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Tiefbunker zu verkaufen: Eine sichere Sache

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verkauft einen Tiefbunker in Neukölln – gegen Höchstgebot.

Mit einem Objekt, das Platz für 354 Menschen bietet und an eine gut frequentierte Durchgangsstraße grenzt, sollte man in Neukölln schon etwas Vernünftiges anfangen können. Aber das Objekt ist „erdliegend“, wie es im Immobilien-Exposé ganz korrekt heißt – es reicht genau gesagt 2,70 m unter die Straßenkante von Berlin. Darum geht es: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) will den Tiefbunker am Otto-Wels-Ring 1-3 in Buckow verkaufen – und das Echo sei nach der ersten Ausschreibung „sehr lebhaft aus dem ganzen Bundesgebiet“, freut sich Objektmanagerin Christel Philipp.

Gebaut wurde die Anlage 1940 und bot zunächst den Berlinern Schutz vor dem Bombenhagel der Alliierten. Später wurde der Tiefbunker auf den heutigen Zustand modernisiert und als Zivilschutz-Anlage betrieben. Nach dem Fall der Mauer erübrigte sich das schnell, und zeitweilig diente das Gemäuer als Lager - in Neukölln hatte man zum Beispiel Bunkerräume auch als Zwischenlager für Silvester-Feuerwerkskörper genutzt. Jetzt wird das Objekt am Otto-Wels-Ring Ecke Fritz-Erler-Allee als Leerstand geführt.

Animierend für die gute Nachfrage, über die sich die BImA-Expertin Philipp freut, ist sicher auch die solide Preisvorstellung von gerade einmal 30 000 Euro. Dafür bekommt man einiges: Ein Grundstück von 880 qm, einen äußert soliden Baukörper aus Stahlbeton mit einer Grundfläche von 765 qm. Die reine Nutzfläche der eingeschossigen Anlage ist bunkertypisch deutlich kleiner, es bleiben nach Abzug der gut dimensionierten Außenwände (jeweils 1,80 m) und der anlagenbedingten Ausrüstungen noch rund 430 qm.

Der Wohnkomfort ist, nach heutigen Maßstäben gewertet, ausgesprochen bescheiden. Es gibt einen Aufsichtsraum, eine Art Arztzimmer für alle Fälle, einen Lüfterraum und 36 Zimmer – allerdings sind einige Trennwände entfernt. Für die täglichen Bedürfnisse ist je eine Toilettenanlage für Damen, eine für Herren eingebaut – Camper kennen (oder fürchten) diese Entsorgungstechnik unter dem Namen Chemie-Klo. Im Flur sind drei Wasser-Zapfstellen und Ausgussbecken montiert.

Wer will, der kann die Eingangstüren am Nord- und Südende hydraulisch schließen und der Welt für 14 Tage Ade sagen. Bunker der Ausstattungsklasse „Grundschutz“ sind im Allgemeinen auf diese Verweildauer ausgelegt. Eine vernünftige Bewetterung muss immer sein, sonst wird es unterirdisch bald zu ungemütlich. Das Umfeld ist großstädtisch erschlossen, alle Medien liegen an, wie man sagt. Also sollte auch eine schnelle Internetanbindung für die langen Tage unter Tage kein Problem sein.

Von außen betrachtet ist die Bunkeranlage betont schlicht und zurückhaltend gestaltet – man sieht so gut wie nichts: Zwei schmale Treppenabgänge hinter kräftigen Gittern, ein paar Abluftrohre. Die Grundstücksoberfläche ist in hübscher Anmutung als Terrassengarten angelegt – und ist damit eine Einladung an die verdienten Neuköllner im Seniorenheim gleich nebenan.

Die Lage rund um den Tiefbunker an der Otto-Wels-Straße – das ist ein Stück ordentliches Berlin: viele Geschäfte, Kindertagesstätten, Ärzte und das Klinikum Neukölln. Ein paar Ecken weiter an der Johannisthaler Chaussee liegt das beliebte Gropius-Einkaufscenter. Nach Süden hin schließt sich die Satellitensiedlung Gropiusstadt an - mit Berlins höchsten Wohngebäude als städtebaulichem Akzent, dem weithin bekannten IDEAL-Hochhaus Fritz-Erler-Allee 120. Die Anbindung an den öffentlichen Nachverkehr lässt kaum Wünsche offen, die U 7 haben die Bunkerinsassen sozusagen auf Augenhöhe; Einstieg ist in Britz-Süd oder an der Johannisthaler Chaussee.

Die verbliebenen 22 Bunker in der Stadt sind den Behörden inzwischen lästig geworden, auch wenn sich die allgemeinen Bewirtschaftungskosten in Grenzen halten: Sowohl die Stadt als auch der Bund wollen die Anlagen loswerden, seit man 2007 das bisherige Zivilschutzkonzept mit seinen Schutzräumen aufgegeben hat. Die bekannteren und größeren Berliner Bunker sind inzwischen schon umgenutzt, für Ausstellungen und Veranstaltungen. Die Bunker Pankstraße und Siemensstraße müssen bleiben wie sie sind – sie wurden als U-Bahnhöfe gebaut. Die Kosten für die Schutzräume hinter den dicken Seitentüren haben nun die Berliner Verkehrsbetriebe auf der Rechnung. Der Fichtebunker, ursprünglich ein Kreuzberger Gasometer, wird in eine edle Wohnanlage transformiert. Den Maßstab für alles setzt der alte Reichsbahnbunker an der Reinhardtstraße – er schützt die Kunstsammlung Christian Boros und trägt obenauf ein Penthouse mit Blick über Berlin-Mitte.

Überbauen könnte man auch den Tiefbunker am Otto-Wels-Ring in Buckow. Auf Anhieb gesagt: E ein solideres Fundament dürfte es kaum geben. Baurecht besteht in diesem allgemeinen Wohngebiet mit Baustufe II / 3, zwei Vollgeschosse sind möglich bei einer Bautiefe von 13 m; die BImA rät, das Stadtplanungsamt Neukölln sollte kontaktiert werden.

Die „erdliegende Immobilie“ kann auf ihre Weise genutzt werden – ein Tipp wäre es, eingefleischten Computer-Gamern mit ihren Software-Klassikern vom Schlage „The Bunker“ einen artgerechten Aufenthalt anzubieten. Wie immer behält sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das letzte Wort vor, ob und an wen sie verkauft. Ansonsten zählt das Höchstgebot bei entsprechender Bonität, Endtermin ist der 18. Januar 2012.

Immerhin bietet sich dem Käufer eine „bombensichere Kapitalanlage". Und: Er wird sich mit der Eintragung ins Grundbuch von Neukölln hinter den Vorbesitzern „Deutsches Reich“ und „Bundesrepublik Deutschland“ verewigen dürfen.

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