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Immobilien: Wohnung für wen?

Vermieter entdecken die Zielgruppe Analysen helfen: Wie lässt sich eine Immobilie auf ganz bestimmte Interessenten zuschneiden?

Mit neuen Konzepten erzielen professionelle Vermieter erstaunliche Erfolge. Ausgangsidee: Die Wohnung wird zum Produkt. Das klingt banal, hat aber was zu bedeuten: Sie muss in Funktion und Design den Zeitgeist und den Geschmack einer Zielgruppe treffen. Und die gilt es zu identifizieren. Deshalb nutzen Investoren und Wohnungsbaugesellschaften nun die Wissenschaft, um auch schwierige Objekte an den Mieter zu bringen. Die wichtigste Frage ist dabei: Wer wohnt gern wie? Um das herauszufinden, ist ein wichtiges Werkzeug die Übersicht über die sogenannten „Sinus-Milieus“, benannt nach dem Institut Sinus Sociovision in Heidelberg.

Das Sinus-Modell stammt aus der Sozialwissenschaft und versucht, die Bevölkerung in Gruppen Gleichgesinnter zu sortieren. Dazu gehören harte Fakten wie Einkommen, Bildung und Alter. Viel wichtiger sind für Marketingexperten jedoch die individuellen Merkmale, die das Milieu-Modell liefert: Werteorientierung, Lebensziele, ästhetische Neigungen, Konsumverhalten. Zwei verheiratete Ingenieure, Mitte 40, pflegen eben nicht automatisch denselben Lebensstil. Sind dem einen Statussymbole wie teures Auto oder repräsentatives Wohnen wichtig, will der andere sich energiebewusst und ökologisch verhalten.

Die Sinus-Gliederung in zum Beispiel Konservative, Bürgerliche Mitte oder Experimentalisten hilft dabei, Modernisierungsideen zu entwickeln, die bei der Zielgruppe ankommen. Ein Experte für solche Konzepte ist die Centacon (siehe Seite zwei). Das Beratungsunternehmen ordnet bestimmte Wohnwünsche Gruppen von potenziellen Mietern zu. „Wir unterscheiden dabei traditions-, gegenwarts- oder zukunftsorientierte Menschen“, so Centacon-Chef Michael Schmutzer. Das Einkommen der angepeilten Zielgruppe ist der zweite Baustein des Konzepts.

Modernisierung fährt jedoch nicht automatisch höhere Mieten ein. Darauf weist Reinhard Aehnelt vom Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik hin: „So wie die Gesellschaft sich spaltet, wird sich der Wohnungsmarkt verändern; also Wachstum im Billigsegment und Wachstum bei Domizilen für Spitzenverdiener.“ Das wissen auch Schmutzer und sein Team. „Es kann auch Ziel sein, Leerstand zu vermeiden.“ So hat die Centacon einen vernachlässigten Plattenbau am Bersarinplatz in Friedrichshain für junge Mieter umgestaltet. Die Lage des Objekts am Kreisverkehr ist nichts für Konservative oder Ältere, das lag auf der Hand. Allerdings liegt das Haus ideal für junge Nachtschwärmer – zwischen den Ausgehvierteln in Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Mitte. Als Zielgruppe waren also die „Starter“ ausgemacht: Junge Zukunftsorientierte mit – noch – geringem Einkommen. Die Centacon bemühte sogar einen Trendscout, um mehr über die „Starter“ zu erfahren: So wurde aus der Platte das „Geckohaus“. Die kleinen Echsen krabbeln als Wandbilder die frisch sanierte Fassade empor und finden sich auch im Hausflur wieder. Auch die 362 Wohnungen wurden für die Zielgruppe attraktiv gemacht, mit frischen Farben, zum Beispiel roten Mosaikfliesen in den Bädern. Grundrisse wurden verändert, so dass etliche Wohnungen nun auch WG-tauglich sind. Standard sind Multimedia-Dosen in der Wand.

Inzwischen greifen auch große Wohnungsunternehmen auf das Know-how der Berater zurück, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. So hat die Gewobag in der Gartenstadt Haselhorst ihre Wohnungen für den Verkauf aufpäppeln lassen. Allerdings: „Die Umgestaltung nach der Lebensstilsystematik hat keine erhöhten Verkaufszahlen erbracht“, so Gewobag-Sprecher Volker Hartig. Die Wohnanlage wurde schließlich komplett verkauft. „Die Mieter und potenziellen Käufer wollten sich eher aus ihren Milieus herausbewegen.“ Sein Fazit: „Der Milieuansatz ist eine interessante Idee, die uns auch Anregungen vermittelt hat. Als Geschäftsmodell kommt sie bei unserer Käuferklientel aber eher nicht infrage.“

Über die Friedrichstraße 54, einen Plattenbau, der nach den in diesem Text beschriebenen Maßstäben umgestaltet wurde, lesen Sie auf der folgenden Seite I2

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