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Immobilien: Profis sind gefragt

Die Immobilienbranche braucht qualifizierten Nachwuchs – im neuen Lehrjahr können sich Azubis erstmals spezialisieren

So richtig passen Bedeutung und Prestige noch immer nicht zusammen: Einerseits gibt es in Deutschland keinen größeren Vermögenswert als Immobilien: 85 Prozent des Nettoanlagevermögens sind Liegenschaften. Andererseits ist es der Branche noch nicht gelungen, sich von uralten Rückständen der Etiketten „unseriös“ oder „unqualifiziert“ zu befreien. Auch deshalb investiert die Zunft verstärkt in die eigene Professionalisierung – auch mit einem neuen Berufsbild, das Ende diesen Monats an den Start geht.

Wenn am 21. August das neue Ausbildungsjahr beginnt, ist das für die Immobilienbranche eine Premiere. Zum ersten Mal werden am Oberstufenzentrum Verkehr, Wohnungswirtschaft, Steuern in der Dudenstraße Immobilienkaufmänner und -frauen ausgebildet. Drei Jahre später können die künftigen Kaufleute vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) ihre Prüfungen ablegen. Der neue Beruf löst den Kaufmann für die Grundstücks- und Wohnungswirtschaft ab, der seit Anfang der 80er-Jahre den Nachwuchs für einen Wirtschaftszweig bildete, der in Berlin zumeist durch Familienbetriebe und Wohnungsbaugesellschaften geprägt war.

Lange war das Immobiliengeschäft eine Materie, die ohne solide Erstausbildung auszukommen schien, weil sich hier Tätigkeiten mit freiem Zugang bieten. Besonders das Maklergeschäft war ein Job für Seiteneinsteiger. Oder Junior rückte in den elterlichen Betrieb nach, und das nicht immer mit erfolgreich beendeter Ausbildung oder abgeschlossenem Studium. „Es gab wenig professionelle Handhabe“, resümiert Michael Schick, Pressereferent im Immobilienverband (IVD) Berlin-Brandenburg. Aber die Branche habe erkannt, dass sie „nicht mehr arbeiten kann wie vor 20 Jahren“, wenn sie den Ruch des Glücksrittertums abstreifen will.

Für die künftigen IHK-geprüften Immobilienkaufleute wurde der Ausbildungsplan nicht nur aktuellen Erfordernissen angepasst. Erstmals ist in der Erstausbildung eine Spezialisierung möglich. Aus fünf Modulen können die Azubis jetzt zwei auswählen; Maklergeschäfte, Wohnungseigentumsverwaltung, Gebäudemanagement, Bauprojektmanagement oder Steuerung und Kontrolle im Unternehmen. „Das ist der schwerste Ausbildungsberuf in Deutschland“, sagt Bernd Großkopf, Ausbildungsberater der IHK Berlin.

Entsprechend hoch ist die Abiturientenquote unter den Bewerbern. Sie werden Grundstücks-, Bau-, Miet- und Steuerrecht pauken müssen, Marktanalysen vornehmen, branchenspezifisches und kaufmännisches Wissen erwerben, Marketingstrategien entwickeln, Fachbegriffe in einer Fremdsprache und unternehmerisches Denken lernen. Neu ist auch der Baustein „kundenorientierte Kommunikation“. Großkopf rechnet damit, dass dieses Paket für Ausbildungsbetriebe so attraktiv sein wird, dass sie „mehr ausbilden werden als bisher“.

Damit scheint er richtig zu liegen, denn Experten beklagen seit Jahren einen Mangel an Fachkräften. „Spätestens in zehn Jahren werden wir Probleme haben, gute Leute zu bekommen, wenn wir nicht selbst qualifizierten Nachwuchs heranziehen“, sagt Personalreferentin Kerstin Behmeleit von der Maklerfirma Engel & Völkers in Hamburg. Ihre Erfahrung: „Unsere ehemaligen Azubis sind unsere besten Mitarbeiter.“

Neben neuen inhaltlichen Erfordernissen hat sich schlicht der Markt verändert. Die Zeiten, in denen Makler und Hausverwalter für jedes Objekt Interessenten fanden, sind vorbei. „Wir müssen uns entwickeln, wir hängen schließlich an der Nahrungskette“, sagt der Berliner Hausverwalter Ulrich Löhlein. „Neu ist, dass der Servicegedanke in den Verwaltungen eine größere Rolle spielt. Auch der Mieter ist Kunde.“ Und wegen der zunehmend ausländischen Investoren macht Löhleins Team gerade einen Englischkurs. Neue Qualifikationen braucht es auch, um moderne Gebäude zu betreuen; große Einkaufszentren oder Bauten wie das Sony-Center. Facility-Management heißt neudeutsch das „gehobene“ Gebäudemanagement, bei dem komplexe Betriebstechnik wie Klima- und Fahrstuhlanlagen versorgt werden müssen.

Gleich, an welcher Stelle: Die Immobilienwirtschaft braucht Personal mit Kompetenzen aus verschiedenen Fachbereichen. Dass besonders interdisziplinär ausgebildete Führungskräfte fehlen, haben auch Universitäten erkannt. So gibt es seit 2003 an der Universität Regensburg das Institut für Immobilienwirtschaft mit Lehrstühlen für Immobilienmanagement, -ökonomie, -finanzierung, -entwicklung und Immobilienrecht.

Die Universität Freiburg betreibt unter anderem in Kooperation mit dem IVD seit 1997 die Deutsche Immobilien-Akademie. Wie auch anderswo ist die Weiterbildung hier nicht billig. Für den berufsbegleitenden Studiengang Immobilienwirtschaft sind pro Semester 950 Euro fällig. Künftige Immobilien-Ökonomen, die ein Studium am Europäischen Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft aufnehmen, müssen gar 3500 Euro pro Semester ausgeben.

Die Nachfrage ist da – genauso wie bei den Weiterbildungsinstituten, denen die Immobilienbranche einen immer größeren Markt beschert. An Nachfrage mangelt es trotzdem nicht – die Professionalisierung des Immobiliengeschäftes hat ihren Markt.

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