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Für 7,7 Millionen Euro wurde das 1954 errichtete Gebäude auf zeitgemäßen Standard gebracht.

© Promo/Sabine Dobre

Wohnpalast am Ostseeplatz: Es war doch nicht Henselmann

Die Gewobag feiert den Abschluss der Modernisierung des "Wohnpalasts" am Ostseeplatz. Und ließ den Berliner Stadtführer und Journalisten Michael Bienert, die Geschichte des Bauwerks untersuchen.

Wer an dem rund 200 Meter langen Gebäude am Ostseeplatz im nördlichen Prenzlauer Berg vorbeigeht, wird in aller Regel nicht merken, dass er gerade ein bemerkenswertes Baudenkmal passiert. Denn der sogenannte Wohnpalast am Ostseeplatz lässt mit seiner unauffälligen bräunlichen Fassade nicht erahnen, dass es sich bei ihm um „eine Wohnanlage von ganz herausragender Qualität“ handelt. Das jedenfalls ist das Urteil, das Engelbert Lütke Daldrup, der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, aus Anlass des offiziellen Abschlusses der Sanierungsarbeiten gefällt hat.

7,7 Millionen Euro investierte die Gewobag, um das 1954 errichtete Gebäude mit seinen 116 Wohnungen auf zeitgemäßen Standard zu bringen. Doch dabei ließ es das landeseigene Wohnungsunternehmen nicht bewenden: Es beauftragte darüber hinaus den Berliner Stadtführer und Journalisten Michael Bienert damit, die Geschichte des Bauwerks zu untersuchen. Dieses lief bisher nämlich unter dem Namen Henselmannblock – in der Annahme, Hermann Henselmann, der Chefarchitekt der DDR, sei für die Architektur verantwortlich gewesen.

Offenbar ein Irrtum, wie die Recherchen von Bienert zeigten. Zwar hielt Hermann Henselmann im September 1954, kurz nach Abschluss der Bauarbeiten am Wohnpalast, am Ostseeplatz eine Rede, in der er Rechenschaft über seine Tätigkeit als Chefarchitekt ablegte. Bienert fand aber keinen Hinweis darauf, dass der DDR-Stararchitekt persönlich an der Planung beteiligt gewesen war.

"Der Wohnpalast war ein klares Statement der DDR"

Unübersehbar ist jedoch die Ähnlichkeit des Wohnpalasts mit Henselmanns berühmtestem Werk, der Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee): Die repräsentative Fassade und die großzügige Innengestaltung des Wohnpalasts haben nichts mit dem späteren, auf Effizienz getrimmten Wohnungsbau der DDR zu tun. Vielmehr sei es darum gegangen, den Arbeitern beste Wohnbedingungen zu bieten, sagt Gewobag-Vorstand Snezana Michaelis: „Der Wohnpalast war ein klares Statement der frühen DDR gegen den funktionalen Wohnungsbau der Weimarer Republik.“

So sind zum Beispiel die Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 64 Quadratmetern recht geräumig konzipiert, und auch die jetzt sorgfältig sanierten Treppenhäuser strahlen Großzügigkeit aus.

Den besonderen Reiz sieht Stadthistoriker Bienert darin, dass rund um den Ostseeplatz ganz unterschiedliche städtebauliche und architektonische Leitlinien realisiert wurden: Entlang der Ringbahn- Trasse stehen Mietskasernen aus der Gründerzeit, daran schließt sich die 1928 bis 1930 nach Plänen von Bruno Taut errichtete Wohnstadt Carl Legien an (seit 2008 Unesco-Welterbe), und nördlich des Wohnpalasts am Ostseeplatz erstrecken sich Plattenbauten.

Dabei war der Wohnpalast, kaum dass er fertig wurde, bereits überholt: Ende 1954 hielt nämlich der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow eine Rede, in der er dazu aufrief, den Wohnungsbau zu industrialisieren und so kostengünstiger zu machen. „Damit taugte der Wohnpalast nicht mehr als ideologisches Vorbild“, resümiert Michael Bienert.

Die Gesamtmiete steigt um 0,83 Euro pro Quadratmeter

Dafür ist er nach Ansicht von Staatssekretär Lütke Daldrup noch heute „eine wunderbare Wohnanlage“. Dazu beigetragen haben die Modernisierungsmaßnahmen der vergangenen zwei Jahre. Dabei sanierte die Gewobag die Fassade und erneuerte die Brüstungen jener Balkone, an denen in den 1980er Jahren ersatzweise schlichte Metallkonstruktionen angebracht worden waren.

Darüber hinaus wurden die Gasetagenheizungen durch einen Fernwärmeanschluss ersetzt und die Fenster erneuert – bis auf eine Belegachse auf der Hofseite, wo die Originalfenster erhalten blieben. Außerdem bekamen die Mieter neue Bäder und einen neu gestalteten Innenhof. Auf eine Dämmung der denkmalgeschützten Fassade verzichtete man, um das äußere Erscheinungsbild nicht zu beeinträchtigen.

Rund tausend Euro pro Quadratmeter Wohnfläche ließ sich die Gewobag die Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen kosten. Als Folge hätte sie die Miete um 1,68 Euro pro Quadratmeter erhöhen dürfen. Laut Gewobag-Sprecherin Gabriele Mittag begrenzte sie diese Modernisierungsumlage jedoch auf 1,08 Euro pro Quadratmeter, sodass die durchschnittliche Kaltmiete von 4,05 auf 5,13 Euro pro Quadratmeter stieg. Weil die Betriebskosten den Berechnungen zufolge um 0,25 Euro pro Quadratmeter sinken, resultiert für die bisherigen Mieter eine Erhöhung der Gesamtmiete um lediglich 0,83 Euro pro Quadratmeter. „Wir vertreiben unsere Mieter nicht“, betont Mittag.

Allerdings mussten die Bewohner während der Bauarbeiten ihre Wohnungen verlassen. 60 Prozent der Mieter blieben dann gleich in ihrem Ausweichquartier, nur 40 Prozent zogen zurück. Für Neumieter gelten nicht ganz so attraktive Konditionen wie für Bestandsmieter: Sie zahlen Mittag zufolge eine Kaltmiete zwischen 6,78 und 7,33 Euro pro Quadratmeter. Das ist für die Gegend allerdings immer noch moderat, wie ein Blick in einschlägige Immobilienportale zeigt: Andere Anbieter im nördlichen Prenzlauer Berg verlangen zehn Euro und mehr.

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