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Zukunftsvisionen für lebenswerte Städte von morgen hat Mary Mattingly.

© T. Craig Sinclair

Stadt der Zukunft: Wenn Esswälder auf dem Wasser wurzeln

Die New Yorkerin Mary Mattingly will eine schwimmende Parkanlage auf Kiel legen. Dort soll es satt zu essen geben.

Ende Juni geht in New York ein begrünter Kahn auf Jungfernfahrt. Dabei handelt es sich nicht um eine triviale Barkasse, sondern um „Swale“ – einen schwimmenden, essbaren Wald. Initiiert wurde das Ökoprojekt von der New Yorker Künstlerin Mary Mattingly. Im Tagesspiegel-Interview mit Tong-Jin Smith spricht sie über die Bedeutung von Wasser, öffentlichem Raum und gesunder Ernährung für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Mary Mattingly bei einem Empfang der Skowhegan School of Painting and Sculpture.
Mary Mattingly bei einem Empfang der Skowhegan School of Painting and Sculpture.

© Picture Alliance/AP/Sylvain

Wir leben in einer Zeit der rapiden Urbanisierung. Wir verlieren den Bezug zur Natur und zu unserem Essen. Wie kann „Swale“ das verändern?

Ich glaube, es ist wichtig, in der Stadt mehr ineinandergreifende Flächen zu kreieren. Diese Räume können den Bedürfnissen der Menschen und Tiere in der Stadt besser gerecht werden. Mit „Swale“ arbeiten wir für mehr essbare öffentliche Flächen mit dem größeren Ziel, gesundes Essen zum grundsätzlichen Menschenrecht aufzuwerten, anstatt es als teure Handelsware zu betrachten.

Wasser stellt in New York die größte öffentliche Fläche dar und verlangt geradezu danach, kollaborativ genutzt zu werden. Wie nutzen Sie das Wasser für „Swale“?

Wir nutzen das Flusswasser als Transportmittel, wir können es auch reinigen und als Back-up für unsere Pflanzen an Bord nutzen. Dafür nutzen wir einen langsamen Entsalzungs- und Reinigungsprozess, um das Wasser für den Einsatz in der Lebensmittelherstellung aufzubereiten. Wir hoffen damit die Botschaft zu senden, dass Wasser auf verschiedene Arten gesäubert werden kann, und dass nicht alle teuer oder energieintensiv sein müssen, und auch dass wir es mehr teilen und regenerieren müssen. Wir wollen das Wasser als Allmende bekräftigen - also als Gemeineigentum - und darauf hinarbeiten, dass Essen ebenfalls zur Allmende wird.

Noch ist es nur eine Fotomontage, aber bald geht die "Swale" auf Jungfernfahrt.
Noch ist es nur eine Fotomontage, aber bald geht die "Swale" auf Jungfernfahrt.

© Mary Mattingly

Vor einigen Jahren haben Sie gemeinsam mit Freunden das Projekt „Waterpod“ realisiert, ein autarkes, schwimmendes Biotop. Welche Erfahrungen daraus fließen in „Swale“?

Waterpod war ein schwimmendes Ökosystem und ein öffentlicher Raum unter einem großen geodätischen Dach auf einem Kahn. Ich habe mit vier Freunden fünf Monate lang auf dem Wasser gelebt. Mithilfe vieler Partner in New York haben wir vier große Gärten betrieben, von denen wir gegessen haben. Wir haben Solarenergie genutzt  Regenwasser gesammelt, gereinigt, verwendet und wiederverwendet und die Eier unserer Hühner gegessen. Die meiste Zeit haben wir damit verbracht, zu gärtnern und Besucher zu bewirten. Im Gegensatz zu „Waterpod“ wird niemand auf „Swale“ leben, es ist wirklich für alle. Es ist aber schwierig zu sagen, wie viele Menschen es versorgen kann. Es kommt auf die Saison an, und wie viel Essen die Leute pflücken. Esswälder vergleichbarer Größe können über einen Zeitraum von sechs Monaten etwa 5000 Pfund Lebensmittel liefern.

Pflanzplan für das Boot.
Pflanzplan für das Boot.

© Mary Mattingly

Warum sind öffentliche Esswälder wichtig für Städte wie New York, Kairo oder Berlin?

Supermärkte sollten in Bezug auf Lebensmittel kein Monopol haben und Esswälder sind eine extrem vitale Art, Lebensmittel anzubauen. Sie benötigen weniger Energie und Kapital als das jährliche Aussähen. Diese Mischkulturen erzeugen gesündere Böden, die Pflanzen wachsen jedes Jahr stärker nach, ohne dass man neu pflanzen muss, sie bieten Räume für Bestäuber - die Liste der Vorteile ist lang. Wir glauben wirklich, dass diese Räume an so vielen Orten wie möglich existieren sollten. Die Stadt New York fokussiert derzeit auf Resilienz, insofern ist es gerade jetzt wichtig, lokale Initiativen in diesem Rahmen zu stärken. „Swale“ ist weniger eine finanzielle Lösung als ein Vorschlag für mehr Integration auf Flächen dieser Art an Land. Allerdings, in Anbetracht des Flächenmangels in New York könnte Wasser für Esswälder ein relevanter Ort sein.

Mitesser willkommen: So ähnlich soll die bewachsene "Swale" aussehen.
Mitesser willkommen: So ähnlich soll die bewachsene "Swale" aussehen.

© Mary Mattingly

Wenn es um nachhaltige Stadtentwicklung geht, spricht man oft nur über Energieeinsparungen. Dabei sind soziale Aspekte ebenso wichtig. Was wäre, wenn Esswälder und -gärten öffentliche Orte wären?

Das fragen wir uns mit diesem Projekt auch. Die Diskussionen in Bezug auf nachhaltige Entwicklung sind kurzsichtig. Ein kluges Design ist gemeinschaftsorientiert und nicht mit neuen Gebäuden verbunden. Tatsächlich können nur wenige neue Bauten dem Prinzip der Nachhaltigkeit gerecht werden. Wenn man aufhören will, dem Begriff ein grünes Mäntelchen umzuhängen, muss man überlegen: Wer und was soll erhalten werden und wie kann unsere Arbeit dazu beitragen? Natürlich, je mehr Grünflächen wir haben, desto mehr können wir den Klimawandel zügeln, unsere Flüsse schützen und wir haben ein ausgeglicheneres Ökosystem.

Schüler der Parson's School of Design bauten ein Grauwasserfiltersystem für das Boot.
Schüler der Parson's School of Design bauten ein Grauwasserfiltersystem für das Boot.

© Mary Mattingly

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