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Fehlende Wohnungen sind ein heißes Thema, wie diese Demonstration am 17. Juli zeigte.

© Christian Mang

Sonder-Afa: "Fehlentscheidung ersten Ranges"

Die Bundesregierung scheitert bei steuerlichen Anreizen für den Mietwohnungsbau. Uneinigkeit in der Großen Koalition über Mietobergrenze bedeuteten das Aus.

Die Bundesregierung ist diese Woche mit ihrem Vorhaben gescheitert, den Wohnungsbau mit steuerlichen Anreizen zu stimulieren. Wie kurz gemeldet, konnte sich die große Koalition nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

Geplant war, den Bau von preisgünstigen Mietwohnungen in Ballungszentren mit einer Sonderabschreibung von 29 Prozent der Baukosten über drei Jahre zu fördern. Das Bundesfinanzministerium hatte bereits steuerliche Mindereinnahmen in Höhe von zwei Milliarden Euro einkalkuliert.

Das von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) initiierte Vorhaben war harten Verhandlungen zwischen SPD und Union ausgesetzt gewesen, unter anderem, um die Förderung von Luxuswohnungen zu vermeiden. Für geförderten Wohnraum sollte eine Mietpreisgrenze festgelegt werden, forderte die SPD. Im Bundesrat hatten die Länder dafür gestimmt, die Obergrenze für die förderfähigen Baukosten zu senken. Fachleute hatten das Gesetztesvorhaben ebenfalls kritisiert.

"Halbjährige Hängepartie"

„Das ist eine Vollbremsung beim Mietwohnungsneubau“, kommentiert Andreas Ibel, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) und Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW), das Scheitern der Koalitionsgespräche. Deutschland leiste sich eine Investitionsbremse nach der anderen, ließ Ibel mitteilen: „Erst die Mietpreisbremse, dann die Diskussion um die Mieterhöhung nach Modernisierung und die Verlängerung des Betrachtungszeitraumes der Mietspiegel, als Nächstes überzogene Vorstellungen bezüglich der zukünftigen Neubauanforderungen und nun eine halbjährige Hängepartie um eine Sonderabschreibung mit Baukostenbegrenzung und Gebietskulisse.“ Ohne staatliche Impulse werde es keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt geben.

Die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Barbara Ettinger-Brinckmann, äußerte sich ähnlich: „Wir diskutieren nun schon seit Jahren darüber, welche Stellschrauben wir betätigen müssen, um den Wohnungsbau noch weiter anzuschieben. Das Mittel der Sonderabschreibung für ein bestimmtes Preis- und Kostensegment wäre sehr gut geeignet gewesen, um auch gerade private Bauherren zu motivieren, in den Bau der dringend benötigten Wohnungen zu investieren. Das ist eine wohnungsbaupolitische Fehlentscheidung ersten Ranges.“

"Zahnloser Papiertiger"

Weiterhin stehe die Frage im Raum, wie die Politik die fehlenden 360.000 bezahlbaren Wohnungen in Deutschland jährlich erreichen wolle. Wer das Stimulans der Sonderabschreibung nicht wolle, müsse Alternativen nennen, sagte Ettinger-Brinckmann.

„Mit dem Aus der steuerlichen Förderung des Wohnungsneubaus hat die Koalition den Menschen, die in den Ballungsgebieten eine Wohnung suchen, einen Bärendienst erwiesen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, Felix Pakleppa. Das Verbändebündnis Wohnen bezeichnete das Scheitern der Sonder-AfA zur Förderung des Mietwohnungsbaus gar als „Desaster“ und „politisches Armutszeugnis und für den Mietwohnungsneubau“.

Positiv äußerte sich Andreas Mattner, Präsident des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss: „Wir begrüßen den Schritt der Union, nicht auf eine solche drastische Absenkung (der Bemessungsgrundlage, die Red.) einzugehen. Die geplante Sonderabschreibung hätte aus Sicht der Immobilienwirtschaft nur ihre Wirkung erzielen können, wenn die Bemessungsgrundlage auch die wirtschaftliche Praxis abbildet. Für die Zukunft ist es besser, über praxistaugliche Anreize zu diskutieren, statt zahnlose Papiertiger zu entwickeln.“

Die Regierungsfraktionen seien nun aufgefordert, in der Sommerpause einen tragfähigen Kompromiss für die Sonderabschreibung zu finden und umzusetzen.

Das sagen Politiker zu der Frage, wie es jetzt weitergehen soll: Marie-Luise Dött (CDU)

Marie-Luise Dött, umwelt- und baupolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Marie-Luise Dött, umwelt- und baupolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

© promo

Woran ist die Sonder-Afa gescheitert?

Gescheitert ist sie noch nicht. Wir setzen darauf, dass die Bauministerin ihre Fraktion überzeugt, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung stimmig und sachgerecht ist. Es wäre ein Fehler, ihn mit Vorgaben zum Mietpreis zu verknüpfen.

Die Koalition war sich einig, dass die Mietpreisbremse nicht für den Neubau gelten soll. Da werden wir sie auch nicht durch die Hintertür einführen. Preisbindung gibt es für neu geschaffenen Sozialwohnraum. Hier wurden die Mittel verdoppelt. Wir wollen auch steuerliche Investitionsanreize zugunsten von Wohnraum für Normalverdiener, die keinen Anspruch auf Sozialwohnraum haben.

Gibt es noch Kompromissvorstellungen und können Sie sich eine Wiederbelebung bis zur Bundestagswahl 2017 vorstellen?

Sicher. Die Union hat Angebote gemacht. Die steuerliche Förderung gehört zum Gesamtpaket der Vorschläge des Bündnisses für Wohnen, einem Lieblingsprojekt der Bundesbauministerin. Und auf die vollständige Umsetzung aller von der Bundesregierung übernommenen Vorschläge werden wir drängen, auch wenn sie uns insgesamt zu wenig sind.

Die SPD macht Rosinenpickerei und setzt nur das um, was in ihr ideologisches Weltbild passt. Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind drängend. Wirklich angehen können wir sie nur, wenn wir alle sinnvollen Instrumente nutzen. Dazu gehört die steuerliche Förderung an erster Stelle.

Sehen Sie andere Möglichkeiten der Förderung, etwa eine Investitionszulage oder die Anhebung der Normalabschreibung von bisher 2 auf 3 oder mehr Prozent?

Baupolitisch stehe ich einer Anhebung der Normalabschreibung sehr aufgeschlossen gegenüber. Das ist überfällig, weil es die tatsächlichen Kosten auf dem Bau abbilden würde. Außerdem wäre das nachhaltiger als eine zeitlich begrenzte Sonderabschreibung. Eine von den Ländern mitfinanzierte Investitionszulage als weitere Option neben der steuerlichen Förderung ist ebenso denkbar.

Warum vertraut die Politik nicht auf den Markt und verzichtet auf Impulse?

Die bezahlbare Wohnung gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Da gibt es keine Verzichtsmöglichkeit. Auf ein Auto oder eine teure Urlaubsreise kann ich verzichten, wenn ich nicht ausreichend Geld habe. Auf ein Dach über dem Kopf dagegen nicht. Der Markt allein schafft derzeit nicht genügend bezahlbares Angebot. Darum unterstützt der Staat in einer Sozialen Marktwirtschaft die Angebots- und die Nachfrageseite auf dem Wohnungsmarkt. Mit einer Förderung sollen Investoren gelockt werden, mehr Wohnungen zu bauen. Mit Wohngeld und anderen Sozialleistungen wird den sozial schwachen Bürgern bei der Finanzierung der Miete geholfen.

Das sagen Politiker zu der Frage, wie es jetzt weitergehen soll: Michael Groß (SPD)

Michael Groß, wohnungs- und baupolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion.
Michael Groß, wohnungs- und baupolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion.

© SPD Bundestagsfraktion/(Susie Knoll/Florian Jänicke

Woran ist die Sonder-Afa gescheitert?

Die Regierungsparteien konnten sich nicht einigen, nachdem SPD-Parlamentarier eine Mietobergrenze für geförderten Wohnraum gefordert hatten, die sich an der örtlichen Vergleichsmiete orientieren sollte. Da hat sich die Union nicht bewegt.

Auch ich hätte eine Mietobergrenze sehr begrüßt. Daten des Instituts Empirica haben ja gerade erst ergeben, dass nur fünf Prozent der Mietwohnungen, die private Bauherren errichten, bezahlbar sind. Wobei als bezahlbar gilt, wenn ein durchschnittlicher Haushalt höchstens 30 Prozent seines Einkommens für die Kaltmiete zahlen muss.

Eine Förderung in der Form, wie die Union sie wollte, wäre da nicht zielführend gewesen. Denn die Investoren hätten nur sicherstellen müssen, dass die Wohnungen zehn Jahre lang vermietet werden. Die Mieten hätten auch 15 Euro pro Quadratmeter betragen können.

Und es wäre fraglich gewesen, ob tatsächlich Sickerungseffekte eingetreten wäre. Die steuerliche Förderung setzte ja voraus, dass Familien aus der Mittelschicht in teurere Wohnungen umziehen und eine Umzugskette in Gang kommt. Die Umzugsquoten sinken aber und das zeigt, dass das so nicht funktioniert hätte, jedenfalls nicht in der Fläche.

Gibt es noch Kompromissvorstellungen und können Sie sich eine Wiederbelebung der Sonderabschreibung bis zur Bundestagswahl 2017 vorstellen?

Solche Hoffnungen könnten zu Attentismus führen. Aber eine Investitionszulage wäre eine mögliche Alternative.

Verbilligte Kredite sind ja zurzeit wegen des Zinsniveaus nicht interessant. NRW zahlt jetzt Tilgungszuschüsse. Das Land hat die Bundesmittel aus der sozialen Wohnraumförderung auf eine Milliarde Euro aufgestockt und hat damit einen ziemlich starken Hebel, um Wohnungsbau anzureizen.

Wir müssen auch überlegen, ob Bund, Länder und Kommunen nicht selbst wieder als Bauträger einsteigen.

Wir müssen außerdem die Baukosten senken – beziehungsweise wenn sie stabilisiert werden könnten, wäre das schon gut. Deshalb darf die Energieeinsparverordnung nicht weiter verschärft werden.

Und wir müssen eine innerstädtische Verdichtung ermöglichen. Bauland ist ein großer Kostentreiber und wir müssen durch städtebauliche Instrumente dafür sorgen, dass die Bodenpreise nicht ins Uferlose steigen.

Warum vertraut die Politik nicht auf den Markt und verzichtet auf Impulse?

Es gibt ein Marktversagen in dem Sinne, dass die Mieten schneller steigen als die Einkommen und es zu wenig bezahlbare Angebote gibt. Da Wohnen Daseinsvorsorge ist, sind Bund und Länder in der Pflicht, korrektiv einzusteigen.

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