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Immobilien: Und der Zukunft zugewandt

Lange Jahre rottete das Mehlschwalbenhaus vor sich hin. Dann wurde es abgerissen. Doch seitdem hat sich wenig getan

Das Sorgenkind hatte einen Namen: Mehlschwalbenhaus. Es sah nicht einmal schlecht aus am Anfang, als der Spitzname für den 18-Geschosser noch nicht erfunden war. Manch einer, der in einer der 122 Wohnungen lebte, konnte froh sein, seinem früheren Altbau mit Außenklo entronnen zu sein. Sagen wir es mal so: Das Wohnhochhaus Mollstraße 31 war Anfang der siebziger Jahre eine luxuriöse städtebauliche Dominante hart am Rande des neu entstehenden Alexanderplatzes. Ein Architekturführer nennt als Wesensmerkmale des Gebäudes „die Mittelfluranlage, Loggien an beiden Längsfassaden und das monolithisch ausgeführte Treppenhaus als stabilisierender Kern der Stahlbeton-Montagekonstruktion“. Unten gab es Läden, ein Espresso und die Stadtbezirksbibliothek. Es war ein Beispiel der DDR-Moderne, ein Stückchen weiter liegt das Wohngebiet am Leninplatz. Das steht noch wie einst, der Ort heißt „Platz der Vereinten Nationen“, und dem steinernen Lenin haben sie längst „goodbye“ gesagt.

Und auch unsere Dominante ist verschwunden. Die Bewohner, die es so schön nah in die City-Ost hatten, konnten nicht einmal mehr die große Demonstration der 500 000 für mehr Demokratie und Meinungsfreiheit am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz vom Fenster aus verfolgen, denn sie waren mittlerweile ausgezogen. Der Bau hatte so gravierende Mängel, dass er geräumt werden musste. Nachdem die Mieter davongezogen waren, stand das Haus leer. Und es kamen neue Mieter, die es sich häuslich eingerichtet hatten, aber nichts für ihr ungestörtes Idyll bezahlten: Mehlschwalben.

Das konnte natürlich nicht gut gehen. Eine leere Dominante, ein Vorzeigebau voller Singvögel, die mit flinkem Flug ihr komfortables Hotelhochhaus umkreisten? Jahre zogen ins Land, Mehlschwalben kamen und flatterten wieder davon, doch die Ruine blieb zurück, rußig, ein unansehnliches, 45 Meter hohes Haus, das sich selbst überholt hatte. Eigentlich hätte die Stadt den Schandfleck beseitigen können, indem sie ihn abreißt, aber hier suchte sie jahrelang einen Käufer, dem sie am Ende auch noch zusicherte, die Abrisskosten zu übernehmen.

Um das Jahr 2000 trat die Bauart Beteiligungs GmbH & Co. Mollstraße KG auf den Plan, und ihr Geschäftsführer, der 52-jährige Manfred Herrmann, kaufte das Haus, das zwölf Jahre leer gestanden hatte. 2001 begann der Abriss. Herrmann ist nicht nur Investor, sondern auch sein eigener Architekt. Vor allem ist er ein optimistischer Mensch, der fest an die Zukunft des Alexanderplatz glaubt und daran, dass, wenn die anderen mit ihren Hochhäusern anfangen, „sein“ Ensemble schon steht. „Jahrelang bin ich an dem Haus vorbeigefahren und dachte immer, dass hier mal etwas passieren muss“, erzählte er uns in seinem Büro am Strausberger Platz, „so haben wir dieses Projekt entwickelt und sind gleich an die Bürger herangetreten, und die fanden das gut“. Tatsächlich stehen auf dem Bauschild auch die Ansprechpartner einer Bürgervertretung Barnim-Kiez und die Telefonnummer vom Mieterverein in der benachbarten Otto-Braun-Straße 82-84. Man arbeitet gut zusammen, bestätigt Herbert Nieft, „unsere größte Sorge war, dass unser Haus in die zwölf Meter tiefe Baugrube kippt, aber sie haben Spundwände hochgezogen, und das Haus steht noch immer“. Man sei optimistisch, was die neuen Pläne des Investors und seiner irischen Partner betrifft, die alteingesessenen Mieter sehen der Zukunft am Bau gelassen entgegen, denn „schlimmer als der Lärm beim Abriss kann der beim Aufbau auch nicht sein“, sagt Herbert Nieft und wundert sich, dass die tiefe Sohle so still ruht wie ein See – nachdem die Kräne abgebaut waren, tat sich nichts mehr auf der Baustelle. „Ist ja nicht das erste Mal“, sagen sie auf der gegenüberliegenden Seite beim Friseur, und die Bürgervertreter warten, dass sich endlich etwas tut. Gemach, gemach, beschwichtigt der Bauherr, der uns im April den Juli 2007 als Starttermin für den Hochbau genannt hatte. Nun gelten andere Zeiten: „Die Baustelle wird an einen namhaften Generalunternehmer übergeben, der die Baustelle Anfang Oktober einrichten wird“, sagt der Bauart-Chef, aber den Namen der berühmten Baufirma nennt er nicht, „und dass die aus Hamburg kommt, müssen Sie auch nicht schreiben“.

Vielleicht ist das Projekt wirklich wichtiger. Das „Königstadt-Carree am Alexanderplatz“ wird für eine Investitionssumme von 53 Millionen Euro gebaut, Mitte 2009 soll alles fertig sein. Unter der Erde befinden sich dann auf drei Ebenen 180 Auto-Stellplätze. Darüber erhebt sich ein „Office-Tower“ mit 21 Geschossen, ein Bürohaus als neue Dominante an diesem Einfallstor zum Alex. Daneben setzt der Architekt ein achtstöckiges Atriumhaus, das er gern nach Alfred Döblin benennen möchte, während die Bürgervertreter stets von einem „Polikum“ sprechen. Manfred Herrmann nennt sein Vorhaben „Medizinisches Versorgungszentrum“ (MVZ) – dass um die Ecke das Haus der Gesundheit arbeitet, stört ihn nicht, bei ihm sollen sich einmal 40 Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen niederlassen, „unter dem Schirm einer großen Betreibergesellschaft entsteht eins der größten deutschen Versorgungszentren der Medizin“, nicht luxuriös, „so einfach wie Alfred Döblin war, als er nahe dem Alex praktizierte“. Darüber soll es Büros geben, und daneben ein zehnstöckiges Hotel mit 156 Zimmern namens Etap, das von der Accor-Hotellerie betrieben wird. Das 1-Sterne-Haus wird ein Flaggschiff der Etap, weltweit gibt es 370 dieser Hotels „für Menschen aller Altersgruppen und Einkommensschichten, die ihr Geld lieber für Konzertkarten als für kostspielige Extras im Hotel ausgeben“, sagt Etap-Generaldirektor Michael Mücke. Nun muss nur noch richtig gebaut werden. Irgendwann.

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