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Wirtschaft: In den Niederlanden werden überhöhte Jahressaläre nicht mehr kommentarlos hingenommen

Als einträchtiges Duo werden die beiden Niederländer im Ausland als Gastredner geschätzt. Gemeinsam mit Arbeitgeberchef Hans Blankert pflegt Lodewijk de Waal durch die Nachbarländer zu tingeln, um dort die Vorzüge des niederländischen "Poldermodells" anzupreisen.

Als einträchtiges Duo werden die beiden Niederländer im Ausland als Gastredner geschätzt. Gemeinsam mit Arbeitgeberchef Hans Blankert pflegt Lodewijk de Waal durch die Nachbarländer zu tingeln, um dort die Vorzüge des niederländischen "Poldermodells" anzupreisen. Doch vom sozialpartnerschaftlichen Schulterschluss hat der Vorsitzende des Gewerkschaftsbund FNV vorläufig Abschied genommen.

Als "scheinheilig" bezeichnete der Gewerkschaftschef Mitte August "habsüchtige" Topmanager, die sich "exzessiver Selbstbereicherung" schuldig machten, ihren Mitarbeitern jedoch seit Jahren den Lohnverzicht predigten. Der Grund für seinen Zorn: die rasch steigenden Gehälter in den Vorstandsetagen der niederländischen Unternehmen.

Laut Berechnung der Tageszeitung De Volkskrant stiegen die Löhne 1998 um durchschnittlich drei Prozent, die Gehälter der Manager hingegen um satte acht Prozent. Zu dem stattlichen Einkommen der Vorstandsmitglieder der großen Konzerne gesellen sich großzügige Optionsregelungen. Die Führungskräfte von Unternehmen wie Philips, Shell oder Aegon konnten mit Aktienoptionen ihr Jahressalär teils um Millionen aufbessern.

Ihren Mitgliedern könnten die Gewerkschaften die jahrelange gepredigte Lohnmäßigung "nicht mehr verkaufen", klagt Henk van der Kolk, der Tarifexperte des FNV. Spitzenmanager müssten sich genauso wie Arbeitnehmer in Lohnmäßigung üben. Andernfalls seien die Gewerkschaften zu höheren Lohnforderungen und dem Auszug aus gemeinsamen Beratungsgremien gezwungen. Die Forderung des FNV, dass der Arbeitgeberverband VNO-NCW seine Mitglieder schriftlich zur Lohnmäßigung und zur Veröffentlichung der Einkommen der Spitzenmanager ermahnen soll, lehnt dieser jedoch brüsk ab. Stattdessen wirft der VNO-NCW dem FNV "Erpressung" und das "Schüren von Sozialneid" vor.

Das öffentliche Säbelrasseln der Sozialpartner mag in anderen Ländern zum festen Bestandteil von Tarifauseinandersetzungen gehören. In den Niederlanden werden derart harsche Töne jedoch als besorgniserweckend empfunden. Denn bisher galt der konstruktive Umgang der Sozialpartner als die Grundlage für die Erfolge des vielgepriesenen Poldermodells. Gemeinsam und nicht gegeneinander mühten sich bisher Gewerkschaften und Arbeitgeber, ihre Probleme zu lösen. Doch obwohl die Wirtschaft boomt, die offizielle Arbeitslosenquote auf drei Prozent abgesunken ist, droht die jahrelang beschworene Harmonie der Sozialpartner empfindlich aus dem Gleichgewicht zu geraten. "Wenn die Arbeitgeber unsere Forderung nach einem öffentlichen Aufruf zur Lohnmäßigung nicht erfüllen, gehen wir unseren eigenen Weg," droht FNV-Chef De Waal gar mit einem Ende der bisherigen Dialogkultur. "De Waal legt eine Bombe unter das Poldermodell," vermeldet besorgt das "NRC-Handelsblad".Derweil murren auch die kleineren Unternehmen über die Hochlohnpolitik, mit der die Großkonzerne hochqualifizierte Führungskräfte abwerben. Sie fürchten, das erste und zweite Liga auf dem Arbeitsmarkt entsteht und die Kleinen am Ende die Dummen sind.

Thomas Roser

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