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Der Protest hat geholfen. Auch Frauengruppen demonstrierten in Rom gegen Berlusconi. Sein Rücktritt steht nun bevor.

© Reuters

In der Klemme: Italien kann bald nur noch die Zentralbank helfen

Rom steht unter starkem Druck. Sollten die Zinsen wieder steigen, könnte Italien bald am Ende seiner Möglichkeiten sein.

Als Mario Draghi vor zwölf Tagen Europas oberster Währungshüter wurde, sagten Politiker und Kollegen nur Gutes über ihn. Der 64-Jährige sei ein analytischer Denker und Anhänger stabiler Preise, schwärmten sie. Und eben kein typischer Italiener, der es mit dem Schuldenmachen nicht so genau nimmt. Womöglich kam das Lob zu früh. Als erste Amtshandlung senkte Draghi die Zinsen, trotz ansehnlicher Inflationsraten in Europa.

Seine zweite Entscheidung fällt vielleicht noch gravierender aus: Draghi könnte der letzte sein, der seinem Heimatland aus der Klemme helfen kann – indem er die Europäische Zentralbank im großen Stil italienische Anleihen aufkaufen lässt. Das wäre nicht nur der endgültige Abschied von der Stabilitätstradition der Bundesbank. Draghi würde auch einen rasch schwindenden Geldwert riskieren.

Alles hängt davon ab, ob Mario Monti, Favorit für das Amt des Ministerpräsidenten, eine Wende in der Finanz- und Wirtschaftspolitik hinbekommt. Nur wenn Finanzanleger wieder Vertrauen in Roms Politik fassen, wird das Land sich wieder zu erträglichen Zinsen Geld beschaffen können. Am Donnerstag war die Nervosität noch so groß, dass die Rendite zehnjähriger Staatspapiere bis auf 7,5 Prozent kletterte – ein Niveau, bei dem sich Portugal und Irland unter den europäischen Rettungsschirm hatten flüchten müssen. Am Freitag entspannte sich die Lage – die Zinsen sanken deutlich unter sieben Prozent.

Wie lange der Vertrauensvorschuss hält, ist ungewiss. Sollten die Zinsen wieder steigen, könnte Italien bald am Ende seiner Möglichkeiten sein. Bis Oktober 2012 muss es gut 320 Milliarden Euro alte Schulden durch neue ersetzen. Jeder zusätzliche Prozentpunkt kostet viel Geld. Das Problem: Kaum jemand kann helfen. Der Rettungsschirm EFSF ist für Italien zu klein – er ist schon Griechenland, Irland und Portugal beigesprungen. Und seine Kraft auf bis zu eine Billion Euro zu erhöhen, dürfte kaum gelingen. „Die Hebelung wird nicht funktionieren, weil Anlegern das Ausfallrisiko zu hoch ist, wenn Italien schwächelt“, befürchtet Ansgar Belke, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.  

Lesen Sie auf Seite 2, weshalb Investoren und Politiker jetzt auf das Eingreifen der EZB hoffen.

Bleibt die EZB – die einzige Instanz, die unbegrenzten Zugriff auf Geld hat und Banken wie Staaten liquide halten kann. Nicht wenige Investoren und Politiker hoffen auf ihr Eingreifen. Doch die Deutschen wehren sich. „Damit würde der Anreiz für eine dauerhafter Stabilität und Reformen in der Euro-Zone verloren gehen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Freitag in Berlin. „Falls die EZB ihre Schleusen öffnet, könnten wir diese nie wieder schließen.“ So sieht es auch der scheidende Notenbank-Chefvolkswirt Jürgen Stark. „Das würde bedeuten, dass die EZB sofort ihre Glaubwürdigkeit verliert.“

Anders als Politiker haben Zentralbanker ohnehin kein Mandat, Länder wie Italien zu stützen. Eine demokratische Kontrolle kennen sie nicht, deshalb dürfen sie auch nur über die Stabilität der Preise wachen. Ganz abgesehen davon, dass ein direktes Eingreifen rechtlich gar nicht möglich ist. Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman findet einen Regelbruch aber nicht schlimm. „Das haben Zentralbanken schon oft getan“, sagte er dem „Handelsblatt“. Die politischen Folgen eines scheiternden Euro wären enorm.

Und die Folgen? Bislang hat die EZB bereits für 183 Milliarden Euro Anleihen maroder Staaten gekauft – Preisschübe sind aber ausgeblieben. Doch die Zentralbank hat bislang ihre Aktionen sterilisiert – sie hat also die durch den Anleihekauf erhöhte Geldmenge an anderer Stelle reduziert. Das geht aber nur noch etwa ein Jahr, warnt DIW-Ökonom Belke – dann ist die Munition der EZB erschöpft. „Alles, was sie dann in Sachen Anleihekäufe unternimmt, treibt unmittelbar die Inflation.“

Jetzt kommt es auf Mario Draghi an. Bei seinem ersten Auftritt als EZB-Chef bezeichnete er es noch als „sinnlos“, durch Eingriffe die Zinsen von Staatsanleihen drücken zu wollen. Nächsten Donnerstag tagen er und seine Direktoriumskollegen erneut. Womöglich fallen die Urteile über ihn nach der Sitzung anders aus.

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