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Auferstehen aus Ruinen soll die ehemalige Frauen- und Kinderklinik am Mariendorfer Weg in Neukölln. Dort sind mehr als 800 Wohnungen geplant.

© Kai-Uwe Heinrich

Wohnungsbau in Neukölln: Eine schwere Geburt

Auf dem Areal der ehemaligen Frauenklinik Neukölln sollen nun 830 Wohnungen entstehen. Schon 2010 legte der Bezirk einen Entwurf für den Bebauungsplan aus.

Für die Anwohner ist er seit Langem ein Ärgernis: der Zustand der ehemaligen Frauenklinik Neukölln, die am Mariendorfer Weg vor sich hingammelt. Doch jetzt gibt es offenbar eine Lösung. Ein neuer Eigentümer bereitet engagiert den Bau von mehr als 800 Wohnungen vor, und der Bezirk Neukölln ist zuversichtlich, dass es diesmal klappt.

Verantwortlich für den Stimmungsumschwung ist die Avila-Gruppe mit ihrer Tochtergesellschaft Petruswerk. Sie erwarb Ende vergangenen Jahres das Areal nahe dem S-Bahnhof Hermannstraße von der britischen Comer Group, die die ehemalige Frauenklinik ihrerseits 2007 vom Krankenhauskomplex Vivantes übernommen hatte.

Dabei will der neue Investor zunächst den Bereich nördlich des Mariendorfer Wegs in Angriff nehmen und dort 547 Wohnungen in denkmalgeschützten Bestandsgebäuden und in Neubauten errichten. Ein Teil davon könnte auf ein Studentenwohnheim entfallen. Geplant sind außerdem 480 Tiefgaragenstellplätze. Die entstehende Wohnfläche beziffert die Avila-Gruppe auf gut 50 000 Quadratmeter.

Insgesamt ist das ehemalige Klinikareal beidseits des Mariendorfer Weges knapp sechs Hektar groß. Den südlichen Bereich will die Avila-Gruppe jedoch erst in einem zweiten Schritt entwickeln. Nach Angaben von Rolf Groth, dem Leiter des Stadtplanungsamtes Neukölln, sind dort weitere 280 Neubauwohnungen geplant. Die dort befindlichen Gebäude würden ebenso abgerissen wie die in der Nachkriegszeit entstandenen Häuser auf der nördlichen Seite.

Stehen bleiben hingegen die drei denkmalgeschützten Kerngebäude der ehemaligen Frauenklinik zwischen Mariendorfer Weg und Eschersheimer Straße, die vor hundert Jahren als Brandenburgische Hebammenlehranstalt errichtet wurde. An der Höhe der Denkmale werden sich nach Angaben Groths auch die Neubauten orientieren. Mit einer Ausnahme: An der Ecke zur Eschersheimer Straße ist ein 21-geschossiger Wohnturm geplant. Für die Architektur ist das Berliner Büro GFB Alvarez & Schepers verantwortlich.

Schluss mit illegalen Partys

Dieses städtebauliche Konzept ist das Ergebnis einer langen Planung: Schon 2010 legte der Bezirk einen Entwurf für den Bebauungsplan aus. Doch die Zeit, in der die Comer Group das Sagen hatte, „war eine Phase, die nicht erquicklich war“, wie sich Stadtplaner Groth erinnert.

„Die Comer Group hat nichts getan, außer das Gelände weiter verfallen zu lassen.“ Von „einer zeitweise katastrophalen Situation“ spricht Groth: Illegale Partys wurden gefeiert, und Metalldiebe bedienten sich nach Belieben. Mittlerweile ist das Areal mit einem hohen Zaun gesichert; doch Graffiti und eingeschlagene Fensterscheiben zeugen noch immer von der wilden Vergangenheit.

Den neuen Investor lobt Groth hingegen. „Mit dem Petruswerk geht es sehr schnell voran“, sagt er. Das Petruswerk war einst eine katholische Wohnungsbaugesellschaft und wurde 2004 von der Avila-Gruppe übernommen, die zu 40 Prozent der Karmel Missionsstiftung gehört. Diese unterstützt Projekte der Ordensgemeinschaft der Karmeliten. Dass das Petruswerk größere Bauvorhaben stemmen kann, bewies es auf dem alten Schlachthof in Prenzlauer Berg, wo es vor einigen Jahren – also noch vor dem jetzigen Bauboom – 270 Mietwohnungen errichtete.

Mietwohnungen sollen jetzt auch in Neukölln entstehen, wobei sich die Avila-Gruppe zur Miethöhe noch nicht äußert. Ein Unternehmenssprecher schloss zudem nicht aus, dass im denkmalgeschützten Bereich Eigentumswohnungen entstehen könnten.

Das Petruswerk will am Mariendorfer Weg eine Kita schaffen

Nach Angaben Groths ist der Bauantrag für den ersten Bauabschnitt bereits eingereicht. „Die Baumaßnahmen“, sagt der Leiter des Stadtplanungsamt, „könnten Ende 2015 oder Anfang 2016 beginnen.“ Parallel dazu gehen die Arbeiten am Bebauungsplan weiter, dessen Grundzüge im Mai auf einer Veranstaltung vorgestellt wurden. Der Umstand, dass im Prinzip bereits jetzt Baurecht für Wohnungen besteht, führt auch dazu, dass der Investor nicht verpflichtet ist, geförderte oder besonders günstige Wohnungen anzubieten.

Dies sieht das Berliner Modell zur kooperativen Baulandentwicklung für diejenigen Gebiete vor, für die neu Baurecht geschaffen wird. Auch zur Bezahlung von Infrastrukturleistungen wird der Bezirk den Investor nicht verpflichten können. Allerdings hat sich das Petruswerk freiwillig bereit erklärt, am Mariendorfer Weg eine Kindertagesstätte zu schaffen. Außerdem soll es in der Silbersteinstraße ein Familienberatungszentrum geben.

Mindestens vier Jahre wird die Revitalisierung des einstigen Klinikareals dauern, schätzt Groth. Es ist nicht der erste aufgegebene Krankenhausstandort in Berlin, der wieder eine Zukunft hat: Auf dem Gelände der ehemaligen Geburtsklinik Charlottenburg in der Mollwitzstraße entstehen rund 600 Eigentumswohnungen. Auch dort brauchte es übrigens einen neuen Investor, um das Vorhaben in Gang zu bringen.

Der erste Investor, der die Liegenschaft von Vivantes erworben hatte, ohne sie zu entwickeln, war ebenfalls die Comer Group.

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