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Nach dem Fachwerkprinzip entsteht das Wohnhaus in Werder. Die Ballen werden zwischen Holzbohlen eingesetzt.

© Öko-Bauen-Bilden

Strohballenbau: Die Strohmer von Werder

Am Großen Zernsee entsteht das größte Wohnhaus in Deutschland aus Stroh. Es wird gemeinsam auf den Fundamenten einer ehemaligen Fabrikhalle gebaut.

Montagfrüh auf einer ganz besonderen Baustelle bei Werder. Staubflöckchen tanzen durch die Luft und es riecht nach Scheune. Auf den Fundamenten einer ehemaligen Fabrikhalle entsteht gerade das größte deutsche Wohnhaus mit Wänden aus Stroh – ja Stroh. Vor 100 Jahren bauten Siedler in Nebraska die ersten Häuser aus Strohballen, weil es dort kaum ein anderes Baumaterial gab. Diese Häuser stehen heute noch.

Hier in Werder bekommen jetzt neun Teilnehmer eines Ökobauworkshops von zwei Fachleuten der Firma Stroh unlimited ihre Einweisung. Beim Strohballenbau ist es wichtig, dass die Ballen schön fest in die Rahmenkonstruktion aus Balken oder Bohlen gepresst werden. Die Kompressionstechniken dafür sind nach einem halben Tag vermittelt. Dann können selbst Laien loslegen. Und tatsächlich wachsen ab Mittag die Wände rasant in die Höhe.

„Strohballenbau ist sehr mitmachfreundlich“, sagt die Architektin und Zimmerin Friederike Fuchs von Stroh unlimited. Seit mehr als 13 Jahren baut sie Häuser aus Stroh und hat immer wieder erlebt, was für eine „schöne Atmosphäre“ auf den Baustellen herrscht. „Es ist bemerkenswert, dass man bei diesen Projekten gemeinsam bauen kann. Das war in früheren Zeiten viel normaler. Dieser Prozess hat eine besondere Qualität und ist mit positiven Erinnerungen verbunden“, sagt sie.

Außen Kalputz, innen Lehm

Die Uferwerk Genossenschaft für ein „gemeinschaftliches und nachhaltiges Mehrgenerationenwohnen“ hat sich bei diesem Bau, der von der Berliner Planmarie Arge geplant wurde, für eine Rahmenkonstruktion aus Holzbohlen entschieden. „Sie hat den Vorteil, dass man die Ballen senkrecht einstellen kann“, erklärt Fuchs. Dann stehen auch die Halme senkrecht und die Dämmeigenschaften sind genauso gut, als wenn die Ballen liegen, obwohl die Mauer etwas dünner wird.

Mit einem elektrischen Fuchsschwanz werden die Ballen zugeschnitten.
Mit einem elektrischen Fuchsschwanz werden die Ballen zugeschnitten.

© Öko-Bauen-Bilden

Wenn die Teilnehmer des Workshops die Holzkonstruktion mit Strohballen ausgefüllt haben, kommen die Verputzer auf die Baustelle. Außen wird ein Strohballenbau mit Kalkputz bedeckt, innen mit Lehmputz und zwar drei bis vier Zentimeter dick. Das ist ziemlich viel. Ein normales Wärmedämmverbundsystem hat beispielsweise nur eine dünne Putzschicht von fünf Millimetern, erklärt Malte Boll vom Verein Öko-Bauen-Bilden, der die Workshops organisiert.

Kalk und Lehm sind diffusionsoffen – das Haus atmet, würde man umgangssprachlich sagen. „Lehm kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Außerdem bindet er Geruchs- und Schadstoffe. Deshalb herrscht in Zimmern mit Lehmputz ein sehr angenehmes Raumklima“, sagt Friederike Fuchs.

Auch fürs Weltklima ist ein Strohbau gut: Der Baustoff ist regional verfügbar und muss nicht extra hergestellt werden. Das spart Kohlendioxid.

Quantensprung durch Zulassung als Baustoff

Inzwischen hat der Fachverband Strohballenbau erreicht, dass Strohballen als regulärer Baustoff zugelassen sind. Vorher war eine Baugenehmigung nur als Einzelfallentscheidung möglich. „Jetzt macht der Strohballenbau einen Quantensprung“, sagt Friederike Fuchs.

Und was ist mit der Feuergefahr? Stroh ist schwerer entflammbar, als man denkt, wenn es so fest gepresst ist wie die Ballen auf der Baustelle. Eine vorgeschriebene Prüfung durch die Firma Baustroh sichert außerdem die Qualität. Mit den Putzschichten erreichen Strohballenhäuser auch die gängigen Feuerwiderstandsklassen – bis zu 90 Minuten sind drin. So war es möglich, im niedersächsischen Verden ein fünfstöckiges Ausstellungs- und Bürogebäude aus Strohballen zu errichten. Hier ist das Norddeutsche Zentrum für Nachhaltiges Bauen untergebracht.

Im Ausstellungszentrum für ökologisches Bauen in Verden sind Details des Strohballenbaus zu sehen. Das Gebäude selbst ist auch aus Strohballen errichtet.
Im Ausstellungszentrum für ökologisches Bauen in Verden sind Details des Strohballenbaus zu sehen. Das Gebäude selbst ist auch aus Strohballen errichtet.

© Ingo Wagner/dpa

Wenn die Putzschicht fertig ist, können auch Allergiker in einem Strohballenhaus wohnen, sagt Friederike Fuchs. Beim Bau könnten Hausstauballergiker „schon mal eine Maske tragen“.

Bausätze für ganze Häuser aus Stroh

Vom Preis her ist ein Strohballenhaus allerdings nicht billiger als ein gemauertes, sagt Malte Boll, obwohl Stroh doch ein Abfallprodukt ist und ein Ballen nur 3,50 Euro kostet. Doch die relativ hohen Personalkosten, die beim Verputzen anfallen, machen den Preisvorteil wieder zunichte. 250 Euro pro Quadratmeter kostet eine Wand aus Stroh, weiß Friederike Fuchs aus Erfahrung.

Inzwischen kommen immer mehr innovative Produkte auf den Markt, in denen Stroh verwendet wird, beispielsweise Platten und Bausätze für ganze Häuser von der Firma iStraw. Vorgefertigte Wandelemente aus Holzrahmen mit einer direktverputzten Strohausfachung seien eine interessante Option für größere gewerbliche Bauvorhaben, schreibt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Und die Firma Schelfbauhütte aus Schwerin hat ein Halterungssystem entwickelt, mit dem Strohballen auch als Dämmung für Bestandsbauten verwendet werden können. Im simplen Baustoff Stroh scheint noch Musik zu stecken.

Mehr Informationen zum Thema gibt es beim Fachverband Strohballenbau.

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