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Immobilien: Sozialämter verlassen sich auf die Erfahrungen der Mitarbeiter

Bislang nur Einzelfälle falscher Mieterhöhungsbegehren in BerlinVON ANDREAS LOHSE Mieter ohne ausreichendes Einkommen können beim Sozialamt "Hilfe zum Lebensunterhalt" beantragen.Sozialhilfe wird auch für die Kosten einer angemessenen Unterkunft gewährt.

Bislang nur Einzelfälle falscher Mieterhöhungsbegehren in BerlinVON ANDREAS LOHSE Mieter ohne ausreichendes Einkommen können beim Sozialamt "Hilfe zum Lebensunterhalt" beantragen.Sozialhilfe wird auch für die Kosten einer angemessenen Unterkunft gewährt.Gleichwohl: "Die Ämter zahlen häufig überhöhte Mieten und falsche Nebenkostenabrechnungen, ohne ausreichend zu prüfen, ob die Forderungen rechtmäßig sind", weiß der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Franz-Georg Rips.Er vermutet, daß dadurch jährlich bundesweit "ein Schaden in Höhe einer dreistelligen Millionensumme" entsteht. Grundlage dieser Schätzung ist eine Überprüfung von Wohnungskosten durch den Mieterverein in Köln: 70 Prozent der Mieterhöhungsbegehren seien falsch oder unberechtigt, jede zweite Nebenkostenabrechnung sei zu beanstanden gewesen."Schon der Mietzins vor dem Erhöhungsbegehren entsprach oft nicht der ortsüblichen Vergleichsmiete." Bevor die Wohnungskosten durch die Sozialämter übernommen werden, sei zwar eine Prüfung vorgeschrieben.Die werde jedoch aufgrund der dünnen Personaldecke in den Sozialämtern nur stichprobenartig durchgeführt.Den Sachbearbeitern fehle häufig "die nötige Kenntnis mietrechtlicher Vorschriften", heißt es beim DMB. Auch in Berlin seien die meisten Sozialämter "heillos überfordert, eine Mieterhöhung hinsichtlich ihrer preisrechtlichen Relevanz zu prüfen", meint der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter.Die Sachbearbeiter akzeptierten "jede Miete, solange sie angemessen ist"."Angemessen" sei eine Miete beispielsweise in den westlichen Bezirken für Ein-Personen-Haushalte bis zu einer Höhe von 13,86 Mark pro Quadratmeter.Maximal übernehme das Sozialamt 624 Mark für die gesamte Wohnung.Bei Haushalten mit fünf Personen liege der Richtwert bei 11,99 Mark (maximal 1136 Mark). Die Sachbearbeiter haben zwar hinsichtlich der Miethöhe einen kleinen Ermessensspielraum.Geprüft werde allerdings nur, ob sich die Wohnungskosten im Rahmen dieser Vorgaben bewegten."Inwiefern eine Mieterhöhung gesetzlich überhaupt zulässig ist, wurde nie geprüft", erinnert sich ein ehemaliger Mitarbeiter eines Sozialamtes.Denn überall mangele es an Zeit, Kompetenz und Personal. Allein im Sozialamt Kreuzberg beispielsweise fehlen 20 Stellen für Sachbearbeiter; der Stellenschlüssel beruht noch auf den Daten des Jahres 1992: Seinerzeit war die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Vergleich zu heute geringer.Gleichwohl ist die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer hinsichtlich des Erkennens falscher Mieterhöhungen in ihrem Bezirk zuversichtlich.Sie baut auf "das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter".Erscheine eine Mietforderung ungewöhnlich hoch und lägen beispielsweise "einschlägige Erfahrungen mit einem bestimmten Vermieter vor", würden die Anspruchsberechtigten zunächst zur Rechtsberatung des Bezirks geschickt, bevor das Sozialamt die Miete übernehme.Ingeborg Junge-Reyer: "Ich glaube zwar nicht, daß alle ungerechtfertigten Erhöhungen erkannt werden - aber sicherlich die meisten." In der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sieht man hinsichtlich falscher Mieterhöhungen, die von den Sozialämter übernommen würden, bislang kein Problem."Nach meiner Erfahrung kann man die gelegentlich bekannt gewordenen Einzelfälle nicht generell hochrechnen", meint der zuständige Referatsleiter Sander.Erkenntnisse darüber, daß sich Vermieter versuchten, auf Kosten der Sozialämter finanziell zu sanieren, gebe es nicht.Sander: "Das hat für Berlin kaum Relevanz." Eine Zusammenarbeit zwischen Kommune und DMB, wie sie in rund einem Dutzend Städte praktiziert wird, bewertet man in Berlin eher zurückhaltend.Um etwaigen falschen Mieterhöhungsbegehren auf die Spur zu kommen, übernimmt beispielsweise die Stadt Köln für Sozialhilfeempfänger bis zu zwei Jahresbeiträge des örtlichen Mietervereins, der die Mieten und Mieterhöhungen hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit überprüft.DMB-Direktor Rips: "Das spart Geld und die Sachbearbeiter im Sozialamt können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren."

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