheren Stellplätzen für E-Bikes. „Wir müssen auch an neue Wohnmodelle denken, etwa an Mehr-Generationen-Wohnen. Wohnungen müssen trennbar oder zusammenlegbar sein, damit sie für jeden zu nutzen sind. Solche flexiblen Grundrisse auf Halde zu bauen, ist eine große Herausforderung", sagt Huthmann. Es sei eine Frage der Nachhaltigkeit und nicht von „Hauptsache billig".

"Walkability" macht urbane Quartiere lebenswert

Kirchner möchte auf die städtebaulichen Verbrechen der 90er Jahre vermeiden. Damals habe man der Not gehorchend auf städtebauliche Qualität verzichtet. Einstöckige „Einkaufskisten“ zur Nahversorgung seien passé. Dass solche Container keine Lösung sind, haben nun nicht nur Stadtplaner, sondern auch Einzelhändler erkannt. So wird sich der Rewe-Markt in der Pasteurstraße im Bötzowviertel künftig mit einer Baugruppe ein Haus zu teilen. Im Erd- und Kellergeschoss des siebenstöckigen Neubaus wird der Rewe einziehen, darüber entstehen rund 50 Wohnungen. Bis zur geplanten Fertigstellung Ende 2016 verkauft Rewe auf der grünen Wiese am Rande des Volksparks Friedrichshain in einer provisorischen Halle und bleibt so den Anwohnern erhalten.

Genau das macht viele Kieze im Bezirk so attraktiv. Kitas, Schulen, Spielplätze, Geschäfte, Gastronomie und öffentliche Verkehrsmittel sind zu Fuß zu erreichen. Außerdem sind in Remisen und Erdgeschossen Büros und Praxen entstanden. In der Choriner Straße hat man zudem schon vor Jahren leer stehende Läden in Büros für Kreative umgewandelt. „Walkability" nennen das Stadtplaner und wissen, dass diese Gehbarkeit urbane Quartiere lebenswert macht. Die Ortsteile Alt-Pankow und Prenzlauer Berg haben viel davon – das soll auch so bleiben.

Daher streitet sich Jens-Holger Kirchner leidenschaftlich mit Kurt Krieger über dessen Pläne für ein 40 Hektar großes Areal zwischen Berliner Straße und Prenzlauer Promenade – das Pankower Tor. Das riesige Filetgrundstück soll Platz bieten für 750 neue Wohnungen, zwei Schulen und einen Stadtplatz am S-Bahnhof Pankow. Aber Krieger plant dort auch ein Einkaufszentrum und einen „Möbel Höffner“. Kirchner spricht von städtebaulichen und architektonischen Herausforderungen. Er möchte ein traditionelles Einkaufszentrum vermeiden. Stattdessen: Moderner Städtebau.

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