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Wirtschaft: In Berlin bleiben viele Betten unberührt

Für die Hoteliers an der Spree gilt die Devise: "Augen zu und durch" / Schon seit zwei Jahren gehen die Umsätze zurückVON HEIKE JAHBERG BERLIN.Es ist verrückt: Da strömen die Touristen wie zu Nach-Mauerzeiten in Scharen nach Berlin, doch Hotels und Pensionen werden leerer und leerer.

Für die Hoteliers an der Spree gilt die Devise: "Augen zu und durch" / Schon seit zwei Jahren gehen die Umsätze zurückVON HEIKE JAHBERG

BERLIN.Es ist verrückt: Da strömen die Touristen wie zu Nach-Mauerzeiten in Scharen nach Berlin, doch Hotels und Pensionen werden leerer und leerer.Nur eine "niedrige Übernachtungsintensität" bescheinigt die Bavaria Immobilienconsult und Baurevision GmbH, die zum Konzern der Bankgesellschaft Berlin gehört, der Hauptstadt.Gerade einmal 1,9 Übernachtungen pro Einwohner vermeldeten die Herbergsbetriebe an der Spree im vergangenen Jahr.Verglichen mit der Konkurrenz in der Mainstadt Frankfurt (5 Übernachtungen pro Einwohner) und der Bayern-Metropole München (4,7) haben die Berliner Hoteliers und Pensionsbesitzer das Nachsehen.Selbst nach Hamburg (2,7) kann man nur mit Neid schauen.Offensichtlich kehren viele Besucher nach einem Blick auf das Brandenburger Tor der Hauptstadt abends wieder den Rücken oder schlüpfen bei Bekannten in Privatquartieren unter. Dem Hotel- und Gaststättengewerbe ­ mit rund 50 000 Arbeitsplätzen und einem Umsatzvolumen von 5 Mrd.DM immerhin der fünftstärkste Wirtschaftszweig der Stadt ­ macht diese Entwicklung zu Recht Sorge.Zwar konnten die 422 Berliner Hotels und Pensionen im Mai ­ neuere Zahlen kennt das Statistische Landesamt nicht ­ gegenüber 1996 einen Zuwachs von 2,6 Prozent bei den Übernachtungen verzeichnen, doch sind "Traumquoten" von durchschnittlich 68,2 Prozent Bettenauslastung aus den Zeiten des Mauerfalls nur noch eine schöne Erinnerung.Gerade einmal 53,8 Prozent waren es im Mai.Das ist wenig. Vor allem wenn man bedenkt, daß die Werte von Monat zu Monat schwanken.Denn obwohl im Mai vergangenen Jahres die Betten zu 55,4 Prozent vermietet waren, gab es im Gesamtjahr nur eine durchschnittliche Auslastung von 42,9 Prozent.Alarmstufe rot: "Als Orientierungsgröße für Wirtschaftlichkeit kann eine Auslastung von durchschnittlich 50 Prozent für Berliner Hotels nur unter Einschränkung gesehen werden", warnt die Bavaria Immobilienconsult und Baurevision GmbH in einer jetzt veröffentlichten Studie."Kritisch" sei der Berliner Hotelmarkt, meinen die Immobilienexperten, Investitionen in Hotelimmobilien sollte man in den nächsten zwei bis drei Jahren nur "sehr vorsichtig" und "von Fall zu Fall" bewerten. Doch die Bauherren hören auf die warnenden Stimmen nicht.Vorwiegend in der mittleren Preisklasse sind in den kommenden drei Jahren 66 Neu- oder Ausbauten geplant, rund 13 000 Betten warten dann zusätzlich auf zahlende Schläfer.Und auch im oberen Preisbereich wird kräftig investiert ­ mit dem Four Seasons am Gendarmenmarkt, dem Flaggschiff Adlon am Pariser Platz, dem Grand Hotel Esplanade oder dem Grand Hyatt wurden und werden große Kapazitäten aufgebaut.Dabei kommen die Häuser, denen potente Hotelketten den Rüêken stärken, mit der derzeitigen Flaute besser zurecht als Einzelkämpfer.Sie können über eine Quersubventionierung im Unternehmen auch unrentablere Adressen erst einmal weiterführen und sich mit Preisnachlässen selbst in schwierigen Zeiten ihre Marktposition sichern.Bei rund 10 Prozent sehen die Berliner Immobilienexperten den Preisverfall im Luxussegment, bei Zwei- und Drei-Sterne-Hotels könne der Kunde immerhin noch mit Preisersparnissen von vier bis sechs Prozent rechnen, heißt es.Schlechte Aussichten für Hoteliers mit knapper Kasse: Schon seit zwei bis drei Jahren gehen die Umsätze zurück, fallen die Renditen. Was tun, um über die Runden zu kommen? Wer die Wochenend-Besucher aus Recklinghausen oder Oldenburg beobachtet, deren Busse am Freitag vor den besseren Häusern vorfahren, ahnt, auf welchem Wege viele der Großen ihre Finanznöte zu lösen versuchen.Um die Flaute erfolgreich zu überstehen, gibt es aber noch andere Möglichkeiten: So siedeln sich Low-Budget-Häuser wie Etap bewußt an ungewöhnlichen Standorten wie Gewerbegebieten an.Erfolg versprechen nach Einschätzung der Bankgesellschaft aber auch Nischenanbieter wie Design- und Kunsthotels, Pensionen und Hotels mit skurrilem Ambiente und Einstiegspreisen ab 35 DM für Studenten, Künstler oder Montagearbeiter sowie Hotels, die ausschließlich Frauen beherbergen. Doch auch andere werden sich eines Tages wieder ein größeres Stück vom Kuchen abschneiden.Wer lange genug durchhält, könnte in einigen Jahren mit klingender Kasse belohnt werden: Bleibt es dabei, daß bis zum Jahr 2000 Regierung, Parlament, Botschaften und Verbände ihre Zelte an der Spree aufgeschlagen haben werden, dürfte davon auch die Hotellerie profitieren, prognostizieren die Consultants.Denn im Gefolge der Politik dürften sich auch verstärkt Firmenzentralen in Berlin ansiedeln ­ sowohl der diplomatische als auch der geschäftliche Reiseverkehr würden dann auf Touren kommen.Bis dahin gilt die Devise: "Augen zu und durch".

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