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Wirtschaft: In Asien ist das Vertrauen in die Kreditinstitute längst dahin

Auch private Kleinanleger ziehen ihr Geld nun ab und deponieren ihre Ersparnisse bei ausländischen BankenVON KARL KRÄNZLE SINGAPUR.In Indonesien, Thailand und Malaysia und sogar in Hongkong haben viele Bürger das Vertrauen in ihre Banken verloren.

Auch private Kleinanleger ziehen ihr Geld nun ab und deponieren ihre Ersparnisse bei ausländischen BankenVON KARL KRÄNZLE SINGAPUR.In Indonesien, Thailand und Malaysia und sogar in Hongkong haben viele Bürger das Vertrauen in ihre Banken verloren.Beweise für diesen Verlust gibt es sogar in Singapur und Hongkong, wo das Bankenwesen solider und gesünder ist.Alltägliche Episoden bringen die starke Verunsicherung zum Ausdruck.Ein Kellner möchte von seinem Gast aus Amerika wissen, wie dieser über die Citibank denkt."Wären meine Ersparnisse da sicherer angelegt als bei einem lokalen Institut?", fragt er.Ein Schweizer Bankier erzählt, er sei kürzlich wie aus allen Wolken gefallen.Ein Sparer, der 100 000 Singapur-Dollar bei der OCBC - einem der fünf führenden Institute im Stadtstaat Singapur - angelegt hatte, wollte das Geld ihm bringen.Begüterte Privatkunden mit Vermögen von über 1 Mill.US-Dollar vertrauten ihr Geld schon früher Ausländern an, die das Private Banking pflegen.Neu ist, daß nun auch die kleineren Kunden dem Beispiel folgen. Man fühlt sich an das Bild vom Schneeball erinnert, der zur Lawine wird.Ein pensionierter Geschäftsmann in Malaysia liest in der Zeitung, bei der Lokalbank in seinem Städtchen seien die Leute tags zuvor Schlange gestanden, um mehr Geld als üblich abzuheben.Darauf zieht auch er seine ganzen Ersparnisse - 1 Mill.Ringgit (umgerechnet rund 480 000 DM) - ab und bringt sie zu einer Auslandsbank.Schlangen bilden sich dann aber auch bei den ausländischen Instituten.An manchen Tagen dauerte es bis zu drei Stunden, bis ein Sparer es mit seinem gesamten Bargeld zum Schalter schaffte und ein Konto eröffnen konnte. Die Entwicklung begann im vierten Quartal und hat sich in den ersten drei Monaten des laufendenh Jahres noch verstärkt.Ausländische Banker sind wortkarg und zurückhaltend, wenn man sie auf die Entwicklung anspricht.Keine nennt genaue Zahlen.Die Diskretion ist verständlich.Die Politiker dieser Länder reagieren zum Teil bestürzt auf die Entwicklung.In Malaysia warf ein Parlamentarier den Auslandsbanken vor, sie hätten es darauf abgesehen, Kapital aus einer Notlage zu schlagen.Allein im vierten Quartal 1997 seien fast 6 Mrd.US-Dollar von lokalen Instituten abgezogen und bei ausländischen deponiert worden.Laut Schätzungen nahmen die Einlagen bei Auslandsbanken in Indonesien in der zweiten Jahreshälfte 1997 um 48 Prozent zu.In Thailand hatten die Ausländer bislang eine bedeutend schwächere Präsenz als in Malaysia, Singapur und Indonesien.Aber auch im früheren Siam stiegen die Einlagen bei ausländischen Instituten von Juni bis Dezember um 63 Prozent. Vier Auslandsbanken haben in Asien eine besonders starke Stellung im Retail Geschäft: Die amerikanische Citibank, die Hongkong-Bank, Standard Chartered und aus den Niederlanden ABN-Amro.Da aber nicht mehr nur individuelle Privatsparer, sondern in zunehmendem Maß auch Unternehmer und Gewerbetreibende zu Auslandsbanken wechseln, wittern da auch Schweizer, Deutsche und Franzosen eine Chance.Über die Attraktivität dieser Geschäfte gehen die Meinungen auseinander.Einzelne ausländische Geldhäuser geraten in einen gewissen Anlagennotstand; die Einlagen verunsichterter Malayiser, Indonesier un Thai nehmen zu, während die Möglichkeiten zur Kreditvergabe angesichts der restriktiveren Politik abnehmen.Die meisten dieser Einleger wollen auch gar nicht, daß mit ihrem Geld hohe Renditen erwirtschaftet werden."Sie suchen Sicherheit", sagt ein Schweizer.Insofern handele es sich um keine sehr interessante Kundschaft.Es könne jeoch sehr wohl sein, daß in einem zweiten dritten Schritt das Geschäft interessanter werde, nämlich dann, wenn diese Kunden für eine bestimmte Anlagestrategie oder ein Portfolio gewonnen werden könnten. Gegnsätzlich wir auch beurteilt, ob es sich um eine vorübergehene Erscheinung, oder um einen dauerhafteren Trend handelt, der dazu führt, daß die ausländischen Institute ihren Vorsprung in Bezuig auf Sicherheit, Produkteangebot und Qualität der Dienstleistung gegenüber der lokalen Kunkurrenz weiter ausbauen können.Der Chef einer deutschen Großbank in Singapur ist skeptisch. Die Finanzindustrie in Südostasien befinde sich in einem viel kritischeren Zustand, als bislang zugegeben worden ist, lautet der Tenor ausländischer Banker.Die Schuldentürme würden höher und höher.Von einer Krise müsse dann gesprochen werden, wenn die Problemkredite einmal 15 Prozent der Gesamtausleihungen eines Instituts betragen, heißt es bei Goldman Sachs.Diese Grenze ist bereits überschritten.Ein ausländischer Banker wagt die Behauptung, bei manchen malaysischen Banken würden heute auf 60 Prozent aller Ausleihungen keine Zinsen mehr bezahlt.Selbst solide Unternehmer erhhalten daher in vielen Fällen keine Kredite mehr.Auch diese Kreditkunden wenden sich neuerlich vermehrt an Auslandsbanken, die nun stolz erklären, sie verfügten über ein geschulteres Personal für Kreditrisikoanalysen als die einheimischen Institute.Das mag zuteffen, änder jedoch nichts an der Tatsache, daß auch sie sich in den vergangenen Jahren bei der Kreditvergabe an asiatische Schuldner oftmals eine geradezu groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht haben.

KARL KRÄNZLE

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