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Kiezverliebt. Auch mit dem wenig glamourösen Antonplatz bleibt Weißensee ein begehrter Stadtteil für Berliner Käufer. Als „Newcomer“ gilt Treptow.

© D. Spiekermann-Klaas

Wohneigentumsreport 2012: Ist hip schon wieder out?

Die Preise für Berliner Eigentumswohnungen steigen. Vor allem jenseits der „In-Kieze“ wird gerne gekauft.

Eine Preissteigerung um 32 Prozent in Niederschönhausen, um 35 Prozent in Lichtenberg und Dahlem, um 36 Prozent in Neukölln, um 42 Prozent in Tempelhof und sogar um 60 Prozent in Treptow – folgt man dem jetzt vom Beratungsunternehmen Bulwien Gesa und dem Maklerhaus Ziegert veröffentlichten „Wohneigentumsreport 2012 Berlin“, so sind die Preise von Eigentumswohnungen in der deutschen Hauptstadt innerhalb eines Jahres in geradezu exorbitantem Maße gestiegen. Verglichen haben die Experten dabei die Angebotspreise aus dem zweiten Quartal dieses Jahres mit denen aus dem zweiten Quartal 2011.

Die Zahlen lassen auf den ersten Blick den Verdacht aufkommen, der Berliner Immobilienmarkt sei völlig aus den Fugen geraten. Ein zweiter Blick verrät allerdings, dass die Entwicklung nicht ganz so dramatisch ist: Bezogen auf ganz Berlin sind neue Eigentumswohnungen nämlich „nur“ um zwölf Prozent teurer geworden, während Bestandswohnungen 8,6 Prozent mehr kosten als im Vorjahr. Die höheren Aufschläge in einzelnen Stadtteilen erklärt André Adami, Berliner Niederlassungsleiter von Bulwien Gesa, mit besonderen Entwicklungen: „Dort, wo erstmals Neubauprojekte auf den Markt kommen, steigt der Durchschnittspreis deutlich.“

Außenbezirke gewinnen an Aufmerksamkeit

Bulwien Gesa und Ziegert sind nicht die einzigen Marktbeobachter, die einen Preissprung bei Berliner Eigentumswohnungen registrieren. Der jüngste Immobilienindex (IMX) des Onlineportals Immobilienscout24 verzeichnet innerhalb eines Jahres eine Preissteigerung um 15,1 Prozent im Neubau und sogar von 17 Prozent im Bestand. Grundlage sind auch hier die Angebotspreise, also die Preise, die Verkäufer verlangen. Ob sie diese Preise auch tatsächlich erzielen, steht auf einem anderen Blatt.

Deutlich geringer ist jedenfalls die Zunahme bei den tatsächlich erzielten Preisen in den notariell beurkundeten Verträgen, die der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im ersten Halbjahr 2012 ausgewertet hat: Demnach legte der durchschnittliche Preis einer Eigentumswohnung im Vergleich zum ersten Halbjahr 2011 nur um knapp vier Prozent zu.

Das könnte damit zusammenhängen, dass die Nachfrage nicht mehr auf die – seit Jahren begehrten und entsprechend teuren – Stadtteile wie Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Charlottenburg beschränkt ist. „Neue Lagen wie Treptow und Lichtenberg gewinnen an Aufmerksamkeit“, stellt André Adami von Bulwien Gesa fest. Dafür sind nach seinen Worten zwei Faktoren verantwortlich: Zum einen „ist in den letzten zwölf Monaten der Anteil Berliner Käufer deutlich gestiegen“ – und die kaufen lieber in ihrem vertrauten Kiez als in den von internationalen Hochglanzmagazinen gefeierten „In-Vierteln“. Zum anderen seien Ausweichbewegungen zu verzeichnen. Wer etwa in Friedrichshain keine bezahlbare Eigentumswohnung findet, weicht ins angrenzende Lichtenberg aus.

In Prenzlauer Berg ist man am oberen Ende der Preisspirale angekommen

Bulwien Gesa und Ziegert rechnen für Lichtenberg „mit steigenden Angebotspreisen und mit wachsenden Umsätzen“. Als „Newcomer“ in Bezug auf Eigentumswohnungen bezeichnen die Autoren des Wohneigentumsreports zudem Treptow. Im Durchschnitt wurde eine Wohnung in Treptow Mitte dieses Jahres für 2400 Euro pro Quadratmeter angeboten; 2011 waren es 1500 Euro gewesen.

Noch ganz andere Beträge werden in zentralen Lagen aufgerufen. Im Altbezirk Mitte (ohne Tiergarten und Wedding) ermittelten die Experten einen durchschnittlichen Angebotspreis von 3700 Euro pro Quadratmeter. Wer eine unvermietete Wohnung zur Eigennutzung kaufen will, muss dort sogar mit mehr als 4000 Euro pro Quadratmeter kalkulieren. „Der Mitte-Boom wird auch in den kommenden Monaten anhalten“, sind die Autoren der Studie überzeugt.

In Prenzlauer Berg hingegen sehen die Experten von Bulwien Gesa und Ziegert „das Preissteigerungspotenzial als weitgehend erschöpft“. Bei einem durchschnittlichen Angebotspreis von rund 2700 Euro pro Quadratmeter „scheint die Schwelle dessen, was die Interessenten für eine Wohnung ausgeben können, erreicht“. Anders verhalte sich dies in Pankow und Weißensee, „wo die Dynamik durch den Zuzug aus zentrumsnahen Ortsteilen weiterhin anhält“.

Berlin zieht internationale Klientel an

Ohnehin sind demografische Faktoren für die Preisentwicklung mit verantwortlich. Das erläutert Makler Nikolaus Ziegert am Beispiel von Friedrichshain-Kreuzberg: Dort sei die Einwohnerzahl 2011 um 4377 Personen gewachsen. Gleichzeitig seien nur 239 neue Wohnungen fertiggestellt geworden. Die Folge laut Ziegert: „Der Nachfragedruck führt dazu, dass die Preise trotz geringer Einkommen beständig wachsen.“

Neben der Demografie treiben zwei weitere Faktoren die Preise in die Höhe: Zum einen bieten die niedrigen Zinsen einen Anreiz, Geld in Immobilien zu investieren. Zum anderen erliegen immer mehr ausländische Anleger dem Reiz Berliner Eigentumswohnungen. So ging von gut tausend Wohnungen, die das Unternehmen Accentro in den ersten zehn Monaten dieses Jahres verkaufte, etwa ein Drittel an Käufer mit Wohnsitz im Ausland. „Für ausländische Investoren ist Deutschland der sichere Hafen vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise im jeweiligen Heimatland“, erklärt Accentro-Geschäftsführer Jacopo Mingazzini. „Berlin bietet im internationalen Vergleich günstigere Kaufpreise und ein hohes Potenzial für Mietwachstum.“

In einem Bereich kann von Boom – aller medialer Aufmerksamkeit zum Trotz – nicht wirklich die Rede sein: bei den absoluten Luxusapartments zu einem Preis von mehr als 10 000 Euro pro Quadratmeter. Im ersten Halbjahr 2012 wurden laut Gutachterausschuss zwar mehr Wohnungen in diesem Preissegment verkauft als im ganzen Jahr 2011 – in absoluten Zahlen waren es aber lediglich sechs Einheiten.

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