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Fünf Morgen Dahlem Urban Village nennt Stofanel das Projekt auf der Truman Plaza in Zehlendorf. Rund um einen künstlichen See entstehen rund 100 Wohnungen und Villen, außerdem zwei Supermärkte, ein Ärztehaus und ein Fitnessstudio.

© Stofanel Investment AG

Wohnungsmarkt: Wenn Städter dörflich wohnen

Loft und Townhouses sind längst wieder out. In Berlin entstehen seit neuestem sogenannte „Urban Villages“. Setzen sich die "städtischen Dörfer" als neuer Trend auf dem deutschen Wohnungsmarkt durch?

Die Trends auf dem Berliner Wohnungsmarkt ändern sich schnell. Vor einigen Jahren sprachen alle von Lofts, dann galten Townhouses als der letzte Schrei, und jetzt drängen Urban Villages in den Vordergrund – jedenfalls nach Ansicht der Berliner Projektentwicklungsfirma Stofanel. Sie errichtet solche Urban Villages und ist vor kurzem für ihr Marthashof Urban Village in der Schwedter Straße in Prenzlauer Berg mit dem Eco Immobilienawardberlin 2011 ausgezeichnet worden.

Die Wohnanlage Marthashof – für die es in der Vergangenheit heftige Kritik wegen der von manchen Anwohnern als Fremdkörper empfundenen Konzeption gab – steht beispielhaft für das, was Stofanel unter einem Urban Village (also einem städtischen Dorf) versteht: eine Wohnanlage, „die den Einklang von Stadt- und Landleben bietet“. Gemeint ist damit also nicht eine Reihenhaussiedlung am Stadtrand, sondern eine Anlage, die sich mitten in der Stadt befindet. Gleichzeitig umfasst ein Urban Village einen hohen Grünflächenanteil und damit die Möglichkeit, sich auf dem Areal zu treffen. Einkaufsangebote, Schulen und öffentliche Verkehrsmittel müssen sich in der Nähe befinden, und unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sollen Nachbarn sein. „Urban Villages“, fassen es die Stofanel-Verantwortlichen zusammen, „holen die Natur in die Stadt und setzen auf Gemeinschaft“.

So richtig durchgesetzt hat sich der „Wohntrend“, von dem das Berliner Unternehmen in Bezug auf Urban Villages spricht, in Deutschland jedoch noch nicht. Der Deutschlandzentrale des Maklerunternehmens Engel & Völkers jedenfalls ist außerhalb Berlins kein deutsches Wohnungsbauprojekt bekannt, das unter dem Namen Urban Village vermarktet wird. Fündig wird man aber im Ausland: In Aarau, einer Schweizer Kleinstadt mit 19 000 Einwohnern, hat im November der Immobilienkonzern Mobimo einen städtebaulichen Wettbewerb für ein ehemaliges Industrieareal entschieden, auf dem künftig ein Urban Village Gestalt annehmen soll. Entstehen soll den Schweizern zufolge „eine urbane Form des Miteinanders, das ähnliche Strukturen aufweist wie das klassische Dorf“.

Giovanna Stefanel-Stoffel und Ludwig Maximilian Stoffel, die Gründer des Berliner Unternehmens Stofanel, verweisen auf andere Beispiele aus dem Ausland, beispielsweise Saifi Village in Beirut und Adamstown in Dublin. Allerdings zeigen gerade diese beiden Projekte, dass unter einem Urban Village ganz unterschiedliche Wohnformen verstanden werden können. Saifi Village ist ein kleines Viertel, das nach dem libanesischen Bürgerkrieg wieder aufgebaut wurde und einen Ruf als Kunstquartier erlangt hat. Ganz andere Dimensionen hat Adamstown: 10 000 Wohnungen soll es dort einmal geben – aber keineswegs innerstädtisch. Adamstown befindet sich 16 Kilometer außerhalb des Zentrums von Dublin.

Harmonisches Miteinander hat seinen Preis

Noch etwas anderes meinte der US-amerikanische Soziologe Herbert J. Gans, als er 1962 den Begriff der „urban villagers“ (also der städtischen Dörfler) prägte: Er verstand darunter die italienischstämmige Gemeinschaft in Boston – und die lebte keineswegs in edlen Neubau-Wohnanlagen wie Marthashof, sondern in bescheidenen Verhältnissen. Im angelsächsischen Raum bekannt wurde der Begriff dann ab den 1980er Jahren: Im Rahmen des New Urbanism – einer Bewegung, die sich gegen das ausufernde Wachstum der Vorstädte wandte – bezeichnete ein Urban Village nun eine gemischt genutzte, innerstädtische Anlage von hoher architektonischer Qualität.

Eine Abwendung von der Peripherie und ein Trend in die Innenstadt lassen sich Experten zufolge heute auch auf dem Berliner Wohnungsmarkt feststellen. Typisch dafür sind Wohnungsbauprojekte, die von ihren Entwicklern zwar nicht Urban Village genannt werden, aber im Kern den Stofanel-Projekten gleichen: die Prenzlauer Gärten mit ihren Reihenhäusern gegenüber dem Volkspark Friedrichshain etwa oder das Viktoriaquartier auf dem Gelände der ehemaligen Schultheiss-Brauerei am Fuße des Kreuzbergs.

Anne Riney indes, erfahrene Wohnungsmaklerin und Leiterin des Büros Berlin-Mitte von Engel & Völkers, ist nicht überzeugt davon, dass Urban Villages in Berlin auf große Nachfrage treffen. „In Berlin ist die ganze Stadt grün“, argumentiert sie. Zudem sei in Berlin die Trennung in Zentrum einerseits und Vorstädte andererseits weit weniger ausgeprägt als in anderen Großstädten. Und schließlich sei Berlin eine sichere Stadt – ein besonderer Schutz von Wohnsiedlungen sei unnötig. Dass ihre Urban Villages in die Nähe von Gated Communities – also abgeschlossenen Wohnanlagen, die für Außenstehende nur auf Anmeldung zugänglich sind – gerückt werden, weisen die Stofanel-Verantwortlichen zurück. „Unsere Projekte öffnen sich zur Öffentlichkeit ohne Zäune und Mauern“, betonen sie. „Heterogenität wird gesucht und geschätzt.“

Auch die Kritik, Urban Villages seien nur etwas für Wohlhabende, lässt Torsten Held, Sprecher des Vorstands von Stofanel, nicht gelten: „Das Angebot an Wohnungen und somit auch die Investitionsspanne sind groß.“ Im neuen Projekt des Unternehmens, dem „Fünf Morgen Dahlem Urban Village“, gebe es zahlreiche Angebote von 55 Quadratmeter großen Wohnungen bis zu 300 Quadratmeter umfassenden Villen.

Allerdings beginnen die Preise der rund 100 Einheiten erst bei 3850 Euro pro Quadratmeter. Der hohe Preis hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass das Konzept des Urban Village auf eine möglichst dichte Bebauung verzichtet. Ein Urban Village soll vor allem eines erreichen, sagt Firmengründerin Giovanna Stefanel-Stoffel: „Ein harmonisches Miteinander von Natur, Architektur, der Gesellschaft und dem Einzelnen.“

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