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Beim Nachbarschaftstreff kommen Bewohner und Vermieter ins Gespräch.

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Senioren als Mieter: Von Badumbau bis Botendienst

Wohnungsunternehmen müssen sich auf ältere Mieter einstellen. Ein Berliner Verein hilft dabei.

In Gitta Lehrkes Alltag geht es gezwungenermaßen geruhsam zu. Bald feiert die Berlinerin ihren 83. Geburtstag. Das Laufen fällt ihr schwer. Den Haushalt meistert sie aber noch allein. „Ich will, so lange es geht, in meiner Wohnung bleiben“, sagt sie. Mit diesem Wunsch steht die Seniorin nicht allein da. Immer mehr Sozialarbeiter, Ehrenamtliche und Nachbarn kümmern sich um betagte Menschen, damit diese nicht so schnell in ein Altenheim umziehen müssen. Und auch Wohnungsunternehmen haben die Notwendigkeit erkannt, ihre in die Jahre gekommenen Mieter nicht allein zu lassen.

Um die Beine von Gitta Lehrke schleichen zwei ebenfalls betagte Katzen. Ihre Wohnung in Tempelhof liegt im zweiten Stock. „Die Treppen schaffe ich noch gut“, bekräftigt die 82-Jährige und trägt ihren Kaffee in die Wohnstube. Seit gut zwei Monaten empfängt sie regelmäßig Besuch. Ein jüngerer Mann aus der Nachbarschaft kommt zum Erzählen vorbei oder kauft ihr Mineralwasser ein. „Den Kasten kann ich nicht mehr tragen.“ Der Kontakt kam über den Berliner Verein „Freunde alter Menschen“ zustande, der Betagte in Alltagsfragen unterstützt und sie vor der Einsamkeit bewahrt.

Gitta Lehrke fühlt sich zwar nicht grundsätzlich einsam. Aber ohne Hilfe geht es nicht mehr. Seit geraumer Zeit bestellt sie Lebensmittel bei einem Supermarkt, der ihr die Ware nach Hause liefert. In der U-Bahnstation unweit von Lehrkes Wohnung wird dieser Service beworben. Die Wirtschaft hat sich längst auf die Bedürfnisse der älter werdenden Gesellschaft eingestellt und ermöglicht es Rentnern wie Gitta Lehrke, ihre Selbstständigkeit nicht so schnell aufgeben zu müssen.

„Immer mehr Menschen wollen dort alt werden, wo sie schon lange wohnen“, sagt der Geschäftsführer des Vereins „Freunde alter Menschen“, Klaus Pawletko. Das sei allerdings nicht immer möglich – entweder, weil Wohnungen nicht altersgerecht gebaut seien, oder weil es an entsprechenden Dienstleistungen zur Unterstützung im Alter fehle. Deshalb werde die Wohnungswirtschaft zunehmend mit der Situation ihrer alten Mieter konfrontiert und müsse Aufgaben übernehmen, die „eigentlich nicht in ihrer Kernkompetenz liegen“, stellt Pawletko fest.

Es sind kleine Dinge, die den Alltag belasten

Doch wie kommen Vermieter mit ihren betagten Mietern in Kontakt? „Die ältere Generation wartet lange, bevor sie überhaupt mit Sorgen und Nöten zu uns kommt“, weiß Jörg Wollenberg vom Vorstand der Berliner Baugenossenschaft aus Erfahrung. Seit 2006 unterhält sein Unternehmen mit dem Verein „Freunde alter Menschen“ einen Nachbarschaftstreff für ältere Berliner in Mariendorf, seit kurzem auch in Reinickendorf. Ziel ist es, ältere Menschen, deren Angehörige und Nachbarn zu beraten und zu unterstützen. Außerdem sind Senioren regelmäßig zu Veranstaltungen eingeladen. „Hierbei erfahren wir, wenn es zum Beispiel Probleme beim Einstieg in die Badewanne gibt“, erklärt Wollenberg.

Es seien viele kleine Dinge, die den Alltag belasteten. Abhilfe könne etwa durch Umbauten in den Wohnungen geschaffen werden. Gern würde Wollenberg auch eine Wohngemeinschaft für Demenzkranke unter seinen Mietern einrichten. Dafür könnten einige Wohnungen zu einer großen zusammengelegt werden. Doch es fehlt an frei werdenden Zimmern, weil die Nachfrage nach Wohnraum in der Hauptstadt so hoch ist.

Aus Pawletkos Sicht ist ein Umsteuern der Wohnungsunternehmen zu mehr Hilfe für Ältere auch aufgrund wirtschaftlicher Zwänge durch aktuellen oder drohenden Leerstand nötig – wenngleich dies auf andere Städte eher zutrifft als auf Berlin. Das Bundesfamilienministerium fördert daher Projekte, die sich darum kümmern, dass Betagte länger in ihrer gewohnten Umgebung leben können. So werden nach Angaben des Ministeriums bis 2016 bundesweit mehr als 300 Projekte über das Programm „Anlaufstellen für ältere Menschen“ unterstützt; knapp sieben Millionen Euro sollen fließen.

Die Förderung sei zunächst als eine Art Anschubfinanzierung gedacht. Das Familienministerium erhofft sich von den Projekten Ideen und Erfahrungen darüber, wie künftig möglichst viele Menschen wie Gitta Lehrke lange in den eigenen vier Wänden leben können. (epd)

Die BBA – Akademie der Immobilienwirtschaft in Berlin widmet dem Thema am 8. April die Tagung „Lebenslanges Wohnen 2014“ (www.bba-campus.de).

Christian Thiele

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