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Luckenwalde. Vielfältige Architektur spiegelt die Geschichte der einstigen Tuchmacherstadt wieder. 

© imago/Rainer Weisflog

Stadtentwicklung: Luckenwalde als Berlins Neustadt

Die Hauptstadt könnte bei der Neuplanung von Siedlungen vor ihren Toren auf Regionalstädte setzen.

Die Urbanisierung nimmt weltweit zu. Die Planung wachsender Städte ist damit ein drängendes Thema, gerade in Berlin: Wie könnten, wie sollten Berlin und das Umland der Hauptstadt im Jahre 2050 aussehen?

Die gemeinsame Landesplanung von Berlin und Brandenburg im Rahmen des Landesentwicklungsplanes Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (LEP HR) – er soll 2019 in Kraft treten – sieht die vornehmliche Siedlungsentwicklung entlang der Verkehrsachsen von und nach Berlin vor. Wie könnte das aussehen? Ungeplante – eher zufällig auf Freiflächen entstehende – Neubausiedlungen in Gestalt von Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern dürften Rückwirkungen auf die gesamte regionale Struktur und Raumorganisation haben.

Impliziert der Begriff „Siedlung“ nicht schon ein flächenverschlingendes Netz aus Häusern, der es an städtischer Infrastruktur und öffentlichen Räumen fehlt?

In Hamburg wird das Achsenmodell seit 1969 verfolgt. Ähnlich soll sich nun das Berliner Umland in Zukunft entwickeln und sich damit auf Siedlungsbänder konzentrieren. Die Freiflächen zwischen den Achsen als Kultur- und Landschaftsräume sollen von einer Besiedlung freigehalten werden.

Nachhaltige Siedlungsentwicklung braucht Raumordnung

Es ist schon heute zu erkennen, dass die Realisierung des Achsenkonzeptes insbesondere im Süden von Berlin an seine Grenzen stößt. Im Dreieck Berlin/Potsdam/BBI Schönefeld konzentriert sich nämlich die gegenwärtige Flächennachfrage in einem so hohen Maße, dass es die Stadtentwicklung vor Probleme stellt. Eine gleichmäßige Landesentwicklung – wiewohl gewünscht – ist hier offensichtlich nicht durchsetzbar.

Um jene Fehlentwicklungen anderer Städte zu vermeiden, die sie am liebsten wieder revidieren würden, sind Konzepte gefragt, die die sich ankündigenden gesellschaftlichen Veränderungen berücksichtigen und das Nutzungswissen anderer Metropolräume aufnehmen.

Für wildwüchsige Strukturen gibt es in Fachkreisen viele Bezeichnungen: „Zwischenstadt“, „Mehrstadt“, „Suburbia“, „Periurbaner Raum“. Sie alle zeichnen sich durch einen Mangel an Raumordnung aus.

Es braucht aber raumordnerische Maßnahmen – wie die geplante Verdichtung einer Ankerstadt im Metropolenumfeld –, um die negativen Seiten der Siedlungsentwicklung in diesen Verdichtungsregionen zu vermeiden.

Der Arbeitsplatz muss schnell zu erreichen sein

Diese Ankerstädte sind zum Beispiel Mittelzentren wie Luckenwalde, die sich wie ein Kranz rund um Berlin anordnen. Um die von Berlin ausgehenden Wachstumsschübe für eine polyzentrische Landesentwicklung nutzen und konzeptionell einordnen zu können, könnte dieser Entwicklungsgürtel in einer ungefähren Entfernung von sechzig bis achtzig Kilometern rund um Berlin ein städtebaulicher Lösungsansatz sein: für die Konfrontation der Metropole Berlin mit ihrem Umland. Die im Entwicklungsgürtel liegenden Städte müssten nicht nur radial mit Berlin, sondern auch tangential miteinander verbunden werden.

Ein entscheidender Imperativ für das erfolgreiche Wachstum einer Stadt ist immer der Abstand zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit und Alternativen zum Motorisierten Individualverkehr (MIV) wichtiger werden, zählt heute nicht mehr der Abstand in Kilometern, sondern in sogenannten Isochronen. Damit wird der zeitliche Aufwand zur Überwindung von Distanzen bezeichnet. Er ist ein weiterer einflussnehmender Faktor für die Entwicklung zukünftiger stadtentwicklungsbezogener Erwartungsgebiete.

Es stehen eine Reihe von Städten und Regionen rund um die Hauptstadt zur Verfügung, die sich dank ihrer Jahrhunderte währenden eigenen stadt- und kulturgeschichtlichen Identitäten für Neuentwicklungen anbieten: Das auf die Hauptstadtregion zukommende Wachstum könnte so identitätsstiftend gestaltet werden. Anders als in beinahe allen Umlandgemeinden der Welt geschehen, ließe sich der Fall von Regionen in die Anonymität hier vermeiden.

Luckenwalde könnte zu einer "Neustadt" weiterentwickelt werden

Trebbin und Luckenwalde im äußeren Verflechtungsraum von Berlin zum Beispiel weisen seit 2016 einen den Prognosen trotzenden Schrumpfungsrückgang auf. Hier ist der Bevölkerungssaldo positiv. Luckenwalde bietet die besten infrastrukturellen Voraussetzungen, sie zu einer „NeuStadt“ für 80 000 Einwohner weiterzuentwickeln. Es geht dabei nicht nur um die Umverteilung der Berliner Bevölkerung – hinaus aus der Kernstadt. Vielmehr geht es um eine eigenständige Weiterentwicklung des Mittelzentrums mit ihren eigenen Stärken und Potenzialen.

Visionen, wie die einer neuen und komplexen Stadterweiterungsmaßnahme, sind zwingend notwendig, um neue Lösungsansätze für die Probleme der Metropolentlastung zu entwickeln.

Leider reichen die Zusammenschlüsse wie das Kommunale Nachbarschaftsforum, die gemeinsame Landesplanung oder die Städtekranzinitiative nur aus, um regionale Veränderungen anzustoßen: Sie haben einen informellen und empfehlenden Status, keine exekutive Handlungsmacht. Es bräuchte einen größeren Wurf.

Die Autorin betreibt im Rahmen eines Stipendiums derzeit ihr Dissertationsprojekt „Die Brücken-/Fusionsstadt“ – Modell für die städtebauliche Intervention einer lokalen Assimilation zwischen zwei unterschiedlichen Stadtstrukturen am Beispiel von Berlin und Luckenwalde.

Franziska Springer

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