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Wirtschaft: In der Chemie- und der Metallindustrie geht es um eine Verbesserung der Altersteilzeit

Die Tarifrunde 2000 kommt in Schwung, womöglich gibt es in den nächsten Tagen erste Abschlüsse. Zwar wurden Metall-Verhandlungen in Berlin und Braunschweig am Montag ergebnislos vertagt, und die jeweiligen Gewerkschaftschefs drohten mit Warnstreiks.

Die Tarifrunde 2000 kommt in Schwung, womöglich gibt es in den nächsten Tagen erste Abschlüsse. Zwar wurden Metall-Verhandlungen in Berlin und Braunschweig am Montag ergebnislos vertagt, und die jeweiligen Gewerkschaftschefs drohten mit Warnstreiks. Doch sowohl in der Chemieindustrie als auch im Metallbezirk Baden-Württemberg kommen die Gespräche in eine entscheidende Phase. Im nordhessischen Bad-Wildungen begann am Montag die zweite Runde für die 580 000 Beschäftigten in der westdeutschen Chemie. Die Verhandlungen sind für zwei Tage anberaumt, ein Ergebnis scheint möglich. Die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hat sich bislang mit konkreten Forderungen zurückgehalten. Richtgröße ist ein Lohnabschluss oberhalb der Inflationsrate sowie eine Verbesserung der Altersteilzeit.

Altersteilzeit steht auch im Mittelpunkt der Metallverhandlungen in Böblingen, die am Dienstag beginnen und ebenfalls auf zwei Tage angesetzt sind. Die IG Metall fordert 5,5 Prozent mehr Lohn/Gehalt und den "Ausstieg mit 60". Diese Forderung ist von der Rente mit 60 übriggeblieben; wie sie in einen Tarifvertrag einfließen kann, wird inzwischen deutlicher. Der Stuttgarter IG-Metall-Verhandlungsführer Berthold Huber hat nie sonderlich viel von der Rente mit 60 gehalten und setzt deshalb auf eine verbesserte Altersteilzeit. Das bieten auch die Arbeitgeber an, die auf diesem Wege einen "Tarifvertrag Ausstieg mit 60" verhindern wollen. Vor einer Woche legten die Metallarbeitgeber ein Angebot vor, dass nun in den kommenden beiden Tagen Gegenstand der Verhandlungen sein wird.

Besonders umstritten sind bei der Altersteilzeit Rechtsanspruch und Rentenabschläge. Unter bestimmten Voraussetzungen wollen die Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Recht auf vorzeitigen Ausstieg einräumen: 30 Jahre Betriebszugehörigkeit, der Betreffende muss in Nacht- oder Wechselschicht gearbeitet haben, er muss schwerbehindert oder leistungsgemindert sein und in einer unteren Lohngruppen arbeiten. Zusätzlich formulierten die Arbeitgeber folgende Einschränkungen: Je Betrieb dürfen nicht mehr als drei Prozent der Beschäftigten in Altersteilzeit sein; der Arbeitgeber kann die Altersteilzeit für so genannte unersetzbare Beschäftigte in Schlüsselpositionen ablehnen, und schließlich wird der Altersteilzeit im Betrieb eine Finanzgrenze gezogen, wenn der von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichgewichtig finanzierte betriebliche Fonds ausgeschöpft ist.

In der Form werden sowohl das Fondsmodell als auch weitere Punkte von der IG Metall abgelehnt. Die Gewerkschaft will vielmehr einen überbetrieblichen Branchenfonds, aus dem ein Teil der Rentenkürzung, die bei der Frührente fällig wird, auszugleichen wäre. Das Argument der IG Metall: Bei kleinen und mittleren Betrieben wären die Mittel schnell ausgeschöpft, so könnte zum Beispiel in einem Unternehmen mit 70 Beschäftigten nur ein Arbeitnehmer früh aussteigen. Deshalb also Branchenfonds. Den wiederum lehnt der Arbeitgeberverband Gesamtmetall rigoros ab, da vor allem Großbetriebe, die die Stelle des ausscheidenden Frührentners wiederbesetzen und deshalb aus dem Fonds Kosten erstattet bekommen, gefördert würden. Anders gesagt: Alle Betriebe müssen in den Fonds zahlen, aber nicht alle können den Fonds anzapfen.

Eleganter zu handhaben als ein Fonds ist das Instrument Abfindung. Bereits jetzt bekommt ein Metaller, der zwischen 60. und 63. Lebensjahr in Altersteilzeit geht, eine Abfindung in Höhe von drei Monatsgehältern (brutto). Hintergedanke: Der Altersteilzeitler soll die Abfindung anlegen, um auf dem Kapitalmarkt einen Ausgleich für die Rentenabschläge zu bekommen. Bislang kann das nicht annähernd die Rentenkürzung kompensieren. Wahrscheinlich ist also, dass die Abfindung noch um einige tausend Mark aufgestockt wird.

Den Rechtsanspruch betreffend ist die Zahl von 30 Jahren Betriebszugehörigkeit für die IG Metall nicht akzeptabel. Beim Anspruch ab dem 58. Lebensjahr sowie bei der Quote von drei Prozent ist ein Kompromiss möglich. Die IG Metall steht unter Druck: Zum einen könnte die IG BCE in die Rolle des Trendsetters schlüpfen, wenn sie vor der Metallindustrie abschließt. Zum anderen endet am 28. März die Friedenspflicht. Dann beginnen die Warnstreiks, und ein vernünftiger Kompromiss wird schwieriger.

alf

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