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Traut er sich jetzt an die Börse? Klaus Engel, Vorstandschef von Evonik. Foto: dpa

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In der Schublade: Warum IPOs hierzulande rar gesät sind

Börsengänge sind in Deutschland wegen des schlechten Umfelds selten geworden. Evonik entscheidet sich am kommenden Montag.

Frankfurt am Main - Haikui Seafood kennen vermutlich nicht einmal erfahrene Anleger. Goldrooster AG noch weniger. Beiden Firmen gebührt die Ehre, fast zeitgleich mit Facebook den Gang auf das Parkett gewagt zu haben. Der eine hat in Frankfurt vor wenigen Tagen 3,1 Millionen Euro eingesammelt, der andere am Freitag immerhin 2,8 Millionen Euro. Auch wenn die Aktien jetzt in Frankfurt gelistet sind: Heimische Unternehmen sind es nicht – sie kommen aus China. Deutsche Börsenaspiranten gibt es zwar einige – aber keiner ist so mutig wie die Chinesen. Die Börse sei noch zu labil, sagt Wilhelm Bonse-Geuking, Chef der RAG-Stiftung. Die will am Montag entscheiden, ob der Chemiekonzern im Juni gelistet wird oder nicht.

Auch 2012 droht hierzulande wieder zu einem enttäuschenden IPO-Jahr zu werden. IPO steht für Initial Public Offering, zu Deutsch: Börsengang. Von bis zu zehn Börsengängen im zweiten Quartal sprach Martin Steinbach, IPO-Experte der Unternehmensberatung Ernst & Young noch Ende März. „In Deutschland stehen derzeit zahlreiche Kandidaten in den Startlöchern. Wenn nicht wieder ein externer Schock dazwischenkommt, dürften nach Ostern zahlreiche IPOs anstehen.“ Der Schock heißt Griechenland. Seit Mitte März ist der Deutsche Aktienindex auf Talfahrt.

Deshalb bleiben die Emissionsprospekte vorerst in den Schubladen, auch wenn sie von den Unternehmen und den Banken praktisch fertiggestellt sind. Als erster Kandidat gilt derzeit der Essener Chemiekonzern Evonik. Fünf Milliarden Euro könnte der Börsengang bringen, sagen Experten. Rheinmetall hofft für den Autozulieferer Kolbenschmidt Pierburg ebenfalls auf Milliarden. Aber gerade hat der Konzern die Präsentationstour für Investoren verschoben. Noch hält man jedoch am Plan fest, die Aktien im Sommer an die Börse zu bringen. Siemens wollte Osram schon im Herbst vergangenen Jahres platzieren und schätzungsweise drei Milliarden Euro einnehmen. Doch das Vorhaben ruht. Ebenso der geplante IPO der weltweit sechstgrößten Reederei Hapag Lloyd, von dem sich vor allem Großaktionär TUI gute Erlöse erhofft. Auch der Versicherer Talanx, der als ewiger IPO-Kandidat schon seit 1996 über den Gang an die Börse sinniert, macht keine Anstalten, in den nächsten Wochen den Sprung aufs Parkett zu wagen. Als Aspiranten gelten Ernst & Young-Experte Steinbach zufolge auch Bertelsmann und der Spezialchemiekonzern H. C. Stark.

2011 meldete die Deutsche Börse zwar 16 Börsengänge, aber ein Schwergewicht war nicht dabei. Mit 470 Millionen Euro spielte der Berliner Wohnungskonzern GSW noch die höchste Summe ein. Unter den bekannteren neuen Börsenfirmen waren noch die Norma Group, die Adler Modemärkte und der Fahrradhersteller Derby Cycle. Aber wirklich große IPOs gibt es in Deutschland schon seit fünf Jahren nicht mehr. Damals sammelte der Maschinenbauer Tognum immerhin gute zwei Milliarden Euro ein.

Überhaupt dümpelt der IPO-Markt in Deutschland seit Anfang des Jahrtausends mehr oder weniger vor sich hin. Zu Zeiten des Internet-Hypes gingen pro Woche mehrere Firmen auf das Parkett. Die Börsenmanager konnten sich vor Anfragen kaum retten, es gab Jahre mit mehr als 150 IPOs. Davon sind etliche freilich längst wieder verschwunden. Aber nicht einmal 20 Börsengänge werden derzeit pro Jahr in Deutschland registriert. Das Geschehen spielt sich jenseits des Atlantiks und in Asien ab – wenn es auch weltweit in den ersten drei Monaten sehr langsam lief: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sackte die IPO-Zahl von 296 auf 157 ab, die Erlöse reduzierten sich sogar von 147 Milliarden auf nur noch gut 14 Milliarden Dollar. Dabei gab es die meisten IPOs im chinesischen Shenzhen vor der Wallstreet. Allein in China wurden 59 Börsenneulinge registriert, in ganz Europa dagegen nur 29. Rolf Obertreis

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