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Die Mietpreise werden ein großes Thema bleiben.

© Lukas Schulze/dpa

Streit um Mietendeckel-Pläne: Zweifel an der Verhältnismäßigkeit

Wie sozial ist das Gesetzesvorhaben, die Mieten zu deckeln? Juristen warnen, dass Eigentümer benachteiligt werden könnten. Ein Gastbeitrag.

Karola Knauthe ist Professorin für Immobilienrecht mit den Schwerpunkten Immobilienwirtschaft und Immobiliensteuerrecht sowie Öffentliches Immobilienrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

Die Idee des Mietendeckels ist einfach: Er soll Mietern zu günstigem Wohnraum verhelfen. Bei genauer Betrachtung des Referentenentwurfs stellt man jedoch fest, dass die Umsetzung dieser Idee nicht so einfach ist. Die Diskussionen über den Mietendeckel sind vielfach sehr emotional. Eine Versachlichung könnte helfen, die Einzelheiten besser zu verstehen.

Das ist Anlass genug, sich die Regelungen des geplanten Mietendeckels näher anzusehen und vor allem auch einen Blick auf die Auswirkungen zu werfen. Hiervon unabhängig ist die Frage, ob der Mietendeckel in der jetzt vorgelegten Form verfassungsgemäß ist. Juristen streiten schon über die Frage, ob Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz hat oder diese beim Bund liegt. Rechtlich besonders umstritten ist zudem die Frage der Verhältnismäßigkeit des Mietendeckels.

Die Verhältnismäßigkeit hängt von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes ab. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2019 zur Mietpreisbremse ist zu berücksichtigen. Bei der Untersuchung des aktuellen Entwurfs müssen jedoch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit aufkommen. Dies gilt umso mehr, als in der Gesetzesbegründung darauf abgestellt wird, dass der Mietendeckel „sozial“ sei. Was aber geschieht, wenn etwas für die einen sozial ist und für andere genau das Gegenteil?

Der Mietendeckel setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die für alle Wohnraummietverhältnisse für die nächsten fünf Jahre gelten. Ausgenommen sind nur Neubauten, die erstmalig ab dem 1.1.2014 bezugsfertig waren, der öffentlich geförderte Wohnungsbau, Wohnheime und die An- und Vermietung von Trägerwohnungen.

Die Mieten in laufenden Mietverhältnissen werden rückwirkend auf den Stichtag 18. Juni 2019 eingefroren. Spätere Mieterhöhungsverlangen können somit nicht durchgesetzt werden. Mieter, deren Nettokaltmiete 30 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens übersteigt, können einen Antrag auf Absenkung der Miete auf die Mietobergrenze stellen. Die Wohnfläche wird entsprechend dem Wohnraumgesetz berücksichtigt.

Karola Knauthe ist Professorin für Immobilienrecht.
Karola Knauthe ist Professorin für Immobilienrecht.

© privat

Der noch bedeutsamere Punkt ist die Mietobergrenze. Maximal zwischen 5,95 Euro und 9,80 Euro pro Quadratmeter darf die Miete, auch für möblierte Wohnungen, zukünftig betragen. Das gilt für die Wiedervermietung und für die erstmalige Vermietung. Nur Mieten, die sich unterhalb der Mietobergrenze befinden, dürfen bis zu dieser jährlich um 1,3 Prozent erhöht werden.

Die Obergrenze ist ausschließlich abhängig von der erstmaligen Bezugsfertigkeit der Wohnung und der Ausstattung, letztere reduziert auf Sammelheizung und Bad. Die Lage spielt keine Rolle. Das heißt, es entfällt auch die Differenzierung zwischen einfachen, mittleren und guten Wohnlagen entsprechend dem qualifizierten Mietspiegel. Die Mietobergrenzen sind zudem deutlich unterhalb der aktuellen Mieten gemäß Mietspiegel angesetzt. Dies führt zu einem erheblichen Wertverlust fast sämtlicher Grundstücke und Wohnungen. Betroffen sind nicht nur Vermieter, sondern auch Selbstnutzer, wenn die Immobilie fremdfinanziert ist.

Neuregelung führt zu Wertverlusten

Die Folge von Abwertungen erlebten wir in der Finanzkrise vor zehn Jahren. Die Banken fordern zusätzliche Sicherheiten oder stellen die Darlehen fällig, wenn keine weiteren Sicherheiten zur Verfügung stehen. Hierzu sind sie aufgrund der für sie geltenden Vorschriften gezwungen. In der Konsequenz geraten viele Vermieter in wirtschaftliche Notlagen.

Soweit der Referentenentwurf nur eine Ermächtigung der Senatsverwaltung vorsieht, die Mietobergrenzen an die allgemeine Preis- und Lohnentwicklung anzupassen, stellt dies keine Rechtssicherheit her. Vielmehr müsste diese Anpassung bereits jetzt normiert werden, um die Abwertung der Immobilien zumindest teilweise aufzufangen.

Im Rahmen der Mietobergrenze wird für Ein- und Zweifamilienhäuser ein Zuschlag von zehn Prozent gewährt. Modernisierungen, die in den vergangenen 15 Jahren erfolgten, können mit maximal 1,40 Euro pro Quadratmeter berücksichtigt werden. Zukünftige Modernisierungskosten können auf die Miete umgelegt werden, wenn dadurch die Mietobergrenze zuzüglich ein Euro pro Quadratmeter nicht überschritten wird. Sie müssen aber beim Bezirksamt angezeigt werden.

Modernisierungsaufträge werden storniert

Modernisierungsumlagen, die zu einer Überschreitung dieser erhöhten Mietobergrenze führen, bedürfen zukünftig einer Genehmigung. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens überprüft das zuständige Bezirksamt, alternativ die IBB, die Angemessenheit der Kosten.

Aufgrund dieser Unsicherheit haben viele Vermieter Modernisierungsaufträge storniert und verzichten, soweit dies möglich ist, auf die Vergabe neuer Aufträge. In der Folge geraten bereits jetzt die ersten Handwerksunternehmen in akute wirtschaftliche Probleme. Zudem sind die Klimaziele Berlins, bis 2050 klimaneutral zu sein, ohne Modernisierungen nicht zu erreichen.

Härtefallklausel greift nicht bei Fremdfinanzierungen

Eine Besonderheit stellt die Härtefallklausel dar. Sie soll verhindern, dass Eigentümer in wirtschaftliche Notlagen geraten. Auch hier entscheidet das Bezirksamt auf Antrag. Zur Begründung einer wirtschaftlichen Notlage wird entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf dauerhafte Verluste oder eine mögliche Substanzgefährdung abgestellt. Ausgeschlossen sind jedoch alle Gründe, die in dem Verantwortungsbereich der Vermieter liegen.

Die aus einer Fremdfinanzierung resultierenden Probleme sollen damit offensichtlich aus dem Anwendungsbereich der Härtefallklausel ausgeklammert werden. Anderenfalls wäre die weit überwiegende Zahl der Vermieter ein Härtefall, was offensichtlich nicht intendiert ist. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Mietzuschüsse gewährt werden, wenn im Rahmen von Modernisierungen oder der Härtefallregelung Mieten oberhalb der Mietobergrenzen genehmigt werden.

Bei Verstößen drohen hohe Geldbußen

Zu beachten ist auch, dass Verstöße gegen das Gesetz Ordnungswidrigkeiten darstellen. Diese können mit Geldbußen bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage, wer für die Durchführung und die Überprüfung der Einhaltung des Gesetzes zuständig ist. Hierfür findet der Referentenentwurf eine in Anbetracht der Konkurrenz mit dem Bundesrecht nachvollziehbare Lösung.

Die Zuständigkeit liegt bei den Bezirksämtern. Da diese aber bereits jetzt ein großes Personalproblem haben, dürfen sie natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts sowie juristischen Personen des öffentlichen Rechts ihre Aufgaben übertragen. Dies wird auf Seiten der Vermieter nicht das Gefühl der Rechtssicherheit steigern.

Im Rahmen der Zuständigkeit wird zudem noch ein Punkt geregelt, der nicht zu vernachlässigen ist: Die Bezirksämter und die Beliehenen dürfen nicht nur personenbezogene Daten speichern, sondern auch anderen Behörden zur Verfügung stellen, soweit diese zu ihrer Aufgabenerfüllung die Daten benötigen.

Angebotsmieten und Mietspiegel differieren stark

Der Entwurf wirft viele Fragen auf: Ist es verhältnismäßig, wenn in Zeiten des Niedrigzinses und sinkender Renten Menschen, die für ihr Alter vorsorgen, mit einem Schlag 30 bis 40 Prozent Wertverlust verzeichnen? Einige Politiker argumentieren, diese Menschen hätten sich verspekuliert. Aber die Immobilienanlage war für die überwiegende Zahl der Eigentümer keine Spekulation. Die Investition in Immobilien ist vielmehr seit einigen Jahren die einzige Möglichkeit für nicht risikobereite Anleger, dem stetig sinkenden Rentenniveau zu begegnen.

Liegt es in der Verantwortung der Vermieter, wenn Mieter in der Vergangenheit Wohnungen gemietet haben, die über ihren Verhältnissen lagen? Nur dann lässt sich begründen, dass diese Mieter nun zulasten der Vermieter die Miete absenken dürfen. Das ist ein seltsames Argument in einem Land, in dem die Vertragsfreiheit gilt.

Berlin benötigt unbedingt mehr Wohnungen

Ohne Zweifel kann oder muss man sogar teilweise ob der Angebotsmieten in Berlin erschrecken. Aber Angebotsmieten sind nicht die tatsächlich gezahlten Mieten. Diese finden sich im Mietspiegel. Und der sieht nicht so erschreckend aus. Stellt sich also die Frage, weshalb die Angebotsmieten so hoch sind. Diese Frage lässt sich beantworten: Berlin benötigt unbedingt mehr Wohnungen. Verdichtung ist kein schönes Wort. Partizipation, um diese zu verhindern, klingt besser.

Aber die Verhinderung von Neubauvorhaben wird die Situation weiter verschärfen. Das gilt auch, wenn der Mietendeckel in Kraft tritt. Denn Mieter, die jetzt in einer zwar teuren, aber „eingefrorenen“ Wohnung wohnen, werden diese nicht aufgeben. Mieter, die in einer günstigen Wohnung wohnen und deren Miete nicht über die Mietobergrenze angehoben werden darf, werden ihre Wohnungen nicht aufgeben. Mit anderen Worten: Fast niemand wird seine Wohnung verlassen, wenn er nicht Berlin verlässt. Welche Möglichkeiten haben in dieser Situation die Wohnungssuchenden und die Neuberliner?

Das Argument, der Wohnungsneubau sei bei erstmaliger Bezugsfertigkeit ab dem 1.1.2014 vom Mietendeckel ausgenommen, ist auch nicht ausreichend, um das Problem am Berliner Wohnungsmarkt nur durch den Mietendeckel zu lösen. Es gibt bereits erste Erwägungen, nur die Erstvermietung im Wohnungsneubau auszunehmen, da der soziale Grundgedanke des Mietendeckels auf den Neubau übertragen werden soll. Geschieht dies, wird keine einzige Wohnung mehr gebaut. Dann steht Berlins Wohnungsmarkt still. Und dann steht Berlin still.

Das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (Berliner MietenWoG)“ soll am 15. Oktober beschlossen werden. Es bleibt spannend, ob und was sich im Rahmen der Beratungen noch ändert.

Karola Knauthe

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