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Projektentwicklung: Schöner wohnen in Schöneberg

In den attraktiven Ecken des Bezirks wird kräftig gebaut und saniert. Ein Besuch an Barbarossa-, Winterfeldt- und Viktoria-Luise-Platz.

Der Barbarossaplatz bietet alles, was man sich als Großstadtbewohner wünschen kann: eine zentrale Lage nur einige Gehminuten vom nächsten U-Bahnhof entfernt, Cafés und Restaurants in unmittelbarer Umgebung – und sogar eine Grünanlage um die Ecke, nämlich den Alice-Salomon-Park. Nur das wenig gepflegte Nachkriegsgebäude an der Ecke Barbarossa-/Eisenacher Straße will nicht so recht zur guten Lage passen: Die meisten Wohnungen stehen offensichtlich leer, und der Hof macht einen verwahrlosten Eindruck.

Das ist allerdings auch kein Wunder: Das Haus soll abgerissen werden. Die Projektentwicklungs-Tochter des Baukonzerns Hochtief will hier einen Neubau errichten – und hat damit eine Kontroverse um Aufwertung und Verdrängung ausgelöst, wie man sie bereits aus anderen Bezirken kennt. Hier werde „in der Gegend ohnehin schon zu knapper preisgünstiger Wohnraum zu Gunsten teurer Luxuswohnungen vernichtet“, kritisiert die Bürgerinitiative Barbarossastraße 59/60. „In dieser Gegend finden die Mieter zum gleichen Preis keine andere Wohnung“, sagt Fred Skroblin, Rechtsanwalt und Sprecher der Bürgerinitiative. Nach seinen Worten kosten die rund 30 Quadratmeter kleinen Wohnungen bei neueren Mietverträgen 265 Euro warm, bei älteren Kontrakten nur 200 Euro.

Da rechnet die Hochtief Projektentwicklung GmbH mit ganz anderen Beträgen: Laut Pressesprecherin Gabriele Stegers werden die an diesem Standort geplanten Eigentumswohnungen im Durchschnitt 3350 Euro pro Quadratmeter kosten. Entstehen sollen 79 Einheiten, und zwar nicht nur als Eigentums-, sondern – in diesem Segment eher ungewöhnlich – auch als Mietwohnungen. Derzeit läuft das Verfahren für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan; den Baubeginn stellt Stegers für Frühjahr 2011 in Aussicht.

Dass sich der Abriss des 1964 errichteten Wohngebäudes verhindern lässt, glaubt selbst Gegner Skroblin nicht. In seinen Augen steht das Hochtief-Vorhaben stellvertretend für die Aufwertung eines ganzen Stadtviertels: „Was sich in den Ostbezirken abgespielt hat und dann in Kreuzberg, hat jetzt auch den Schöneberger Kiez erreicht.“

Tatsächlich muss man nicht weit suchen, um weitere Neubau- und Sanierungsprojekte zu finden. Ganz in der Nähe des Barbarossaplatzes zum Beispiel, an der Goltzstraße 40b, wird bis Ende dieses Jahres eine Baulücke mit einem Neubau geschlossen. Die sechs Wohnungen zu Preisen zwischen 2700 und 3700 Euro pro Quadratmeter sind bereits alle verkauft, wie Oliver Paetsch von der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting GmbH sagt.

Das Maklerhaus ist für mehrere Investoren in Schöneberg tätig. So vermarktete es auch das Quartier Winterfeldt, einen zwischen Winterfeldtplatz und Martin-Luther-Straße gelegenen Neubau mit 58 Wohnungen. Ende dieses Jahres wird er fertig, und auch hier haben schon alle der bis zu 3660 Euro pro Quadratmeter teuren Einheiten einen Käufer gefunden. Demnächst bieten die Ziegert-Makler außerdem Lofts in einem Gründerzeit-Gewerbehof in der Eisenacher Straße 56 an. Wo früher eine Wäscherei und eine Druckerei arbeiteten, entstehen jetzt zwischen 70 und 200 Quadratmeter große Wohnungen – Quadratmeterpreis: 2200 bis 3200 Euro.

Alle diese Projekte bewegen sich damit deutlich über den Durchschnittspreisen, die Marktbeobachter für Schöneberg ermittelt haben. Der druckfrische Immobilienpreisservice des Maklerverbandes IVD Berlin-Brandenburg zum Beispiel nennt für Eigentumswohnungen im Gesamtbezirk Tempelhof-Schöneberg einen Schwerpunktpreis von 1800 Euro pro Quadratmeter in guter Lage und von 1200 Euro in einfacher bis mittlerer Lage. Der Wohnmarktreport des Wohnungsunternehmens GSW und des Maklerhauses CB Richard Ellis beziffert den mittleren Preis auf 1348 Euro. Dieser Report untersuchte auch die Miete, die Eigentümer im Jahr 2009 bei Neuvermietungen verlangten. Im Postleitzahlbezirk 10779 (Bayerischer Platz) betrug dieser Wert durchschnittlich 7,05 Euro pro Quadratmeter und im Bezirk 10777 (Viktoria-Luise- Platz) 7,44 Euro, im Norden Schönebergs (Postleitzahlbezirk 10783) dagegen nur 5,58 Euro.

Dabei geht die Tendenz nach oben. Nach einer Studie des Marktforschungsinstituts BulwienGesa gehört Schöneberg zu den Stadtteilen mit den höchsten Preissteigerungen in Berlin. Zwischen 2003 und 2009 stiegen demnach die Mieten für Neubauwohnungen um acht Prozent, die Kaufpreise sogar um 28 Prozent.

Dennoch kann Schöneberg nach Einschätzung von Andreas Habath, dem Leiter des Wertermittlungsausschusses des IVD, nicht mit den Berliner Boomkiezen mithalten. „Das Mietniveau am Viktoria-Luise-Platz kommt nicht an dasjenige von Friedrichshain-Kreuzberg heran“, sagt er und führt als Beleg eine Quadratmetermiete von sechs Euro in einem am Viktoria-Luise-Platz gelegenen, sanierten Wohnhaus an. Wer allerdings hofft, zu diesem Preis eine freie Wohnung in der Umgebung des Viktoria-Luise-Platzes zu finden, sieht sich beim Blick in die einschlägigen Immobilienportale im Internet schnell eines Besseren belehrt: Da verlangt zum Beispiel der Vermieter einer renovierungsbedürftigen Wohnung 9,30 Euro pro Quadratmeter, und für eine zugegebenermaßen sehr aufwendig sanierte Einheit werden gar 15 Euro fällig – plus Nebenkosten wohlgemerkt.

Irgendwie passen die hohen Mieten zur Geschichte des Standorts. Denn der Kiez um den im Jahr 1900 angelegten Viktoria-Luise-Platz war von Anfang an auf das wohlhabende Bürgertum zugeschnitten. Noch heute betrachten nicht nur eingefleischte Schöneberger den nach der einzigen Tochter von Kaiser Wilhelm II. benannten, teilweise von prachtvollen Gründerzeithäusern gesäumten Platz als einen der schönsten der Stadt.

Neubauten dagegen entstehen hier nur wenige – zum Beispiel an der Regensburger Straße/Ecke Bamberger Straße: Dort, unmittelbar an der Grenze zu Wilmersdorf, errichtet der Bauträger Egena derzeit ein Wohnhaus mit 27 bis zu 205 Quadratmeter großen Eigentumswohnungen. Aufzug, Parkett, Fußbodenheizung – alle Annehmlichkeiten sind vorhanden, haben freilich mit durchschnittlich 4400 Euro pro Quadratmeter auch ihren stolzen Preis.

Der Viktoria-Luise-Platz ist nicht der einzige Ort Schönebergs mit einer hohen Lebensqualität. Der Winterfeldtmarkt ist mit seinem Wochenmarkt weit über die Grenzen des Stadtteils hinaus bekannt, und Akazien-, Crelle- und Goltzstraße gehören mit ihrer Mischung aus unkonventionellen Läden, freundlichen Cafés und innovativen Gewerbebetrieben zu den beliebtesten Wohngegenden der Stadt.

Nicht ganz so begehrt ist die Gegend um den Innsbrucker Platz. Dafür kann man dort eines der interessantesten Immobilienprojekte Schönebergs betrachten: In der Vossbergstraße 3 wandelte das Immobilienunternehmen Magnat aus Frankfurt am Main ein ehemaliges Verwaltungsgebäude aus den 1950er Jahren in ein ungewöhnliches Wohnhaus um.

Architekt Markus Coelen konzipierte im sogenannten Palais Vossberg elf großzügige Wohnungen mit flexiblen Grundrissen, von denen sechs zu Preisen von um die 2700 Euro noch zum Verkauf stehen.

Das Projekt, das vor kurzem in einem von der Norddeutschen Landesbausparkasse ausgelobten Wettbewerb mit einem Sonderpreis ausgezeichnet wurde, spricht laut Steffen Knafla von Magnat vor allem kreative Menschen an – und zeigt darüber hinaus, dass Abriss keinswesg die einzige Option im Umgang mit dem eher unattraktiven Nachkriegsbestand sein muss.

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