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Trotz Bewohnern: Profit mit der Abrissbirne

Darf ein Besitzer sein marodes Haus dem Erdboden gleichmachen, obwohl darin noch Mieter wohnen?

WAS STEHT INS HAUS?

Wir wohnen seit 1981 in einem Altbau von 1912 in einer Fünf-Zimmer-Wohnung. Das Haus befindet sich in einem sehr schlechten Zustand, da jahrzehntelang nicht instand gesetzt wurde. Unser Vermieter hat das Gebäude, das insgesamt 20 Wohnungen hat, im Jahr 2007 gekauft. Jetzt ist allen Mietern gekündigt worden, mit der Begründung, nur durch Abriss und Neubau sei die Wirtschaftlichkeit gewährleistet. Dies wird mit einer Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben belegt. Sowohl der Abriss als auch der Neubau sind baurechtlich genehmigt. Müssen wir ausziehen?

WAS STEHT IM GESETZ?

Tatsächlich müssen Sie wohl ausziehen. Gerade erst hat in einem gleich gelagerten Fall der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 28.01.2009 so entschieden. Der Vermieter sei gemäß Paragraf 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Kündigung des Mietvertrages berechtigt, denn er würde sonst an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Gebäudes gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden. Der beabsichtigte Abriss und anschließende Neubau sei angesichts der Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes wirtschaftlich vernünftig. Der Vermieter dürfe nicht darauf verwiesen werden, sich auf Sanierungsmaßnahmen zu beschränken, die nur zu einer Behebung des Instandhaltungsstaus und einer Restnutzungsdauer des Gebäudes von 15 bis 20 Jahren führen würden. Vielmehr stelle sich dann die Entscheidung für einen Abriss und anschließenden Neubau als angemessene wirtschaftliche Verwertung dar. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums und damit das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung (Art. 14 Abs. 2 GG) gewähre dem Vermieter zwar keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung. Auf der anderen Seite dürften die dem Vermieter entstehenden Nachteile keinen Umfang annehmen, der die Nachteile des Mieters übersteigt. Auch wenn das Gebäude von vornherein erworben wurde, um neu zu bauen und mit Blick auf den erwarteten Gewinn ein überhöhter Preis gezahlt wurde, sei dies nicht rechtsmissbräuchlich, so die BGH-Richter.

UND WIE STEHEN SIE DAZU?

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs erscheint mir aus Mietersicht problematisch. Denn sie schränkt den Kündigungs- und Mieterschutz ein. In der Entscheidung der Richter werden Renditeerwartungen und -hoffnungen des Finanzinvestors höher bewertet als die Bestands- und Wohninteressen der Mieter. Losgelöst von dem entschiedenen Einzelfall muss es aber bei dem Grundsatz bleiben, dass der Eigentümer keinen Anspruch darauf hat, aus der Mietwohnung die höchstmögliche Rendite zu erzielen, ohne Rücksicht auf die Nachteile, die Mietern dadurch entstehen. Das muss erst recht gelten, wenn Fälle zu beurteilen sind, in denen Investoren stark sanierungsbedürftige Altbauten zu spekulativen Preisen kaufen. Wer dann argumentiert, mit der Fortsetzung der Mietverhältnisse erleide er wirtschaftliche Nachteile, darf nicht geschützt werden.

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